Julian Dasgupta
Die absehbare VR-ÜbernahmeEin Kommentar von Julian Dasgupta, 26.03.2014

Trotz des sagenhaft teuren Whatsapp-Deals hat der Geldbeutel von Facebook immer noch etwas Spielraum für eine weitere Übernahme im Winterquartal hergegeben: Die Mannen um Mark Zuckerberg gönnen sich Oculus VR und löhnen dafür im Maximalfall 2,3 Mrd. Dollar.

Die Reflexreaktion fiel erwartungsgemäß aus: Eine riesige Ach-nöö-Welle schwappte durch die Spielergemeinde – auch ich habe erstmal verwundert die Stirn gerunzelt angesichts des Käufers. Es ist allerdings reichlich verfrüht, Untergangszenarien zu skizzieren angesichts dessen, was in der einen oder anderen Form unvermeidlich war. Und wenn man darüber nachdenkt: Es hätte auch schlimmer kommen können.

Es war immer klar und absehbar, dass Oculus VR für eine Übernahme gemästet wird. In zwei Finanzierungsrunden hatte das Team um Brendan Iribe, Nathan Mitchell und Palmer Luckey 91 Mio. Dollar an Risikokapital einsammeln können. Das ist Geld, bei dem Investoren traditionell auf kurz- oder mittelfristige Erträge hoffen.

Die gibt es aber nur in drei Szenarien: Andere Investoren kaufen vorher erworbene Anteile im Rahmen einer dritten Finanzierungsrunde ab. Das wäre auf absehbare Zeit aber unwahrscheinlich, angesichts des Ansatzes auch unüblich gewesen.

Der Börsengang wäre eine etwas wahrscheinlichere Option gewesen, hätte allerdings noch eine ganze Zeit auf sich warten lassen. Vom Verkauf der Devkits abgesehen gibt es bis dato noch kein konkretes Geschäft bei Oculus VR. Und für die erste Endfassung des Rift-Headsets gibt es noch keinen konkreten Termin.

Bleibt nur noch die jetzt eingetretene Übernahme, bei der vielleicht der Käufer, nicht aber der Zeitpunkt überrascht. Hätte ein Konzern wie Microsoft, Samsung, LG, Apple, Google oder Amazon zugeschlagen, wäre das Grummeln nicht minder groß ausgefallen. Kommende Produkte von Oculus VR wären aber sicherlich an eine bestimmte Hardwareplattform gebunden gewesen. Bei einer Bindung an einen Dritthersteller wie Electronic Arts, Activision Blizzard oder Disney hätten andere Hersteller von einem Support der Hardware abgesehen – Rift wäre dann zwar vielleicht noch auf mehreren Plattformen verfügbar gewesen, wäre aber größtenteils nur noch mit den Inhalten eines Unternehmens gefüttert worden.

Die Gedankenspiele um Anwendungsmöglichkeiten jenseits der Spielewelt sind keineswegs neu und ganz bestimmt nicht mit dem Facebook-Deal verkettet. Schon vor einiger Zeit hatte Oculus z.B. darüber geplaudert, dass man über Rift auch Filme darbieten kann. Auch die Entwicklergemeinde hat mit den Devkits schon allerlei Nicht-Spiele-Applikationen abgeliefert. Das Virtual Reality eine Menge Potenzial abseits unseres Hobbys bietet, ist absolut augenscheinlich. Und aus der Sicht eines Headset- und VR-Schnittstellen-Anbieters wäre es geradezu fahrlässig und weltfremd, das zu ignorieren.

Wenn jetzt von möglichen Kommunikationsplattformen der Zukunft geredet wird, bedeutet es eben nicht, dass die bisherigen Spielepläne spontan mal über den Haufen geworfen werden. Facebook investiert hier extrem langfristig in etwas, was vielleicht in zehn oder mehr Jahren alltäglich sein könnte – oder eben auch nicht. Wenn man sieht, dass ein Unternehmen wie – mit Obacht  genießbar - King dank Candy Crush Saga mit sieben Mrd. Dollar bewertet wird, ist Oculus trotz der großen Summe fast ein Schnäppchen.

Es darf fleißig darüber spekuliert werden, ob Virtual Reality „the next big thing“ wird. Ich gehe davon aus, dass es als Medium bzw. Plattform nicht einfach wieder aus der soziokulturellen Wahrnehmung verschwinden wird wie einst in den 90ern, als die Technologie schlichtweg noch scheinbar endlos weit von einer allgemeinen Marktreife und Kundenverträglichkeit entfernt war. Und sollte VR nur halb so erfolgreich werden wie von manchen erhofft, gibt es derzeit kaum jemanden, der von der Erfahrung und dem Personal so gut und von der Hardware so offen aufgestellt ist wie Oculus. Und zwei Mrd. Dollar sind nicht gar so gigantisch, wenn man sich überlegt, was z.B. Microsoft in den ersten zehn Jahren in sein Konsolenunterhaben versenkt hat durch Forschungs-/Entwicklungskosten und den Hardwarezuschuss.

Aus Facebook-Sicht handelt es sich um eine vertretbare, perspektivisch in jedem Fall interessante Wette. Aus Spielersicht gilt: abwarten und Tee trinken. Idealisten wäre es sicherlich am liebsten gewesen, dass Oculus organisch wächst und à la Valve unabhängig in privater Hand bleibt – der Zug war aber schon seit einiger Zeit abgefahren.

VR-Enthusiasten dürften sich hingegen freuen: Wenn Firmen wie Sony und Facebook das Medium ins Visier nehmen, öffnen sich eben ganz andere Türen – virtuelle wie reale. Wenn Luckey anmerkt, man könne jetzt ein besseres Headset zu einem günstigeren Preis anbieten, ist das nicht einfach herumgesponnen: Es macht schon einen Unterschied, ob ein kleineres Unternehmen oder eben Facebook an Zulieferer wie Samsung herantritt, um Display-Panels zu ordern oder andere speziell abgestimmte Hardware anzufordern. Und je günstiger der Verkaufspreis, desto größer nicht nur die potenzielle Verbreitung der Brillen, sondern desto attraktiver auch die Entwicklung VR-optimierter Anwendungen.


Julian Dasgupta
Redakteur

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