Michael Krosta
Reputationssystem für Spieler? Ja, bitte!Ein Kommentar von Michael Krosta, 28.03.2014
Microsoft hatte ja schon vor dem Start der Xbox One über ein Reputationssystem für Spieler geplaudert, mit dem man faire von verbesserungswürdigen Kandidaten und Störenfrieden abgrenzen will. Dieses Vorhaben will man wohl in den nächsten Tagen und Wochen umsetzen, aber von mir aus hätte es schon gestern, ach, sogar schon zum Start der neuen Konsole soweit sein dürfen! Ich finde es gut, wenn ich in den anonymen Weiten des Internets zumindest halbwegs weiß, mit wem ich es zu tun habe – und sei es nur, um mit den Leuten eine Runde zu zocken.

Denn es ist nun mal so: Es gibt da draußen leider eine viel zu große Zahl an Assi-Gamern, die sich unter aller Sau verhalten – auch deshalb, weil sie eben keine Konsequenzen befürchten müssen. Kategorie Eins ist der „Ich-kämpfe-mit-allen-Mitteln-für-den-Sieg-Typ“; er ist der klassische Egoist, der sich entweder durch Hilfen wie Aimbots oder unfaires Verhalten einen Vorteil verschafft, um am Ende als Gewinner da zu stehen. Schlechtes Gewissen? Ehrenkodex? Das sind Fremdworte für diese Spezies. Klar: Ein gewisser Ehrgeiz gehört beim Spielen dazu – wer tritt schon an, um zu verlieren? Aber es gibt eben Unterschiede, mit welchen Methoden und welcher Motivation man für den Sieg kämpft. Es sind vor allem die Kategorie-Eins-Prolls, weshalb ich mittlerweile kaum noch Lust habe, mit Fremden online zu zocken. Gerade Rennspiele sind eine Qual: Entweder man wird schon beim Start abgeschossen, wenn man sich nicht schnell genug absetzen kann. Oder die Verfolger heben sich die Aktion für die letzte Kurve auf, um doch noch vor mir die Ziellinie zu überqueren. Und das Schlimme daran: Sie haben Erfolg damit!

Kategorie Zwei sind die Art Leute, die quasi jeden besseren Mitspieler beschuldigen, zur Kategorie Eins zu gehören – und ihrem Ärger entweder im Voice-Chat oder mit Beleidigungen per Nachrichten-Penetrierung Luft machen. Was musste ich mir schon alles anhören: „Cheater“ gehörte noch zu den harmlosen Beschuldigungen, „dreckiger Scheiß-Nazi“ zu den heftigeren. Immerhin hat sich der Brite dabei noch selbst glücklich gemacht, indem er den Drang verspürte mir mitteilen zu müssen, dass man ja den Zweiten Weltkrieg gewonnen hat. Ja, genau. Wer würde sowas nicht nach einem verlorenen Autorennen (!) in einem Onlinespiel (!!!) schreiben? Sorry, aber auf solche Leute habe ich sowohl in der realen als auch in der virtuellen Welt keinen Bock! Und wenn mir Microsoft jetzt die Gelegenheit bietet, mich schon im Vorfeld vor solchen Clowns zu warnen, kann mir das nur Recht sein.

Und dann gibt es noch die dritte Kategorie, die ebenfalls von schlechten Verlierern gefüllt ist. Das sind dann diejenigen, die ihre Niederlage zwar erkennen, aber sie nicht akzeptieren wollen und einfach die Verbindung kappen. Das ist besonders dann eine miese Masche, wenn man sich dadurch noch einen Vorteil erschummelt, indem z.B. eine Fußballpartie mit Rückstand doch noch als Unentschieden gewertet wird. Ja, so macht der Online-Kick Spaß, wie auch schon Kollege Dieter in seiner Therapie-Sitzung feststellen musste - und viele andere sicher auch.

Was fehlt noch? Genau: Die Schnarchnasen und Plappermäuler, die ich für mich in der vierten Kategorie der Online-Spielertypen zusammenfasse. Das sind die, die es in einer Lobby einfach nicht schaffen, den „Fertig-Knopf“ zu drücken, was besonders dann ärgerlich ist, wenn sie als Leiter einer Partie fungieren und die Runde erst dann losgehen kann, wenn sie ihr „Go“ geben. Ich bin mittlerweile so dankbar für das Countdown-System vieler Online-Titel, bei denen das Match nach Ablauf automatisch gestartet wird, auch wenn es selbst dort schneller losgehen könnte, wenn nicht wieder mindestens ein Teilnehmer am träumen wäre anstatt den Aufforderungen im Chat nachzukommen, endlich seine Bereitschaft auf Knopfdruck zu signalisieren. Ähnlich nervig sind die Labertaschen, die entweder generell nur Dünnpfiff von sich geben oder Wortgefechte mit Frau und Kindern bei eingeschalteten Headset austragen müssen, damit auch alle was davon haben. Mindestens ebenso unterhaltsam sind die Witzbolde, die meinen, ihre Lieblingsmusik allen anderen Teilnehmern über das Headset aufdrängen zu müssen. Was habe ich nicht schon alles an nervigen Geräuschen und überflüssigem Wortsalat aus meinem Headset oder meinen Lautsprechern ertragen müssen!

Ja, alleine mit diesen vier Kategorien gibt es für mich mehr als genug Gründe, die für ein Reputationssystem sprechen, das solche Spaßvögel im Idealfall herausfiltert und nur noch mit Spielern vom gleichen Schlag zusammenführt. In diesem Zusammenhang finde ich z.B. die Aktion von Respawn klasse, ertappte Cheater nur noch gegen andere Pappnasen im „Wimbledon der Aimbots“ bei Titanfall antreten zu lassen. Natürlich sollte jeder eine zweite Chance bekommen, an sich und seinem Verhalten zu arbeiten, wie es die Zwischenstufe in Microsofts System erlauben soll. Aber irgendwann ist eben Schluss mit lustig!

Problem dabei: Das System muss auch funktionieren! Doch schon die Vergangenheit hat auf Xbox Live gezeigt, dass vor allem die Typen der ersten beiden Kategorien nicht davor zurückschrecken, es als Krawall-Instrument zu missbrauchen. Wie das? Ganz einfach: Um ehrlichen, vielleicht auch einfach nur besseren Spielern mit einer negativen Bewertung doch noch eins auszuwischen. Microsoft behauptet zwar, man werde solche „Rachewertungen“ erkennen und herausfiltern können. Aber wie soll das bitte funktionieren? Will man sich Aufzeichnungen von jedem Spiel ansehen und danach wie die Stewarts bei F1-Rennen ein Urteil fällen? Fragt man bei der NSA nach? Ich habe schon alleine aufgrund der schieren Anzahl an täglichen Online-Partien meine Zweifel, dass das alles so funktioniert wie versprochen. Klar: Die Aufzeichnungsfunktion der neuen Konsole könnte dazu dienen, eine Beschwerde mit einem Videobeweis zu untermauern. Aber ist das alles den Aufwand wert? Reicht es nicht einfach aus, einen unfairen oder nervigen Mitspieler für zukünftige Online-Partien zu blockieren und gut ist?

Nein! Denn dann ist es zu spät und man hat seine negative Online-Erfahrung bereits gemacht. Genau das will Microsoft aber mit dem Reputationssystem verhindern: Hier soll schon im Vorfeld dafür gesorgt werden, dass z.B. durch Filtereinstellungen in Lobbys oder beim Matchmaking nur Zocker zusammengewürfelt werden, die von ihrer Spielweise auch gut zusammenpassen. Von mir aus gerne! Die Aussicht auf Belohnungen – und sei es nur ein Abzeichen – dürfte ebenfalls dazu beitragen, dass man sich im Umgang mit anderen ordentlich verhält - „Fair geht vor“. Allerdings darf man nicht vergessen, dass Spieler auch nur Menschen sind. Und Menschen machen Fehler oder nutzen Vorteile, selbst wenn sie eine weiße Weste tragen: Ich habe beim Heransaugen im Windschatten auch schon das eine oder andere Mal den Bremspunkt verpasst und bin meinem Kontrahenten ins Heck gebrettert. Oder habe mir meine Sporen in einem Shooter als Camper verdient. Reputation hin oder her, sollten auch die Entwickler mehr in die Pflicht genommen werden, für ein tolles Online-Erlebnis zu sorgen, bei dem Fehlverhalten Konsequenzen hat – so z.B. durch Anti-Cheat-Maßnahmen, Verwarnungen und Sperrungen. Aber eben auch durch Designentscheidungen: Ein Forza Motorsport 5 ist aufgrund des fehlenden Strafsystems geradezu eine Einladung für Pisten-Rowdies. Und warum wird ein identifizierter Camper nicht automatisch nach einer Weile der Bewegungslosigkeit für alle Spieler des gegnerischen Teams als solcher markiert? Es liegt in der Natur des Spielers, Vorteile zu nutzen, wenn sie sich ihm ergeben. Doch jeder gute Entwickler sollte es sich zur Aufgabe machen, diese Vorteile in einen Rahmen einzubetten, bei dem es immer noch fair zugeht und frustrierende Lücken zu schließen, mit denen ein Großteil der Mitspieler benachteiligt oder ebenfalls zum Cheaten gezwungen werden. Die Spiele selbst müssen bereits ein erstes Stoppzeichen gegen Nervensägen und Aggro-Typen setzen: Ein Mistkerl stört mit seinem Gequassel die ganze Gruppe oder hält den Verkehr auf? Dann gebt den Teilnehmern die Möglichkeit, ihn durch eine demokratische Abstimmung aus der Lobby zu werfen oder ihn zumindest stumm zu schalten. Das Rennspiel verkommt zum frustrierenden Autoscooter? Dann baut gefälligst ein Straf- oder Schadenssystem ein! Im Ansatz findet man solche Gegenmaßnahmen bereits, doch insgesamt sind sie immer noch zu selten oder nicht effektiv genug.  

Sollte das geplante Reputationssystem nur ein bisschen dazu beitragen, das Erlebnis bei Onlinespielen mit Fremden zu verbessern, ist es für mich schon ein großer Gewinn und ich würde es auch auf anderen Plattformen von der PS4 über Wii U bis hin zu Steam begrüßen. Allerdings habe ich noch meine Zweifel, ob das Konzept tatsächlich so verlässlich funktionieren wird wie von Microsoft versprochen und den Usern nicht weiterhin Negativ-Bewertungen nach dem „Wie-du-mir-so-ich-dir-Prinzip“ um die Ohren gehauen werden. Bleibt noch Plan B, der für mich derzeit am besten funktioniert und für den ich weder ein Reputationssystem noch Anticheat-Maßnahmen brauche: Ich spiele online einfach mit meinen Freunden, zocke lokal am geteilten Bildschirm oder feier eine LAN-Party.


Michael Krosta
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