Spielemacher können so einfallslos sein!
Das ist ja nichts Neues: Wie oft habe ich Assassin's Creed verdammt, weil ich nach dem zweiten Teil keine Lust mehr auf ausgelatschte Trampelpfade hatte. Wie sehr wünsche ich mir ein Rollenspiel, das ohne Kämpfe auskommt. Ein Rennspiel, das "asynchronen Multiplayer" nicht als etwas Neues verkauft. Ein WipEout, das den radikalen Neustart wagt.
Und wie oft kritisieren Independent-Entwickler, die unabhängig von den Verkaufsvorgaben großer Studios ihrer kreativen Lust freien Lauf lassen dürfen, völlig zurecht den beschränkten Horizont ihrer finanzstarken Kollegen.
Und wie sehr die meisten von ihnen den belächelten Kollegen gleichen.
Die Schlagwortiraden stammen ja nicht von Sony oder EA; sie stehen auf Desura, Steam, der Independent-Datenbank usw. Die Indies sind das China der Spieleindustrie: Es wird geklaut und gestohlen und gezogen und geraubt, was nicht niet- und nagelfest ist. Solange DayZ in ist, muss es eben Survival sein. Wenn Dear Esther Wellen schlägt, werden Emotionen propagiert. Weil Minecraft seinen Erfinder zum Millionär macht, verfallen neidische Mitbewerber dem Würfelwahn. Zufallsgenerierte Levels bietet sowieso jedes zweite Independentspiel.
Dabei ist Inspiration etwas Gutes – die bloße Kopie aber das genaue Gegenteil und der Grat dazwischen ein schmaler. Wie viele sich ähnelnde Puzzle- und Physik-Plattformer, Hardcore-Jump&Runs, Retro-Actionrollenspiele und sterbenslangweilige Horrorabenteuer soll es denn noch geben? Von der vermaledeiten Turmverteidigung fange ich erst gar nicht an.
Klar, das war schon immer so. Doch seit die Unabhängigen als gefragte Modemacher im Scheinwerferlicht stehen, laufen auch ihre Fließbänder deutlich schneller. Monat für Monat kippen sie Wagenladungen mit Schema-F-Entwicklungen auf Steam, Desura und andere Plattformen – schaut euch Werwolf, Serena und Doorways nur mal an. Oder Eleusis, Radical Heroes, Soul Fjord, Sir, You Are Being Hunted. Wer auf dem Independent-Markt nach Perlen sucht, kommt um Gurken nicht herum. Warum so viele "kleine" Titel im 4Players-Test gut abschneiden? Weil wir schon im Vorfeld mächtig sieben.
Nun werde ich den Teufel tun und die ganze Szene über einen Kamm scheren. Immerhin entsprangen die meisten Impulse der jüngsten Jahre den Ideen cleverer Indieköpfe. Und denen stehen ohne das Schielen auf den Massenmarkt auch weiterhin Türen offen, die Studios mit Luxusausstattung verschlossen bleiben.
Es ist nicht nötig, auf die Kleinen einzuschlagen. Ich wünschte allerdings, ein Großteil unabhängiger Entwickler würde sich in seiner vermeintlichen Nische nicht so unverschämt sicher fühlen. Genau wie bei millionenschweren Projekten erwarte ich eine Sorgfalt, die über das Zitieren funktionierender Klischees hinausgeht. Ich will mich nicht regelmäßig durch Altbackenes wühlen, das mir mit einer dicken Soße Marketingfetzen schmackhaft gemacht werden soll. Diese Spiele, deren Beschreibung sich wie ein Almanach sämtlicher Genres liest, sind derzeit die Spitze des Eisbergs: Wer keine eigenen Ideen hat, wirft viele andere in einen Topf.
Dabei kann eine einzelne Idee so viel Gewicht haben, falls ein durchdachtes Konzept dahinter steht. Journey war im Kern etwa ein verdammt einfaches, in seiner Wirkung außergewöhnlich starkes Abenteuer. Minecraft wirkt beinahe lächerlich – bis man es spielt. Denn wenn die Idee stimmt, müssen auch kleine Studios keine großen Begriffe bemühen, um Aufmerksamkeit zu erregen.
Benjamin Schmädig
Redakteur
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