Kommentar

hundertprozent subjektiv

KW 33
Donnerstag, 13.08.2015

Tomb Raider und Uncharted: Mehr ist weniger


Habt ihr die Videos gesehen? Natürlich habt ihr! Auf der E3 und auf der gamescom haben Sony und Microsoft Spielszenen ihrer neuen Abenteuer gezeigt: Lara, wie sie von einem Stein auf den nächsten knallt – immer von ziemlich weit oben, immer so, dass es höllisch weh tut. Und ihr Kumpel im Geiste, Nathan, der an einem Seil von einem Truck gezogen wird, durch ein Holzgerüst, über harte Erde, gegen einen Betonpfeiler prallt.

Uncharted 4: Knochenbrecher. Lara Croft: Rise of the gebeutelter Sandsack.

Ihnen dabei zuzusehen tat nicht nur weh – es war rotzlangweilig.

Nicht, weil die Inszenierung handwerklich schlecht wäre! Ach, was. Aber weil die virtuellen Filmemacher jedes Maß verloren haben.

Wisst ihr, was mitreißend ist? Wenn Joel aus The Last of Us kaum noch laufen kann, nachdem er aus ein paar Metern Höhe auf einer Metallspitze landet. Das war kaum erträglich, hat beim Spielen beinahe weh getan.

Wisst ihr, was nicht den geringsten Spaß macht? Wenn in 2012 buchstäblich eine ganze Stadt auseinander bricht – nicht weil es cool aussieht, sondern weil man das mit Computerbildern (CGI) heute machen kann.

"Dass man etwas tun kann, heißt nicht, dass man es auch tun sollte." Aus irgendeinem Film hat sich diese Phrase bei mir eingebrannt. Sie ist ein ebenso trivialer wie wichtiger Leitfaden, eigentlich selbstverständlich. Bei manchen Filmemachern sind jedoch sämtliche Dämme gebrochen, als sie die Möglichkeiten von CGI erkannten. Sie überzeichnen so ausufernd, aus so großer Entfernung, dass ihren Szenen jede Kraft fehlt. Die zerstörerische Wucht eines lapidaren Faustschlags geht ihnen völlig ab.

Und genau da sind Videospiele jetzt angelangt. Ihre Regisseure können dank moderner Technik Figuren in allen möglichen und unmöglichen Lebenslagen darstellen. Dank Mo-cap und porenfeiner High-Def wird gezeigt, was die Fantasie hermacht. Während Nate also vom Jeep aufs Motorrad springt, wirft ein Panzerfahrzeug stapelweise Fässer durch die Gegend, zerstampft die halbe Kulisse zu Kleinholz. Lara stolpert über einen Berg, der minutenlang unter ihren Füßen zusammenbricht. Rechts, links, vorne, hinten: Fertig waren die Szenen erst, als immer etwas kaputt ging.

Eine Macht-Demonstration für Technik-Fetischisten. Mit packenden Spielszenen hat das nichts zu tun.

Nicht falsch verstehen: Ich liebe Indys halb tolpatschige, halb elegante Flucht durch Venedig. An deren Ende katapultiert eine Explosion die Reste eines zerquetschten Schnellboots zwischen zwei großen Schiffen hervor – herrlich!

Aber das sind wohl dosierte Höhepunkte. Das sind Momente, in denen ich für einen kurzen Augenblick das Unwirkliche Wirklichkeit sein lasse, weil ich vorher und nachher – auch während der Action und natürlich im Rahmen einer fantastischen Erzählung – glaubwürdige Szenen erlebe.

Die Videos aus Rise of the Tomb Raider und Uncharted 4: A Thief's End sind hingegen eine überzogene Staffelung absurder Zufälle. Sie wirken wie eine Karikatur ihrer selbst. Wenn Lara einen hohen Fall übersteht, ist das toll. Wenn sie sich aber alle paar Sekunden lang die Knochen brechen müsste, wird aus der hartgesottenen Abenteuerlady eine kitschige Spielzeugpuppe.

Mein ehrlicher Glückwunsch an die Spielemacher: Endlich könnt ihr machen, was ihr wollt! Ich freue mich auf grandiose Höhepunkte zum Ansehen und Mitspielen.

Vergesst aber nicht, dass der einmalige Sprung über diesen einen Höllenschlund – gerne auf einem klapprigen Moped – tausendmal beeindruckender ist als 200 gebrochene Knochen und Millionen explodierte Panzer!

Benjamin Schmädig
Redakteur

 

Kommentare

johndoe724410 schrieb am
Jogy2001 hat geschrieben:Falsch. Es muss weiter krach und bumm machen. Die Programmierer können nichts dafür, wenn ihr übersättigt seid. Ich bin es nicht. Ich war geschockt, als Lara knallhart auf harten Boden aufschlug, als alles einstürzte. So etwas macht den Puls rasend. Ich war geschockt, wie brutal Nathan durch irgendwelche Glasscheiben springt, während das Haus einstürzt. Actionspiele ohne Action ? Nee, danke. Last of us fand ich eher mühsam und langweilig. Deshalb, weiter so !
ich lächle müde wenn lara auf die steine aufschlägt und eigentlich alles gebrochen haben müsste, mir kamen bei einigen szenen bei last of us aber die tränen... wer hat jetzt recht?
Jogy2001 schrieb am
Falsch. Es muss weiter krach und bumm machen. Die Programmierer können nichts dafür, wenn ihr übersättigt seid. Ich bin es nicht. Ich war geschockt, als Lara knallhart auf harten Boden aufschlug, als alles einstürzte. So etwas macht den Puls rasend. Ich war geschockt, wie brutal Nathan durch irgendwelche Glasscheiben springt, während das Haus einstürzt. Actionspiele ohne Action ? Nee, danke. Last of us fand ich eher mühsam und langweilig. Deshalb, weiter so !
KING_BAZONG schrieb am
Ich finde den Artikel nicht gut. Warum ?
Weil er zu früh kommt. Man weiß noch überhaupt nicht, wie das Gesamterlebnis beider Spiele ablaufen wird, ob es nicht haufenweise ruhige Passagen gibt, so wie es in den Vorgängern der Fall war.
Hier werden anhand von Appetitmachern, was Videos ja immer auch sein sollen (zumal auf Messen vorgestellt), gleich komplette Rückschlüsse auf das gesamte Spiel gezogen. Sollte man nicht tun.
Wenn man beide Vorgänger sich in Erinnerung ruft, dann weiß man auch, das es nicht der Dauerzustand ist, der in solchen Trailern gezeigt wird.
Ich fand die Inhalte der Trailer auch nicht "langweilig". Ansichtssache.
Mistelzweigchen schrieb am
sourcOr hat geschrieben:
JohnCarpenter hat geschrieben:Guter Artikel. Eigentlich eine ähnliche Entwicklung, wie bei den Kinofilmen. CGI & SFX hat gute Schauspielkunst verdrängt. Style over Substance. Insofern sind solche Perlen, wie "Life is Strange", sehr erfreulich. Aber vielleicht will es der Massenmarkt auch genau so.
Da muss ich unweigerlich an sowas denken :lol:
solche Szenen vermisse ich in heutigen Produktion! :D
BalphemorVonPunin hat geschrieben: Die Tatsache, dass der Hauptheld eigentlich "invincible" ist, ist heutzutage so sicher wie das Amen in der Kirche. Das Überraschungsmoment und das Erkennen der Sterblichkeit (Game of Thrones, anyone?) ist es eben was Spannung, was Dramatik, was Storytelling ausmacht.
genau so denke ich auch. TR habe ich im letzten Viertel abgebrochen, da ich einfach keine Lust mehr hatte. Bin bis heute noch nicht durch.^^
Tugy hat geschrieben:
Ich fand die Sterblichkeit in TR eigentlich ziemlich gut dargestellt, von der ganzen Crew (ich glaube 8 Leute) ist mindestens die Hälfte gestorben. Auch wenn Lara jetzt natürlich Rambo style alle umgenietet hat [...], war doch die Sterblichkeit in den vielen Momenten mit dem "Wasserrutschen" oder diversten QTE´s perfekt in Szene gesetzt. Dieses ganze Gore ding hat es für mich noch weiter verstärkt.
Gut in Szene gesetzt war es, doch die Sterblichkeit verliert an Glaubwürdigkeit, wenn nach 10 solchen Rutschsequenzen und 100 Ausweichmanövern schwere oberflächliche Wunden an Lara zu sehen sind und sie noch immer wie ein aufgescheuchtes Reh umherläuft.
Was mich neben den Punkten der letzten Posts extrem stört ist, dass die "Gerade-Noch-Überlebt-Sequenz" schon nach ein paar Sekunden vergessen wird - wie bei Fliegen. :roll:
schrieb am