Benjamin Schmädig
Tomb Raider und Uncharted: Mehr ist wenigerEin Kommentar von Benjamin Schmädig, 13.08.2015
Habt ihr die Videos gesehen? Natürlich habt ihr! Auf der E3 und auf der gamescom haben Sony und Microsoft Spielszenen ihrer neuen Abenteuer gezeigt: Lara, wie sie von einem Stein auf den nächsten knallt – immer von ziemlich weit oben, immer so, dass es höllisch weh tut. Und ihr Kumpel im Geiste, Nathan, der an einem Seil von einem Truck gezogen wird, durch ein Holzgerüst, über harte Erde, gegen einen Betonpfeiler prallt.

Uncharted 4: Knochenbrecher. Lara Croft: Rise of the gebeutelter Sandsack.

Ihnen dabei zuzusehen tat nicht nur weh – es war rotzlangweilig.

Nicht, weil die Inszenierung handwerklich schlecht wäre! Ach, was. Aber weil die virtuellen Filmemacher jedes Maß verloren haben.

Wisst ihr, was mitreißend ist? Wenn Joel aus The Last of Us kaum noch laufen kann, nachdem er aus ein paar Metern Höhe auf einer Metallspitze landet. Das war kaum erträglich, hat beim Spielen beinahe weh getan.

Wisst ihr, was nicht den geringsten Spaß macht? Wenn in 2012 buchstäblich eine ganze Stadt auseinander bricht – nicht weil es cool aussieht, sondern weil man das mit Computerbildern (CGI) heute machen kann.

"Dass man etwas tun kann, heißt nicht, dass man es auch tun sollte." Aus irgendeinem Film hat sich diese Phrase bei mir eingebrannt. Sie ist ein ebenso trivialer wie wichtiger Leitfaden, eigentlich selbstverständlich. Bei manchen Filmemachern sind jedoch sämtliche Dämme gebrochen, als sie die Möglichkeiten von CGI erkannten. Sie überzeichnen so ausufernd, aus so großer Entfernung, dass ihren Szenen jede Kraft fehlt. Die zerstörerische Wucht eines lapidaren Faustschlags geht ihnen völlig ab.

Und genau da sind Videospiele jetzt angelangt. Ihre Regisseure können dank moderner Technik Figuren in allen möglichen und unmöglichen Lebenslagen darstellen. Dank Mo-cap und porenfeiner High-Def wird gezeigt, was die Fantasie hermacht. Während Nate also vom Jeep aufs Motorrad springt, wirft ein Panzerfahrzeug stapelweise Fässer durch die Gegend, zerstampft die halbe Kulisse zu Kleinholz. Lara stolpert über einen Berg, der minutenlang unter ihren Füßen zusammenbricht. Rechts, links, vorne, hinten: Fertig waren die Szenen erst, als immer etwas kaputt ging.

Eine Macht-Demonstration für Technik-Fetischisten. Mit packenden Spielszenen hat das nichts zu tun.

Nicht falsch verstehen: Ich liebe Indys halb tolpatschige, halb elegante Flucht durch Venedig. An deren Ende katapultiert eine Explosion die Reste eines zerquetschten Schnellboots zwischen zwei großen Schiffen hervor – herrlich!

Aber das sind wohl dosierte Höhepunkte. Das sind Momente, in denen ich für einen kurzen Augenblick das Unwirkliche Wirklichkeit sein lasse, weil ich vorher und nachher – auch während der Action und natürlich im Rahmen einer fantastischen Erzählung – glaubwürdige Szenen erlebe.

Die Videos aus Rise of the Tomb Raider und Uncharted 4: A Thief's End sind hingegen eine überzogene Staffelung absurder Zufälle. Sie wirken wie eine Karikatur ihrer selbst. Wenn Lara einen hohen Fall übersteht, ist das toll. Wenn sie sich aber alle paar Sekunden lang die Knochen brechen müsste, wird aus der hartgesottenen Abenteuerlady eine kitschige Spielzeugpuppe.

Mein ehrlicher Glückwunsch an die Spielemacher: Endlich könnt ihr machen, was ihr wollt! Ich freue mich auf grandiose Höhepunkte zum Ansehen und Mitspielen.

Vergesst aber nicht, dass der einmalige Sprung über diesen einen Höllenschlund – gerne auf einem klapprigen Moped – tausendmal beeindruckender ist als 200 gebrochene Knochen und Millionen explodierte Panzer!

Benjamin Schmädig
Redakteur
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