Benjamin Schmädig
Die Dark Zone: Endlich mehr als Online-Action!Ein Kommentar von Benjamin Schmädig, 17.03.2016
Wie oft habe ich diese Argumente gelesen? "Das Spiel erlaubt aber PvP", sagen die einen. "Im echten Leben wäre auch jeder nur auf seinen Vorteil bedacht", meinen die anderen. Und so schießen sich die Spieler in DayZ einfach gegenseitig über den Haufen, anstatt gemeinsame Sache zu machen. "Es ist halt ein Multiplayer-Shooter."

*seufz*

Mir hat sich diese Logik nie erschlossen. Und auch nicht der Reiz, das spannende Überleben auf ein Deathmatch zu reduzieren.

Klar kann man den Überlebenskampf in einem Spiel, in dem einem alle technisch machbaren Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, als Ballerbude begreifen. Und natürlich ist DayZ auch ein Experiment: Was passiert denn, wenn Spieler ums virtuelle Überleben kämpfen – und anderen Spielern mit Gewalt Lebensmittel, Waffen und andere Ressourcen entreißen können? Vor drei Jahren hat dieses Experiment die Begegnungen unter Online-Spielern neu definiert...

... doch bis jetzt haben weder DayZ noch seine Nachahmer eine Antwort auf ein zentrales Problem gefunden: Wie inszeniert man diesen Überlebenskampf, ohne dass viele beim Anblick anderer Spieler skrupellos abdrücken? Denn genau das fehlt im Konzept DayZ: Skrupel.

Ich bin jedenfalls davon überzeugt, die Menschen würden sich auch nach einer Apokalypse zusammenschließen, anstatt ein Free-for-all-Schlachtfest zu veranstalten. Warum? Weil sie Rudeltiere sind. Weil es ungeschriebene Gesetze gibt, die einen Zusammenhalt gewähren. Weil nur wenige als Mörder von einer Gruppe ausgeschlossen werden wollen, die ihre Kräfte bündelt – um lebenswichtige Ressourcen zu finden und sich gemeinsam zu verteidigen. Nicht, dass Mörder nicht ebenfalls Gruppen bilden könnten und dass manche nicht alleine überleben wollen...

Aber das System ist eben umfassender als "Ich hol' mir, was und wie ich physisch kann!"

Nur: Wie digitalisiert man das? Sind das Verlangen nach Zugehörigkeit und der sanfte Zwang friedlichen Verhaltens mit all ihren sozialen und pragmatischen Facetten spielerisch greifbar? Viel wurde und wird sowohl in Foren als auch unter Entwicklern diskutiert. Moralsysteme, Bestrafungen in Form von Verbannungen sowie Verzögerungen des Neueinstiegs nach einem Tod waren oder sind im Gespräch.

Und plötzlich kommt eine mögliche Antwort von einer Stelle, an der ich sie nicht erwartet hatte: Massive Entertainment führt mit The Division ein System ein, welches auf einfache Weise die Verlockung des Raubs mit der Notwendigkeit eines gemeinsamen Miteinanders vereint.

Dark Zone heißt das System, von dem ich mir sicher bin, dass es ursprünglich als Grundlage für einen größeren Teil des gesamten Spiels gedacht war: Die Dark Zone ist ein gleichnamiges Areal, in dem Spieler gegen KI-Figuren kämpfen und wertvolle Beute machen. Gleichzeitig sind dort andere Spieler unterwegs, die dasselbe tun – oder ihre Mitspieler einfach erschießen, um an deren Beute zu gelangen. Kein Überlebenskampf also, im Kern aber dennoch ein aufs Wesentliche reduziertes DayZ.

Und in dieser Dark Zone gibt es nur wenige Kämpfe der Spieler untereinander. Ausgeklügelte Strafen unterbinden ausufernde Mordgelüste. Denn Mörder werden nicht verbannt, sie werden allerdings eine Zeit lang als Abtrünnige gebrandmarkt und als solche sichtbar markiert. Wer sie tötet, erhält sogar eine Belohnung. Sie selbst verlieren allerdings spielerische Erfahrung und Geld – schmerzhafte Verluste in einem Abenteuer, in dem Geld und Erfahrung den Weg zum Erfolg ebnen.

Tatsächlich spiegeln diese scheinbar trivialen Gesetze auf stark vereinfachte Weise eine soziale Wirklichkeit wider: Man wird über die Abtrünnigen informiert, geht ihnen aus dem Weg oder macht Jagd auf sie, denen selbst Ressourcen entzogen wurden. Als Überzahl sind ihnen die friedlich zusammenhaltenden Mitstreiter zudem an Stärke überlegen. Das Ergebnis: Die meisten Spieler ziehen keinen Vorteil aus potentiell lohnenswerten Morden.

Klar: Dieses Spiel erlaubt PvP. Natürlich ist es nun mal ein Multiplayer-Shooter. Und logischerweise ist jeder auf seinen Vorteil bedacht. Dieser Vorteil ist aber endlich mehr als die Summe aus Waffenstärke, Können – und möglicher Beute.

Das Regelwerk der Dark Zone ist noch längst nicht austariert. Ich bin aber schon jetzt begeistert darüber, dass Massive das Prinzip DayZ mit einer "echten" sozialen Komponente verbindet. Die Dark Zone hebt das spannende Online-Konzept auf eine neue Stufe und zumindest auf mich übt das Treiben als Abtrünniger erstmals einen Reiz aus, der über das Deathmatch hinausgeht. Ich freue mich jedenfalls auf viele spannende Stunden mit unvorhersehbaren Begegnungen!

Mal sehen, auf welcher Seite ich dann stehe.

Benjamin Schmädig
Redakteur
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