Alice Wilczynski
Von Strandschönheiten und PuppenspielernEin Kommentar von Alice Wilczynski, 30.03.2016

Während man sich in Hamburg Tag für Tag die vom Regen verklebten Haare aus dem Gesicht matscht, sieht der März in der Videospielwelt ganz anders aus : Es wird heiß! Mit Senran Kagura: Estival Versus und Dead or Alive: Extreme 3 stehen gleich zwei betörende Spiele ins Haus. Ihr Fokus: Möglichst viel nackte Haut von knackigen jungen Mädchen zeigen. Wichtigstes Einstellungsmerkmal: Extrem große Brüste und Modelmaße.

Im Fall von Senran Kagura Estival Versus treiben die Entwickler von Marvelous die Fleischbeschau sogar auf die Spitze: Kindliche Mädchen, die teilweise nicht älter als zehn Jahre aussehen, reißen sich nicht nur die Kleider vom Leib, sie ziehen sich sogar immer wieder Stoffrollen aus verschiedenen Körperöffnungen. Wie es sich für wohlerzogene Mädchen gehört, spielen Intelligenz und Kritik nur eine sehr untergeordnete Rolle. Sie lassen sich brav in Käfige sperren, haben Interesse an den Brüsten ihrer Mitstreiter und lassen sich wie eine Puppe vom Spieler betrachten und bekleiden. Das wichtigste Ziel: Bloß nichts erwähnen, was den Spieler empören könnte. Wer hat schon Spaß an sexy Frauen, die einen eigenen Willen haben? Schon komisch, dabei sind doch Leute wie ich diejenigen, denen Empörung unterstellt wird. Zu gern würde ich die Reaktionen zu einem Fanservice-Spiel sehen, dessen Charaktere sich als starke eigenständige Frauen à la Bayonetta oder Triss aus The Witcher 3 entpuppen.


Nun ja, Senran Kagura ist vielleicht etwas extrem. Die Mädchen sehen sehr jung aus und was im Spiel passiert, ist doch gar nicht richtig sexy. Aber Dead or Alive Extreme 3! Heidewitzka! Die grafisch beeindruckenden Trailer wurden hier teilweise im Rudel geguckt. Unterlegt mit jeder Menge „Höhöhö“-Rufen und der Wahl des eigenen Lieblingscharakters: „Also „XY“ haben sie definitiv am besten hingekriegt“. Als meine Augen vor lauter Rollen Gefahr liefen für immer in ihren Höhlen stecken zu bleiben, beruhigten mich manche Kollegen: "Ach komm, sieh das doch mal mit etwas mehr Humor". Was genau an den hübsch aufbereiteten Trailern lustig war, ist mir bis heute nicht klar. Und die finale Version lässt mich noch intensiver in dem Glauben, dass ich eine völlig humorlose Person sein muss. Als Besucher einer Insel hat man 14 Tage Zeit, um zahlreichen Strandschönheiten den Aufenthalt zu versüßen. Neben völlig stumpfen Modi wie „Butt-Battle“, in denen sich die „Charaktere“ mit ihren Hintern per Knopfdruck von einer Plattform schubsen müssen, gibt es u.a.  die Möglichkeit die Mädels mit Geschenken in Form von Kleidung zu bezirzen. Dabei liegt die Auserwählte manchmal breitbeinig flach auf dem Rücken, während die Kamera sie von allen Seiten begutachtet.

Braucht man wirklich ein weiteres Spiel, das seinen belanglosen Mix aus langweiligen Mini-Spielen durch nackte Haut und Voyeurismus pushen will? Gibt es immer noch Spieler da draußen, die es genießen, sich als Spanner am Beckenrand zu fühlen, während sich fiktive Polygon-Brüste, modelliert fern von jeder Realität, in der Sonne rekeln? Und wieso ist es plötzlich wieder interessant, mit Puppen zu spielen? Das Bekleiden von starr vor einem liegenden Personen, erinnerte mich sehr an die gute alte Zeit mit Barbie und Ken. Ach ja, männliche Strandschönheiten wäre eigentlich auch eine Option. Fanservice für Frauen? Ach, das lohnt doch nicht

So sehr ich es versuche, kann ich einfach nicht begreifen, wieso man als Gamer freiwillig ein schlichtweg langweiliges Spiel ohne Geschichte, Charaktere oder jegliche Substanz erwirbt, nur weil man in Aussicht gestellt bekommt, ein paar Frauen in Bikinis betrachten zu können. An dieser Stelle zeigen viele Diskussionspartner zu gern mit dem Finger auf die asiatische Kultur: „Die da drüben sind eben noch nicht so weit und an dem Frauenbild hat sich in den letzten Jahren nichts getan“. Mag stimmen, so ist es in Japan nach wie vor erstrebenswert bis zum 30. Lebensjahr verheiratet zu sein , Frauen verdienen in der Regel 40% weniger als ihre männlichen Kollegen und 77%  der Frauen arbeiten nur halbtags . Publisher Koei Tecmo entschied sich dagegen, Dead or Alive Extreme 3 im Westen zu veröffentlichen. Wie Importhändler Play Asia berichtet , habe das Spiel die bisherigen Verkaufsrekorde gebrochen. Obwohl wir im Westen ein scheinbar so fortschrittliches Frauenbild haben, und Entwickler mittlerweile sogar auf Wünsche zwecks Bekleidung und Siegerposen von Charakteren eingehen, scheint ein großes Interesse für Fanservice-Spiele zu bestehen. Auch unsere Zahlen belegen: Trailer mit aufreizenden Charakteren werden gerne geguckt.

Aber wieso beschwer ich mich eigentlich, es gilt doch „Jedem das Seine“! Jeder soll das spielen, was ihm Spaß macht und es ist nun mal schön, idealisierte weibliche Körper zu betrachten. Ich habe kein Problem mit sexy Darstellungen. Zahlreiche Künstler inszenieren den weiblichen Körper auf kreative Weise und viele Models haben es zu ihrer Leidenschaft gemacht, sich in einem Hauch aus Nichts zu zeigen. Der wichtige Unterschied ist einerseits die künstlerische Leistung, die im Fokus steht, nicht das künstliche Aufreizen von schlecht designten Spielen. Und andererseits die Selbstbestimmung: Jede Cosplayerin entscheidet frei, wie viel sie von sich zeigen und auf welche Art sie sich präsentieren möchte. Auch Entwickler hätten diese Macht, Charakteren wirkliche Substanz zu verleihen, indem sie einen Kontext für ein sexy Outfit schaffen.

Allen müsste bewusst sein, dass das Kämpfen mit Schwert und Schild in einem Bikini höchst gefährlich wäre und dass kleine Mädchen kein Interesse daran haben, sich vor Männern auszuziehen. Spiele wie Criminal Girls, Senran Kagura und Co. pressen Charaktere in eine unterwürfige Rolle, die nicht zum Rest passt. Wenn man einen Porno guckt, weiß man genau, dass einen Sex erwartet. Wenn man ein Rollenspiel mit niedlichen Outfits, unterlegt von romantischer Musik und kindlichen Charakteren spielt, wirkt aufreizende Kleidung komplett aufgesetzt. Wieso nicht Rahmenbedingungen über Design und Story schaffen, in denen ein sexy Outfit Sinn macht? Bayonetta kokettiert aktiv mit ihren weiblichen Reizen, Schauspielerin Eva Green weiß als Femme Fatale genau, wie sie Männer manipulieren kann; ein Freund, der seine Partnerin im Spiel verführen will, weiß vielleicht genau, welche Kleidungsstücke er weglassen muss, um zu betören. Ob man es zugeben will oder nicht: Sexuelle Reize sind ein wunderbarer Bestandteil unseres Alltags. Meine rollenden Augen könnten endlich ruhen, wenn mehr Entwickler den Mut hätten, diese auf sinnvollere Art in Videospielen umzusetzen.



Alice Wilczynski
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