Dieter Schmidt
Der Pro Kontra geben: Über das Glück der PS4-Besitzer Ein Kommentar von Dieter Schmidt, 10.11.2016
Die Glücksforscher der Welt, allen voran der Nobelpreisträger Angus Deaton, sind sich im Groben einig, dass Reichtum in den industrialisierten Ländern glücklich macht. Laut neuerer Studien steigt das Glücksempfinden mit üppigerem Einkommen und flacht ab einem bestimmten Gehalt ab - in Deatons Studie wird die viel propagierte 75.000 Dollar-Grenze als Maximum angegeben. Warum steigt es danach nicht weiter an? Ich will hier nicht in die Tiefe gehen, aber man betritt  unter Umständen gesellschaftlich eine andere Ebene und ist dann womöglich mit einem 100.000-Dollar-Einkommen einer der Ärmeren unter vielen Reichen. Überspitzt gesagt ist man wieder am unteren Ende der Glücksspirale angelangt, fährt der Nachbar doch einen Porsche 918 Spyder. Man selber fährt ja selber nur den Cayenne. Und ihr fragt euch: Was hat das mit der Spielewelt zu tun?

Weil mit der Playstation 4 Pro eine Interimskonsole in den Markt drängt, die nicht nur bei dem Kollegen Michael Ängste schürt und das Glück der PS4-Besitzer scheinbar schmälert. Nehmen wir einmal an, es gäbe ein Paralleluniversum, in dem keine PS4 Pro (oder Project Scorpio) angekündigt wurde. In diesem Universum wird dann im nächsten Jahr ebenfalls ein Red Dead Redemption 2 veröffentlicht, das grafisch zu den besten Spielen zählt. Nichts anderes kann man von Rockstar erwarten. Alle PS4-Besitzer freuen sich ein Ei ab. Zurück zu unserer Welt: Hier sorgt komischer Weise die exakt gleiche Version für Unmut und Unwohlsein. Es wird geschimpft: „Leichtes Kantenflimmern, schwache Texturen, matschige Schatten!!! Wie konnte man nur Red Dead Redemption 2 für die Pro optimieren, auf der man statt 30 mit 60 FPS reiten kann. Und dann allen anderen PS4-Besitzern so etwas vorsetzen!“ Davon einmal abgesehen, dass bestimmte PC-Spiele schon längst den Konsolenstandard verlassen haben. Aber das ist ja eine andere Nachbarschaft, also nicht mein Problem.

Nein, die PS4 Pro ist (noch) nicht schuld. Sie wird von mir auch weder verteufelt noch glorifiziert. Ich nehme sie zur Kenntnis. Mehr nicht. Zumal ich doch stark anzweifle, dass die Pro-Kundschaft in einem Jahr die 10-Prozent-Marke aller PS4-Besitzer übersteigen wird. Und dass die Entwickler ganz bestimmt nicht die 90 Prozent des Kuchens komplett ignorieren werden, dürfte einleuchten. Natürlich ist die Angst nicht unbegründet: Da wurden zu Umbruchzeiten PS3-Besitzer hin und wieder recht billig abgespeist. Aber habt ihr irgendwo eine PS4-Pro-Werbung gesehen? Im TV-Programm? An digitalen Litfaßsäulen?  Hier kommt keine neue Konsole. Hier kommt lediglich ein Premium-Paket. Und nein, der jetzige Unmut ist doch nur ein Resultat von bislang unbegründeten Ängsten, die alle auf die gleiche Region im Hirn abzielen: Die des Technik-Neids. Ein neues Gefühl für Konsoleros, ein altbekanntes für PCler.

Während sonst in regelmäßigen Abständen ein Konsolenwechsel auch einen Standardwechsel einläutete, wird jetzt einfach eine neue Gehaltsgrenze eingeführt. Der eine fährt Cayenne, der andere den Spyder. Denn es wird sie bald geben: Jene, die im direkten sozialen Umfeld ihre Anschaffung mit Worten füllen werden, um den Kauf zu rechtfertigen: „Klar, sieht das viel geiler aus!“  Ob man für die Minimalsteigerung wirklich über 1500 Euro (4K-Fernseher mit Minimal-Lag und PS4 Pro) hinlegen muss, steht auf einem ganz anderen Blatt Papier. Denn es gab sie eigentlich schon, diese Zweiklassengesellschaft: „Das Spiel sieht doch auf PS4 um Längen besser aus. Pffft. Xbox One. 900p und skaliert das dann hoch. Lächerlich!“ Wer aber Testpersonen an zwei identischen Fernsehern nach der korrekten Version fragen würde, steht vor Gesichtern mit Fragezeichen. Und auch bei dem neuen Kampf geht es vielmehr um den gefühlten Unterschied, als um echte Leistungssteigerung. Das jetzige Prinzip mit PS4 und 45-Zoll mit 1080p-Auflösung wird zumindest bei gleicher TV-Größe dem 4K-Pendant mit  PS4 Pro kaum weit hinterherhinken. Okay, es wird flüssiger auf der Pro laufen. Das stimmt. Vor allen Dingen wird es besser flutschen, wenn man gerade keinen 4K-Fernseher angeschlossen hat. Aber was ändert das an dem Status Quo? Man wird in den nächsten zwei Jahren als PS4-Besitzer nicht weiter eingeschränkt sein, als es in dem genannten Paralleluniversum der Fall sein wird. Nichts wird verloren. Nichts wird sich ändern, außer dem persönlichen Empfinden die zweite Geige spielen zu müssen, die hinter der identischen PC- und Pro-Version steht.

Ist das jetzt ein Fehler von Sony? Oder passiert das nur in unseren Köpfen? Denn wer sich sagen kann: Ich hab keinen 4K-Fernseher und ich brauche momentan auch keinen, also brauche ich auch keine PS4 Pro und ich bin hochzufrieden mit dem, was ich habe. Nun, der wird weiterhin glücklich bleiben. Ich werde mir erst die PS4 Pro2 kaufen (oder die PS5 oder wie immer sie auch heißen mag). Denn dann wird unweigerlich der Punkt erreicht sein, an dem Spiele veröffentlicht werden, die nicht mehr auf der PS4 laufen. Aber das wäre auch ohne PS4 Pro so. Und ich hab auch nicht im Geringsten eine gegensätzliche Meinung zu den Äußerungen von Michael. Ich hab nur eine optimistischere Version der Zukunft. Man hat am 7. September in New York versichert, dass man die Community nicht spalten will. Und ich glaube daran. Sony hat die Macht zu sagen: Keine Online-Partie darf auf der Pro mit einer höheren Framerate laufen als auf der PS4. Sollte das schon im nächsten Jahr der Fall sein, wird meine Sanftmütigkeit sich in leichten Zorn wandeln! Denn das spaltet so ziemlich jeden Multiplayer-Shooter. Aber ich glaube daran, dass die Führungsebene sich dieser Verantwortung bewusst ist. Und als Solist kann ich sagen: Mich interessieren bessere Texturen nur noch marginal. Das war nicht immer so. Zu PC-Zeiten war ich eine regelrechte Grafikhure. Aber damals waren die Sprünge auch enorm. Und wenn der jetzige Standard etwas weiter ausgereizt wird, dann reicht mir das.

Und das Totschlagargument, dass man die Pro in Hinsicht auf PSVR produzieren würde, ist etwas zu simpel gedacht. Microsoft steht auch ohne VR-Brille in den Startlöchern. Nein, PS4 Pro verlässt leider wegen PSVR zu früh die Fließbänder. Das Prinzip der schrittweisen Verbesserung der Konsolen liegt seit dem Zeitpunkt in den Schubladen, als man sich für eine x86-Architektur entschieden hat. Zu groß war das Gemaule der Third-Party-Hersteller, die sich mit dem Cell-Prozessor herumplagen mussten. Denn die Publisher profitieren enorm von dieser Entwicklung. Spiele lassen sich zukünftig noch einfacher auf allen drei Plattformen veröffentlichen. Mit der PS4 Pro wird lediglich der alte Konsolenzyklus zu Grabe getragen und durch schnellere Updates ersetzt. Macht euch das jetzt unglücklich? Sehe ich da eine Träne, die den romantischen Zeiten nachtrauert?  Nun, das ist dann euer persönliches Problem, wenn ihr den ständigen Blick auf des Nachbars Garten nicht ertragen könnt. Ihr werdet also gezwungen irgendwann die Pro zu kaufen? Lächerlich! Das wisst ihr selber. Ihr zwingt euch selber. Wie gesagt: In den nächsten Jahren werdet ihr die exakt gleichen Spiele bekommen, die im Paralleluniversum verkauft werden. Alles in deinem Kopf. Und ich verrate euch noch was: Das ist sowieso bald vorbei. Denn spätestens die PS6 wird ein Icon auf eurem Smart-TV sein, die ihr in aller Welt per Login-Daten anschmeißt. Denn Rechenleistung nur dann zu nutzen, wenn man spielen will, ist viel zu lukrativ, als dass man dieses Cloud-System nicht einführen wird. Lediglich die fehlende Infrastruktur in den meisten Ländern (allen voran in Deutschland) verhindert die Einführung. Und wenn alle nur noch Accounts statt Konsolen haben, dann sind doch alle wieder auf par und wir können wieder gemeinsam glücklich sein.


Dieter Schmidt

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