Michael Krosta
Xbox One X: Starke Hardware, nichts dahinter?Ein Kommentar von Michael Krosta, 16.11.2017
So, jetzt hat Microsoft mit seiner Xbox One X endlich auch ein Hardware-Upgrade am Start und gleichzeitig die PlayStation 4 Pro als die neue leistungsstärkste Konsole der Welt, ach was, des gesamten Universums abgelöst. Endlich gibt es ein richtiges, natives und knackscharfes 4K anstatt dieses aufskalierte Pseudo-Checkerboard-UHD-Gedöns von Sony. Lasst die Champagnerkorken knallen, die Zukunft des Gamings hat begonnen, mit dem 4K-Fernseher, HDR & Co endlich eine Daseinsberechtigung bekommen.

Warum in den Aufbau fähiger Studios oder gar neuer Marken investieren, wenn man dafür jetzt Kracher wie Halo 3, Fallout 3 oder Disneyland Adventures nach der 4K-HDR-Patch-Behandlung endlich in voller Pracht genießen kann? Wer will schon noch auf einer alten Xbox zocken, wenn selbst aktuelle Titel wie Forza Motorsport 7 auf der Xbox One X neu geboren werden, wie es das Marketing-Geschwätz aus Redmond verspricht?

Keine Frage: Die Xbox One X ist ein feines Stück Hardware! Und wenn man bedenkt, was zum Preis von knapp 500 Euro an Leistung und Technik in dem verhältnismäßig kleinen Gehäuse mit seiner leider ebenso kleinen Festplatte steckt, bekommt man nicht nur als Grafik- und Soundfetischist ein Leuchten in den Augen. Die Xbox One X erinnert an eine Zeit, als Konsolen noch massiv subventionierte Kraftpakete mit edlen Komponenten waren, mit denen man den besten Grafikkarten eines PC noch auf Augenhöhe begegnen konnte. Doch sie steht leider nicht für die Zeit, in der man Killer-Apps wie Halo oder Project Gotham Racing nur exklusiv auf dieser Plattform erleben konnte. Dafür hat Microsoft mit seiner Initiative Xbox Play Anywhere selbst gesorgt, die sicher und speziell für PC-Spieler mit Windows 10 einige Vorteile mit sich bringt, der Attraktivität der Konsole aber schadet.

Man kauft sich eine PlayStation 4, um auf ihr die exklusiven Perlen vom Schlag eines Uncharted oder kreative Langzeitprojekte wie The Last Guardian zu erleben. Die Switch übt nicht mit einem abgespeckten FIFA 18, sondern einem Super Mario Odyssey den besonderen Reiz aus. Und die Xbox? Dort versucht man es mit den wenigen eigenen Marken und damit lediglich weiteren Fortsetzungen zu Forza Motorsport, Gears of War & Co, die mittlerweile nicht nur an Ermüdungserscheinungen leiden, sondern alternativ auch am PC gespielt werden können. Durch seine fragwürdige strategische Ausrichtung hat es Microsoft versäumt, dem erfolgreichen Vorbild von Sony zu folgen und ebenfalls eine Studiofamilie aufzubauen, die sich sowohl mit qualitativ beeindruckenden AAA-Produktionen als auch experimentellen sowie künstlerisch wertvollen Titeln auszeichnet. Vor allem aber: die auch neue Marken und frische Spielerlebnisse erschafft. Die Veröffentlichung der Xbox One X wäre der perfekte Zeitpunkt für die Vorstellung und Veröffentlichung einer neuen IP gewesen, mit der man gleichzeitig auch die imposanten technischen Qualitäten der Hardware hätte demonstrieren können.

Aber nein, das geht ja nicht, weil man die X nicht als Startschuss für eine neue Konsolengeneration vermarktet, sondern als ein Pendant zu PlayStation 4 Pro, mit dem man Besitzern von modernem Equipment wie 4K-Fernsehern oder Audio-Setups mit Dolby Atmos nur eine bessere Alternative zur Standard-Version geben will. Aber wieso eigentlich? Bei Sony ergibt diese Entscheidung aufgrund des überschaubaren Leistungszuwachses bei der Pro-Variante noch einen gewissen Sinn, doch in der Xbox One X steckt so viel mehr Power, dass man sie auch problemlos als Nachfolger der Xbox One hätte etablieren können. Vielleicht wäre es tatsächlich besser gewesen, an dieser Stelle einen Schlussstrich unter die Standard-Version zu ziehen, die seit ihrem holprigen Start und dem technischen sowie wirtschaftlichen Hintertreffen gegenüber der PlayStation 4 ohnehin nie unter einem guten Stern stand. Wahrscheinlich wird es sogar eher früher als später soweit sein, bis das erste Spiel nur noch auf der neuen Konsole veröffentlicht wird.

Warum auch nicht? Es wäre schade, wenn all die zusätzliche Leistung nur für ein paar hübschere Texturen und eine schickere Beleuchtung genutzt werden würde. Will man wirklich dauerhaft auf Rücksicht auf die schwächere Hardware des Standard-Modells Kompromisse eingehen und auf Umsetzungen von Features wie einer größeren Spieleranzahl bei Multiplayer-Partien verzichten? Schon jetzt wird an Beispielen wie Project Cars 2 deutlich, dass manche Entwickler gar nicht mehr den Aufwand betreiben, ihre Spiele noch für die ursprüngliche Hardware der Xbox One zu optimieren – ein trauriger Trend, der schon bei der Spaltung zwischen PS4 und PS4 Pro seine dunklen Schatten voraus geworfen hat. Aber warum teure Zeit und Ressourcen für Optimierungen verschwenden, wenn man die Kosten einfach auf den Spieler abwälzen kann? Wer eine durchweg flüssige Darstellung will, der soll sich halt die potenteren Hardware anschaffen. Das ist der Fluch, den die Upgrade-Konsolen heraufbeschworen haben! Auf der anderen Seite: Wenn ich mir das vorbildlich optimierte Forza Motorsport 7 auf der normalen Xbox One und anschließend auf der X anschaue, dann sehe ich bei dem Vergleich weder die angepriesene Neugeburt der Rennsimulation noch einen echten Kaufgrund für die stärkere Konsole.

Ich bin gespannt, ob und wie es Microsoft gelingen wird, die Spieler nur mit dem Versprechen der überragenden Hardware-Power für sein Hightech-Gerät zu begeistern. Das Problem der Xbox One X ist sicher nicht die Leistung. Trotzdem wirkt die Konsole aktuell wie ein edler Ferrari, bei dem man vorerst noch mit einem getunten Golf-Motor unter der Haube Vorlieb nehmen muss. Wo Sony mit seinem Ausblick auf 2018 eine attraktive Perspektive aufzeigt und selbst Nintendo mit dem neuen Metroid einen potenziellen Anreiz für seine Switch schafft, herrscht bei Microsoft eine erschreckende Leere. Erst jetzt will man nach der Aussage von Phil Spencer verstärkt in den Ausbau der eigenen Studios und Entwicklungen investieren. In Redmond scheint man also langsam zu begreifen, dass nicht nur eine leistungsfähige Hardware, sondern in erster Linie eine exklusive Softwareunterstützung mit starken Marken und qualitativ hochwertigen Eigenproduktionen zum Erfolg einer Plattform beitragen. Bleibt zu hoffen, dass den Entscheidungsträgern da nicht etwas zu spät ein Licht aufgegangen ist...


Michael Krosta
Redakteur
Kommentare

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Auch so Sachen das ein Entwickler Prestige Games wie Bayonetta 2 vollfinanziert, die sonst kein Publisher dank des seinerzeit gefloppten Erstlings haben wollte, würde es dann kaum geben, da einem Nintendo oder auch Sony oder Microsoft eben nichts daran liegen würde wenn es kein Portfolio gäbe, was man damit aufwerten kann. Ich denke, ein Sunset Overdrive schlägt in eine ähnliche kerbe.

Man ist ja nun wirklich nicht gezwungen jede Plattform zu kaufen! So gut wie jede bringt genug Games mit :-)

Mir persönlich würde die ganzen Prestige Projekte fehlen die aufgrund des Konkurrenzkampfes entstanden sind. Umso mehr Konkurrenz umso besser! Man muss ja nicht alles mitmachen auch wenn einem hier und da was entgeht (das passiert sowieso)
Ich finde die Exklusivtitel-Diskussion schon aus Spaß am Vergleichen immer unglaublich interessant.

Im Falle von Microsoft scheint es doch genauso zu sein, dass hier gefühlt weniger in die Prestige-Titel investiert worden ist. Die Cash-Cows Halo, Gears of War und Forza werden regelmäßig bedient, das kratzt aber irgendwie auch am Mythos. Natürlich insbesondere auch dann, wenn vermehrt versucht wird möglichst viel Gewinn aus einem Titel zu schlagen in dem man Mikrotransaktionen einbaut.

Microsoft schien mir mit diesem Fokus auf Kinect viel verloren zu haben, was ihr Exklusive-Line-Up auf der 360 in den ersten Jahren ausgezeichnet hat. Das ist vielleicht aber garnicht haltbar, denn man kann durchaus sagen sie haben es bei der XBox One versucht.

2013: Dead Rising 3 und Ryse (und: Forza 5, Zoo Tycoon)

Ersterer scheint "nur" gut zu sein und setzt natürlich eine schon etablierte Marke fort. Ryse hingegen leidet einfach unter dem auf Kinect ausgerichteten Gameplay, schade bei dem tollen Setting.

2014: Project Spark und Sunset Overdrive (und: Forza Horizon 2, Halo-Collection, Titanfall)

Ein Little-Big-Planet artiges Editorspiel und ein abgedrehtes Insomniac Game, beides gute Ideen und letzteres scheint ja auch überzeugen zu können. Warum kein Nachfolger? Generell braucht Microsoft mehr Insomniac Spiele. :wink:

2015: - (Und Forza 6 sowie Halo 5 [und: Screamride, State of Decay, Gears of War Remake, Rare Replay und Ori)

Hinterm Atlantik nichts Neues? Dazu aber einige Remakes und Collections, sowie Spiele die Indie-Titel sind und/oder auch auf 360 verfügbar sind. In Sachen Remakes steht man seit diesem Jahr dann Sony in nichts mehr nach.

2016: Quantum Break, ReCore (und Gears 4, Forza Horizon 3 für ein Jahr Dead Rising 4).

Microsoft scheint es wieder zu versuchen. Doch die beiden frischen AAA-Titel überzeugten die Kritiker nicht restlos. Jetzt muss sich zeigen, ob sie an vielversprechenden Marken festhalten oder nicht. ReCore könnte soetwas sein, ein Action-Platformer dem Microsoft jedenfalls mit einem Rund-um-Patch in 2017 versucht die Stange zu halten.

2017: Halo Wars 2 (Forza 7, Cuphead)

Schlicht zu wenig.

Man fragt sich wo bleibt mehr Diversivität im Line-Up. Wo sind die Action-Rollenspiele (Fable), die Japano-Rollenspiele (Lost Odyssey, Blue Dragon)?
Microsoft deckt die Rennspiele (Forza, Forza Horizon), die Ego-Shooter (Halo), die Third-Person-Shooter (Gears of War) und die 2D Jump and Runs (Ori, Cuphead) gut ab. Die Story basierten Spiele (Quantum Break), die Action-Platformer (ReCore) und Strategiespiele (Halo Wars 2) nur in Ansätzen gut ab. Die Hack and Slays (Ryse) sind ein beinahe Totalausfall. Dafür bieten sie noch abgedrehte Open-World-Action (Sunset Overdrive).
Wenn man in die Zukunft blickt scheint Microsoft aber nicht die Schwächen abzuarbeiten, sondern weiter in befahrenen Gebieten zu suchen (Open-World-Acion: Crackdown, Multiplayer: Sea of Thieves).

Sony bringt im Grunde in der Masse nicht so viel mehr Exklusivtitel heraus, aber sie decken mehr Genres ab, bringen mehr frische, neue Marken und bringen mehr Referenztitel (also Titel mit besonders guten Wertungen).

vor 6 Jahren