Selbstverständlich kann das angesichts der ziemlich stumpfsinnigen Dialoge und abstrusen Situationen nur dann funktionieren, wenn man sein Hirn abschaltet und nicht nach einem tieferen Sinn sucht oder großartig über das reflektiert, was da auf dem Bildschirm passiert. Eben genau wie bei einem Michael-Bay-Film. Doch ließ man sich darauf ein, konnte man trotz diskussionswürdiger Sequenzen wie dem Flughafen-Massaker in Modern Warfare 2, lächerlichen Momenten wie dem Kondolieren auf Knopfdruck und den Gegnerwellen im Moorhuhn-Stil eine unterhaltsame sowie packend inszenierte Shooter-Achterbahnfahr erleben. Kurz gesagt: Die Kampagne stellte für mich immer einen Höhepunkt innerhalb der Call-of-Duty-Reihe dar, mindestens aber ein robustes Standbein, das die Reihe angesichts der zunehmenden Redundanz in den Mehrspieler-Gefechten vor dem Umfallen bewahrte.
Und was macht man bei Activision Blizzard und Treyarch? Man streicht einfach die Kampagne für Call of Duty: Black Ops 4 – also ausgerechnet bei jenem Serien-Ableger, der in der Vergangenheit gerade im Bereich Story ganz eigene und damit erfrischende Wege gegangen ist! Und was macht man stattdessen? Battle Royale – ausgerechnet BATTLE ROYALE! Dieser eine Mehrspieler-Modus, den mittlerweile jedes Studio fast schon verzweifelt aufgreift und dabei hofft, zumindest ein kleines Stückchen vom erfolgreichen PUBG-Kuchen abzubekommen.
Es gab einmal Zeiten, da wollten alle Spiele so sein wie Call of Duty. Nicht nur hinsichtlich der flotten Mehrspieler-Ballereien, sondern auch bei der Kampagne und deren wuchtiger Inszenierung orientierten sich selbst genrefremde Titel am großen Action-Vorbild. Die misslungene Neuausrichtung von Resident Evil vom atmosphärischen Horror- zum seelenlosen Actionspiel dürfte aus ähnlichen Motiven erfolgt sein, warum Activision jetzt diesem Trend hinterher jagt: Die Gier nach Erfolg! Vor allem aber nach finanziellem Erfolg. Man sieht mit Dollarzeichen in den Augen, wie unfassbar viel Kohle dieses kleine Team mit PUBG verdient hat – genau wie man damals bei Capcom die Zahlen von Call of Duty geblendet wurde und mit der eigenen AAA-Marke Resident Evil ebenso in diese Regionen der zig Millionen verkauften Exemplare und Einnahmen vorstoßen wollte. Was aus dieser Anbiederung geworden ist, ist bekannt: Resident Evil verlor seine Identität und mutierte vom Horror-Klassiker zu einer mittelprächtigen Ballerbude, die in der Masse unterging.
Selbstverständlich ist diese Gefahr für Call of Duty kleiner: Auch bei Battle Royale steckt im Kern immer noch ein Shooter. Aber Trends kommen und gehen: Schon jetzt habe ich das Gefühl, dass Hinz und Kunz mit ihren Spielen auf Teufel-komm-raus auf den Zug aufspringen wollen. Der Spielemarkt wird regelrecht überflutet von Battle-Royal-Erlebnissen – ganz ähnlich, wie vor ein paar Jahren plötzlich jeder Hersteller den MMO-Heldenshooter für sich entdeckt hat und glaubte, neben all den Mitbewerbern ganz sicher einen Hit zu laden. Was daraus geworden ist, sieht man an Battleborn und all den anderen Softwareleichen, die gegen die Popularität eines Overwatch einfach chancenlos waren.
Und dieses Schicksal könnte auch Call of Duty drohen – wie eigentlich jeder großen Serie, wenn man plötzlich vom Vorreiter zum Mitläufer wird. Es stellt sich einfach die Frage: Wenn es schon haufenweise Möglichkeiten gibt, sich in Battle-Royale-Matches zu stürzen, warum sollte ich das auch noch bei Call of Duty tun wollen? Es wirkt einfach nur erbärmlich, wie jetzt versucht wird, diesem Trend hinterher zu hecheln. Vor allem, wenn ich im Gegenzug auf eine Kampagne verzichten muss. Hat man bei Activision denn nicht mitbekommen, dass es da draußen immer noch einen Bedarf nach einem Einzelspieler-Erlebnis gibt und diese Rufe gerade in den letzten Monaten immer lauter wurden? Es hat sicher seine Gründe, warum Respawn Entertainment Titanfall 2 eine richtig gute Kampagne spendiert hat, die dem Vorgänger noch fehlte. Oder warum selbst DICE und Electronic Arts bei Battlefront 2 auf die Wünsche der Spieler eingegangen sind, selbst wenn man keinen allzu großen Aufwand in die Geschichte von Iden Versio investiert hat. Immerhin will man sogar beim kommenden Battlefield an einer Kampagne festhalten. Oder man werfe einen Blick auf den Erfolg von God of War oder gar auf ein Wolfenstein, wo zuletzt komplett auf den Mehrspieler-Firlefanz verzichtet wurde. Sind das keine Vorbilder, an denen man sich orientieren kann?
Das alles scheint Activision nicht zu interessieren – vermutlich auch aus rein wirtschaftlichen Gründen. Während man beim Mehrspielermodus und sicher auch beim Battle Royal viele Inhalte und Mechaniken recyceln kann, dürfte die Kampagne immer der höchste Kostenfaktor bei der Entwicklung von Call of Duty gewesen sein. Mit dem Verzicht spart man also schlichtweg einen Haufen Geld! Schaut man sich die Entwicklungen der Mehrspielermodi innerhalb der letzten Jahre an, scheint die Devise zu lauten: Maximaler Ertrag bei minimalem Aufwand! Und auch mit nachträglichen Mikrotransaktionen lässt sich das Konto zusätzlichen füllen. Die sinkenden Verkaufszahlen der Reihe, die vor allem bei Infinite Warfare die Erwartungen nicht erfüllt haben, dürften ihren Teil zu dieser Entwicklung beigetragen haben, obwohl es mit WW2 sicher auch dank der guten Kampagne wieder bergauf ging. Ob man mit dieser abgespeckten Neuausrichtung aber an die großen Erfolge der Vergangenheit anknüpfen kann? Ich wage es zu bezweifeln, denn ich bin sicher nicht der Einzige, der Call of Duty nach dieser bedenklichen Entwicklung den Rücken zuwenden wird. Da hilft auch der aufgeblasene Zombie-Modus als Entschädigung nicht viel, der für mich ohnehin immer nur eine nette Ergänzung dargestellt und niemals den Spielspaß oder das Niveau eines Left 4 Dead erreicht hat.
Nach der Enthüllung steht für mich fest, dass ich dem Ruf der Pflicht in diesem Jahr ganz sicher nicht Folge leisten werde. Ohne Kampagne lässt Activision mir keine andere Wahl: Ich werde den Dienst quittieren und mich stattdessen lieber der Konkurrenz zuwenden, die weiterhin ein Komplettpaket aus Mehrspielergefechten UND Kampagne bietet anstatt wertvolle Inhalte für das Ausschlachten irgendwelcher inflationärer Trends zu opfern.
Michael Krosta
Redakteur
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