Eike Cramer
Bethesda: Demontage im ZeitrafferEin Kommentar von Eike Cramer, 03.01.2019
Das Jahr 2018 war ein beispielloses Jahr für Bethesda. Es war die vielleicht heftigste Selbst-Demontage eines angesehenen Publishers im letzten Spiele-Jahrzehnt.  Und zumindest war sie eine der Schnellsten. Denn wer kann sich jetzt, Stand Januar 2019, noch daran erinnern, wieso Nintendo unseren „Publisher des Jahres“-Award im Jahr 2017 nur äußerst sehr knapp vor Bethesda erringen konnte? Wieso am Konferenztisch im Dezember 2017 heftig debattiert wurde, warum Bethesda trotz Ausnahme-Spielen wie Wolfenstein 2, Prey und Dishonored 2 nicht Platz eins erringen konnte. Richtig: Niemand .
Denn Pete Hines, Todd Howard & Friends haben es in nur wenigen Monaten geschafft, das über mehr als eineinhalb Jahrzehnte aufgebaute Vertrauen in die Spieleschmieden unter dem ZenimaxMedia-Dach fast vollständig zu nivellieren.  Von der Ankündigung auf der E3 2018 bis knapp zwei Monate nach Release ist die Geschichte von Fallout 76 ein unvergleichliches Desaster. Schon die Ankündigung in Los Angeles mit einem „It just Works“-Todd, der sich grinsend über die Release-Bugs von Skyrim lustig macht, die zum Teil auch in der aktuellen HD-Konsolen-Fassung nach wie vor nicht behoben sind und gleichzeitig das Publikum auf die goldene Online-Zukunft im technisch wundervollen West Virgina (mit tollen Mikrotransaktionen) einschwor, war bestenfalls peinlich. Und schon vor vor der fürchterlichen B.E.T.A. war dieser Auftritt völlig zu Recht ein Meme. Und der folgende „Break it“ Pseudo-Betatest, nur wenige Wochen vor dem Release von Fallout 76 enthüllte, womit viele Bethesda-Kritiker selbst in ihren schlimmsten Albträumen nicht rechnen wollten.
Fallout 76 an dem angeblich alle drei (!) Bethesda Game Studios arbeiteten, war nämlich kaputt. Und zwar so kaputt, dass niemand mit einer Behebung der Fehler bis zum Release am 14. November rechnete. Und wie eine selbsterfüllende Prophezeihung wurde genau dieser Termin zu einer Katastrophe für Fallout-Fans und den Publisher selbst. Technisch ein absolute Frechheit voller Plotstopper, Lags, Verbindungsabbrüchen, kaputten KI-Routinen und verschwindenden Spieler-Camps, bescheinigten die weltweiten Reviews Bethesda zudem, weder den Kern ihrer eigenen Fallout-Rollenspiele zu verstehen, noch die Inszenierung eines ansprechenden Mehrspieler-Titels zu beherrschen. Absurde PvP-Regeln, seelenlose Quests, hingeschluderte Umgebungen, fehlende NPCs und wenig interessante Kämpfe – Fallout 76 war eben nicht nur ein kaputtes Spiel, sondern auch ein durch und durch misslungenes Fallout
Doch die eigentliche Tragödie beginnt erst im dritten Akt dieses zynischen Lehrstücks über Gier und Gerechtigkeit. Denn während das Spiel wie Blei in den Regalen lag, der Preis von Fallout 76 innerhalb weniger Wochen ins Bodenlose stürzte und Spieler wütend die Rückerstattung ihres Kaufpreises forderten (was von Bethesda zunächst mit einem Erstattungs-Stopp nach dem erstem Patch quittiert wurde, der einige technische Probleme eher verschlimmerte)  setzte eine PR-Abwärtsspirale ein, die bis heute anhält.
Dem Skandal um die billigen Plastikbeutel der 200-Dollar-Collectors-Edition, die im Vorfeld als hochwertige Stofftaschen beworben wurden, folgte nach einer 5-Dollar-Ingame-Entschuldigung und weiterer Fan-Wut eine Sicherheitslücke inklusive Datenverlust für austauschwillige Käufer. Und als wäre das alles nicht passiert, wurde im Anschluss an dieses Debakel der Echtgeld-Shop kurz vor Weihnachten mit neuen Items bestückt, die zu völlig überzogenen Preisen Weihnachtsmannkostüme oder Camp-Dekoraktionen anboten. Und während das Spiel nach wie vor nicht richtig funktioniert, Atombomben nicht zündeten, Spieler von Servern flogen oder ihre Camps verloren und dem Spiel den Rücken zukehrten, begann Bethesda auch noch damit, hart gegen Modder vorzugehen.
Zur Einordnung: Auf dem PC sind Modder das Lebenselexier der Bethesda-Rollenspiele. Skyrim wäre ohne seine Mod-Community vermutlich nie zu dem Mega-Seller geworden, der dem Publisher nach wie vor satte Millionenbeträge aufs Konto spült. Modder sind diejenigen, die Oblivion, Skyrim, und Fallout 3 auf dem PC zu Ende entwickelt haben und die Spiele teils eklatant verbessert haben.  So deutlich, dass sich Bethesda letztlich doch zur Mod-Einbindung auf den Konsolen breitschlagen ließ.
Doch in Multiplayer-Umgebungen sind Modder gefährlich, denn sie verändern die Spielerfahrung für alle. Und obwohl es Fallout 76 vielen Hobby-Entwicklern anscheinend genauso leicht macht wie Fallout 4 am Code zu schrauben, ist hier jede Veränderung ein potentielles Cheater-Problem. Daher geht Bethesda hart gegen Modder vor. Und stellt dabei anscheinend absurde Forderungen: gesperrte Modder berichten davon, dass sie den Entwicklern einen Aufsatz verfassen sollen, warum „Cheaten in Online-Spielen schlecht ist“ – danach würde ihr Account wieder freigeschaltet werden. Ist das jetzt schon Satire oder bleibt es einfach nur eine Frechheit? Das nächste am Horizont auftauchende Debakel um 80-Euro-Rum in billigen Nuka-Plastikbehältern bleibt angesichts dieser Ignoranz schon fast eine Randnotiz.
Wieso eigentlich derzeit jemand bei Bethesda die Zeit hat, dutzende User-Aufsätze zu lesen ist die eine Frage. Die andere Frage kann nur lauten: Wann genau hat sich dieser Publisher sich so weit von seiner Kernzielgruppe entfernt, dass ein Spiel wie Fallout 76 möglich wurde? Und wann wurde die kurzfristige Gewinn-Maximierung so dermaßen wichtig, dass Schaden für alle Marken in Kauf genommen wurde? Der Name Fallout ist auf Jahre verbrannt, hier kann es keine zwei Meinungen geben.
Aber im Rahmen des Fallout 76-Debakels hat selbst ein Spiel wie Starfield bereits Schaden genommen. Ein Spiel, über das nichts bekannt ist außer seiner Engine. Die im Kern identische Creation Engine nämlich, die schon seit Fallout 4 als veraltet gilt und die, wie die technische Seite von Fallout 76 eindrücklich bewiesen hat, dringend von Grund auf überarbeitet werden muss, um in Zukunft mithalten zu können. 
Bethesda ist es in der zweiten Jahreshälfte 2018 gelungen, selbst die strahlende Ankündigung von The Elder Scrolls 6 in eine düstere Zukunftsvision zu verdrehen, bei der zur Zeit niemand mit einem spielerischen Erfolg rechnen kann. Bethesda muss sich 2019 dringend neu erfinden, wenn der Name mit dem großen B nicht für lange Zeit für Gier und Ignoranz stehen soll.
Ein gelungener Release von Rage 2 wäre da vielleicht ein erster Schritt.
Das Jahr 2018 war ein beispielloses Jahr für Bethesda. Es war die vielleicht heftigste Selbst-Demontage eines angesehenen Publishers im letzten Spiele-Jahrzehnt. Und zumindest war sie eine der Schnellsten. Denn wer kann sich jetzt, Stand Januar 2019, noch daran erinnern, wieso Nintendo unseren „Publisher des Jahres“-Award im Jahr 2017 nur äußerst knapp vor Bethesda erringen konnte? Wieso am Konferenztisch im Dezember 2017 heftig debattiert wurde, warum Bethesda trotz Ausnahme-Spielen wie Wolfenstein 2, Prey und Dishonored 2 nicht Platz eins erringen konnte. Richtig: Niemand.

Denn Pete Hines, Todd Howard & Friends haben es in nur wenigen Monaten geschafft, das über mehr als eineinhalb Jahrzehnte aufgebaute Vertrauen in die Spieleschmieden unter dem ZenimaxMedia-Dach fast vollständig zu nivellieren.  Von der Ankündigung auf der E3 2018 bis knapp zwei Monate nach Release ist die Geschichte von Fallout 76 ein unvergleichliches Desaster. Schon die Ankündigung in Los Angeles mit einem „It just Works“-Todd, der sich grinsend über die Release-Bugs von Skyrim lustig macht, die zum Teil auch in der aktuellen HD-Konsolen-Fassung nach wie vor nicht behoben sind und gleichzeitig das Publikum auf die goldene Online-Zukunft im technisch wundervollen West Virgina (mit tollen Mikrotransaktionen) einschwor, war bestenfalls peinlich. Und schon vor der fürchterlichen B.E.T.A. war dieser Auftritt völlig zu Recht ein Meme. Und der folgende „Break it“ Pseudo-Betatest, nur wenige Wochen vor dem Release von Fallout 76 enthüllte, womit viele Bethesda-Kritiker selbst in ihren schlimmsten Albträumen nicht rechnen wollten.

Fallout 76 an dem angeblich alle drei (!) Bethesda Game Studios arbeiteten, war nämlich kaputt. Und zwar so kaputt, dass niemand mit einer Behebung der Fehler bis zum Release am 14. November rechnete. Und wie eine selbsterfüllende Prophezeihung wurde genau dieser Termin zu einer Katastrophe für Fallout-Fans und den Publisher selbst. Technisch ein absolute Frechheit voller Plotstopper, Lags, Verbindungsabbrüchen, kaputter KI-Routinen und verschwindender Spieler-Camps, bescheinigten die weltweiten Reviews Bethesda zudem, weder den Kern ihrer eigenen Fallout-Rollenspiele zu verstehen, noch die Inszenierung eines ansprechenden Mehrspieler-Titels zu beherrschen. Absurde PvP-Regeln, seelenlose Quests, hingeschluderte Umgebungen, fehlende NPCs und wenig interessante Kämpfe – Fallout 76 war eben nicht nur ein kaputtes Spiel, sondern auch ein durch und durch misslungenes Fallout

Doch die eigentliche Tragödie beginnt erst im dritten Akt dieses zynischen Lehrstücks über grenzenlose Gier.

Denn während das Spiel wie Blei in den Regalen lag, der Preis von Fallout 76 innerhalb weniger Wochen ins Bodenlose stürzte und Spieler wütend die Rückerstattung ihres Kaufpreises forderten (was von Bethesda zunächst mit einem Erstattungs-Stopp nach dem erstem Patch quittiert wurde, der einige technische Probleme eher verschlimmerte)  setzte eine PR-Abwärtsspirale ein, die bis heute anhält. Dem Skandal um die billigen Plastikbeutel der 200-Dollar-Collectors-Edition, die im Vorfeld als hochwertige Stofftaschen beworben wurden, folgte nach einer 5-Dollar-Ingame-Entschuldigung und weiterer Fan-Wut eine Sicherheitslücke inklusive Datenverlust für austauschwillige Käufer. Und als wäre das alles nicht passiert, wurde im Anschluss an dieses Debakel der Echtgeld-Shop kurz vor Weihnachten mit neuen Items bestückt -  zu völlig überzogenen Preisen konnten Weihnachtsmannkostüme oder Camp-Dekoraktionen erstanden werden. Und während das Spiel nach wie vor nicht richtig funktioniert, Atombomben nicht zündeten, Spieler von Servern flogen oder ihre Camps verloren und dem Spiel den Rücken zukehrten, begann Bethesda auch noch damit, hart gegen Modder vorzugehen.

Zur Einordnung: Auf dem PC sind Modder das Lebenselixier der Bethesda-Rollenspiele. Skyrim wäre ohne seine Mod-Community vermutlich nie zu dem Mega-Seller geworden, der dem Publisher nach wie vor satte Millionenbeträge aufs Konto spült. Modder sind diejenigen, die Oblivion, Skyrim, und Fallout 3 auf dem PC zu Ende entwickelt und die Spiele damit teils eklatant verbessert haben.  So deutlich, dass sich Bethesda auf PS4 und Xbox One letztlich doch zur Mod-Einbindung auf den Konsolen breitschlagen ließ.

Doch in Multiplayer-Umgebungen sind Modder gefährlich, denn sie verändern die Spielerfahrung für alle. Und obwohl es Fallout 76 vielen Hobby-Entwicklern anscheinend genauso leicht macht wie Fallout 4 am Code zu schrauben, ist hier jede Veränderung ein potentielles Cheater-Problem. Daher geht Bethesda hart gegen Modder vor. Und stellt dabei anscheinend absurde Forderungen: gesperrte Modder berichten davon, dass sie den Entwicklern einen Aufsatz verfassen sollen, warum „Cheaten in Online-Spielen schlecht ist“ – danach würde ihr Account wieder freigeschaltet werden. Ist das jetzt schon Satire oder bleibt es einfach nur eine Frechheit? Das nächste am Horizont auftauchende Debakel um 80-Euro-Rum in billigen Nuka-Plastikbehältern bleibt angesichts dieser Ignoranz schon fast eine Randnotiz. 

Wieso eigentlich derzeit jemand bei Bethesda die Zeit hat, dutzende User-Aufsätze zu lesen ist die eine Frage, zumal das Community-Management den "Witz" bereits wieder eingefangen hat. Die andere Frage kann nur lauten: Wann genau hat sich dieser Publisher so weit von seiner Kernzielgruppe entfernt, dass ein Spiel wie Fallout 76 in diesem Zustand überhaupt möglich wurde? Und wann genau wurde die kurzfristige Gewinn-Maximierung so dermaßen wichtig, dass Schaden für alle Marken in Kauf genommen wurde? Der Name Fallout ist auf Jahre verbrannt, hier kann es keine zwei Meinungen geben.

Aber im Rahmen des Fallout 76-Debakels hat selbst ein Spiel wie Starfield bereits Schaden genommen. Ein Spiel, über das nichts bekannt ist außer seiner Engine. Die im Kern identische Creation Engine nämlich, die schon seit Fallout 4 als veraltet gilt und die, wie die technische Seite von Fallout 76 eindrücklich bewiesen hat, dringend von Grund auf überarbeitet werden muss, um in Zukunft auch nur im Ansatz mithalten zu können.

Bethesda ist es in der zweiten Jahreshälfte 2018 gelungen, selbst die strahlende Ankündigung von The Elder Scrolls 6 in eine düstere Zukunftsvision zu verdrehen, bei der zur Zeit niemand mit einem spielerischen oder gar technischen Erfolg rechnen kann. Bethesda muss sich 2019 dringend neu erfinden, wenn der Name mit dem großen B nicht für lange Zeit für Gier und Ignoranz stehen soll.

Ein gelungener Release von Rage 2 wäre da vielleicht ein erster Schritt. Auch wenn hier hauptsächlich id und Avalanche in der Verantwortung stehen.

Eike Cramer
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