Kommentar

hundertprozent subjektiv

KW 16
Freitag, 17.04.2009

Grand Theft Pony: Western Girls


Habt ihr das gelesen? Das gibt's doch nicht, oder? Grand Theft Auto: Chinatown Wars für DS hat sich in den USA bis Ende März nur 89.000 Mal verkauft. Es taucht ja noch nicht mal in den Top 10 auf! Hätte ich vor dem Release eine Wette darüber abschließen müssen, wie oft Rockstars kriminelle Saga in den ersten ein, zwei Wochen in die amerikanischen Haushalte wandert, hätte ich auf einige Hunderttausend getippt - optimistische Analysten rechneten gar mit 450.000! Wo die Sopranos das Wohnzimmer rocken, müssten doch auch die Triaden für die Hosentasche laufen!

Auch das Knacken der Millionenmarke hätte mich nicht erschreckt - das haben doch schon 83 andere Spiele geschafft, knapp ein Dutzend haben sogar das Zehnfache auf dem DS erreicht! Okay, darunter viele Bundle-Nintendogs. Aber jetzt tröpfeln da nicht mal 100.000 vom Himmel. Das ist überaus ernüchternd - nicht nur für Take-Two, sondern auch für erwachsene Zocker zwischen Stylus und Nunchuk.

Schließlich wollten die New Yorker ja herausfinden, ob man seine Gangster in Zukunft lukrativ auf Nintendos Publikum loslassen kann. Und? Nein, kann man scheinbar nicht. Auch für ambitionierte Dritthersteller mit anderen starken Marken wie Resident Evil oder Metal Gear Solid bedeutet diese Bilanz: Finger weg vom Handheld! Scheinbar sind DS und damit auch Wii selbst gegen starke Spielspaßviren wie GTA & Co immun.

Woran liegt es, dass GTA auf dem DS nicht zieht? Dass erstklassige Spiele ohne großen Namen manchmal von der Presse verkannt und/oder an der Ladentheke ignoriert werden, ist ja ein bekanntes Phänomen - man denke an Amplitude, Beyond Good & Evil oder Shadow of the Colossus. Qualität und Awards alleine reichen häufig nicht aus, um die träge Masse zum kreativen Kauf zu bewegen.

Aber dass hier ein erstklassiges Spiel mit einem großen G, dazu einem T und dann noch einem A im Namen sowie reichlich internationalem Pressejubel und ordentlich Marketing im Nacken keine Fahrt in den Charts aufnimmt, regt die Ursachenforschung an. Müssten die drei Großbuchstaben alleine nicht schon für Hype und Umsatz ausreichen? Normalerweise rennt die Zockerherde heiligen Markenhirten doch blind und voller Vorbestellgeifer hinterher: Halo, blööök, Mario, blööök, Need for Speed, blöööd.

GTA ist auch so ein Hirte mit Anziehungskraft - wo liegt dann das Problem? Dass Take-Two nicht Nintendo ist? Immerhin hat sich Rockstar im Gegensatz zu vielen anderen Drittherstellern, die auf dem DS nur portieren oder wie Square-Enix Altes mit wenig Aufwand reproduzieren, kreative Gedanken um die Kriege in Chinatown gemacht: Die Entwickler haben nicht nur das Artdesign und die Steuerung angepasst, sondern auch eine neue Story eingeflochten und das Spieldesign bereichert. Wie lautete noch Pauls Fazit?

"Ein brillant designtes, fantastisch präsentiertes und hoch motivierendes Ballerfest für den erwachsenen DS-Besitzer - Wertung: 90%."

Hey, was will man mehr? Hinzu kommt, dass es theoretisch noch eine Genre- und Zielgruppen-Lücke auf einer Plattform füllt, die fast schon so selbstverständlich zum Haushalt gehört wie ein Kühlschrank: Weltweit hat sich der DS in all seinen Varianten 100 Millionen Mal verkauft und auf ihn fallen pro Jahr etwa 35 Prozent des systemübergreifenden Softwareumsatzes. Müsste da nicht auch wenigstens etwas sechsstelliger Platz sein für ein klitzekleines GTA? Davon träumen viele Dritthersteller, aber der Kuchen ist einseitig verteilt. Nintendo beherrscht seine Plattform fast schon inzestuös - die beliebtesten Spiele und Chartstürmer kommen fast immer aus eigenem Hause. Und sie sprechen in erster Linie Kids und die Familie an, was man vom ballernden Chinesendealer nicht behaupten kann. In den deutschen DS-Charts der 15. Kalenderwoche steht GTA übrigens auf Platz 7 hinter zwei Gehirn joggenden Kawashimas und knapp vor "My Baby Girl" - na, das ist doch was! An der Spitze dominieren Mario Kart, Prof. Layton und New Super Mario. Alles klasse Spiele, gar keine Frage. Aber ist da wirklich kein Platz für erwachsene Action auf dem DS? Oder ist da niemand, der sie haben will?

Wer steckt denn hinter den 100 Millionen? Schauen wir mal genau hin. Laut Nintendo sind die Hälfte davon Frauen. Okay, das würde einiges erklären. Aber wie müsste die andere Hälfte besetzt sein, damit ein GTA keine Chance hat? Sind das alles Rentner, Casual-Männer und Kinder? Schwierig, schwierig.

Vielleicht ist GTA ja auch ein Opfer des Raubkopierproblems? Dieses Gespenst geistert nicht, sondern grassiert geradezu auf dem DS und vertreibt den Umsatz in Millionenhöhe. Außerdem haben sich scheinbar viele Familien in Zeiten der Krise an dieses günstige Spuken gewöhnt. So mancher Händler berichtet gerade von quittungsbewaffneten Müttern, die den neuen DSi zurückbringen und empört ein Modul auf die Ladentheke klatschen:

"Entschuldigung, wieso laufen die alten Spiele nicht mehr auf diesem neuen Gerät? Laut Anleitung soll das doch wohl gehen! Hier, das können sie sofort überprüfen - ich hab die Sammlung meines Sohnes mitgebracht!"

Vielleicht ist GTA auch Opfer eines kombinierten familiären und soziologischen Zielgruppenproblems, das ich gerade erfunden habe - auch FaSoZiP genannt: Was wäre, wenn Raubkopierer und Familien und Desinteresse deckungsgleich sind? Damit könnte man die gesellschaftlichen Ursachen der Verkaufspleite identifizieren!

Da draußen gibt es also 50 Millionen sparsame und damit überaus raubkopierverdächtige Frauen, die den DS ja auch mal ihren Freundinnen, Männern oder Kindern anvertrauen wollen. Und die mögen einfach keine Gangster, die selbige mit Drogenhandel, Drive-by-Shootings & Co versauen. Das wissen etwa zehn Millionen grundsätzlich raubkopierinteressierte und überaus minderjährige Jungs mit eigenem DS, die das Spiel ja erst gar nicht offiziell kaufen dürfen, aber natürlich haben wollen, weil der große Bruder das coole GTA IV für PS3 und 360 zockt. Das wissen wiederum zehn Millionen große und überaus raubkopierbegeisterte Brüder mit eigenem DS, die dem Nachwuchs gönnerhaft das kleine GTA für lau besorgen, da sie selbst nur mit Nico Bellic in HD durch New York cruisen. Die restlichen 24,9 Millionen überaus unschuldigen Schwestern bzw. Mädchen mit eigenem DS kaufen sich lieber "Mein Hase", "Mein Pferd", "Mein Meerschweinchen" oder "Mein Make-up-Trainer".

Unterm Strich bleiben also weltweit noch knapp 100.000 volljährige und überaus gesetzestreue Hardcore-Zocker. 89.000 davon haben bereits in den USA zugeschlagen, die restlichen 11.000 wahrscheinlich in Europa und Japan. Bleibt also keiner übrig. Aber das ist kein Grund zur Besorgnis für Take-Two - man muss nur seine Strategie anpassen und das Spieldesign etwas ändern, wenn man die DS-Charts stürmen will: Wie wäre es mit einer offenen Prärie voller Wildpferde, dazu ein paar Städte voller Accessoires vom Zaumzeug über Stiefel bis hin zum trainierbaren Murmeltier? Wie wäre es mit Grand Theft Pony: Western Girls? Das sprengt die 100.000 in drei Tagen in der Schweiz! Das hat weltweit Zukunft auf dem DS! Das macht Mamas nicht misstrauisch! Papas erst recht nicht! Das ist auch noch lukrativ! Es sei denn, die 24,9 Millionen lieben Mädchen holen ihre bösen Brüder...


Jörg Luibl
Chefredakteur

 

Kommentare

Maxwell72 schrieb am
Mich wunderts auch nicht das Spiele wie GTA auf dem DS nicht so laufen - die Zocker in meinem Bekanntenkreis die sich für GTA interessieren würden haben ausnahmslos nen PC und ne PS3. Da stellt sich die Frage nach dem DS nicht mehr.
Den DS der bei mir rumliegt habe ich aber dennoch aus verschiedenen Gründen liebgewonnen:
- er war das erste "nützliche" giveaway das ich auf ner messe bekommen hab
- er hält das zarte Pflänzchen "Spieltrieb" bei meiner Freundin am leben
- er hat den 10 Jährigen auf unserem letzten Segeltrip für eine ganze Woche quasi paralysiert
- die ein oder andere Stunde am Flughafen oder im Zug schrumpfte auf gefühlte 10 Minuten
So gesehen bin ich ein richtiger Fanboy - aber GTA, etc. ? Nö !
johndoe300991 schrieb am
Was für eine dämliche Kolummne!
Selbst Millionenseller wie Mario&Sonic bei den Olympischen Spielen und New Super Mario Bros. haben sich im ersten Monat nur 45.000 mal verkauft.
DS-Spieler kaufen anders als z.B. XBOX 360 Spieler ihre Spiele nicht sofort zum Release, sondern erst, wenn sie sie im Kaufhaus entdecken oder von einem Freund empfohlen bekommen.
Man könnte meinen ein seriöser Redakteur wüßte das; aber so ein simples Nintendo-Bashing will man sich ja nicht durch Fakten vermiesen lassen. :roll:
Lt. Körschgen schrieb am
@Wulgaru: Och es gibt schon auch heute noch ein paar Ausnahmen.
Capcom enttäuscht über Devil May Cry 4 Verkaufszahlen (PC)
http://www.capcom-unity.com/kramez/blog ... s_and_more
Ubisoft enttäuscht über Prince Of Persia und Far Cry 2
http://www.gamasutra.com/php-bin/news_i ... tory=21475
EA enttäuscht über Mirror's Edge und Sims Online
http://www.gamona.de/games/mirror-s-edg ... 68182.html
http://www.krawall.de/web/Sims_Online/news/id,5855/s,,
Eidos über Tomb Raider Underworld
http://gamgea.com/2009/01/14/tomb-raide ... ttaeuscht/
Dass es früher mehr waren, kann und will ich nicht belegen, das behaupte ich jetzt einfach mal. Je mehr die Branche gewachsen ist, desto "ökonomischer" wurde sie nun mal. Das ist ja leider ein normaler Vorgang. Ich hoffe du willst mir nicht erzählen, dass Ehrlichkeit in Wirtschaftskreisen eine Tugend sei?
narucheck 95 schrieb am
"Halo, blööök, Mario, blööök, Need for Speed, blöööd."
LOL :D :D lest ma bei nfs genau
schrieb am