Kommentar

hundertprozent subjektiv

KW 21
Montag, 18.05.2009

iPhone für Spieler? Ja, bitte!


Wenn Michael die Gelegenheit bekommt, nach Las Vegas zu zischen, dann lässt er sich nicht lange bitten. Genau genommen hört man bei solchen Vorkommnissen nur ein durchdringendes Jauchzen, gefolgt von einem Michael-förmigen Loch in der Wand Richtung Flughafen. Vor anderthalb Jahren nutzte ich diese Gelegenheit, um mir vom Reisenden den frisch erschienenen iPod touch mitbringen zu lassen. Was so ziemlich meine beste Investition seit dem Ehering und den »Ja, ich will!«-Textkärtchen war.

Der touch ist meiner Meinung nach nicht nur die beste Musikmaschine weit und breit, ich habe ihn eine Zeit lang auch als Videoplayer benutzt, was aufgrund des großartigen Displays gerade auf langen Flügen der perfekte Zeitvertreib war. Doch ab dem Sommer des letzten Jahres wurde alles anders; ich fing an, die Videos vom touch zu schmeißen - da sie einfach zu viel Platz in Anspruch nahmen, den ich für die Spiele brauchte, die mit der Eröffnung des AppStores über mich hereinbrachen! Genau genommen habe ich mich zu Anfang tierisch geärgert, da ich mir sofort zum Releasetag Bejeweled 2 gekauft hatte, damit aber noch nix anfangen konnte - das für Apps benötigte Update 2.0 wollte und wollte nicht erscheinen, so dass ich ohne das Spiel zur E3 fliegen musste. Der Horror!

Tja, das war damals. Mittlerweile habe ich mehr als 150 Programme und Spiele für den kleinen Kasten gekauft, der bei mir zuhause nach wie vor nur »Wundergerät« heißt. Während ich in der S-Bahn unterwegs bin, baue ich Türme, um einfallende Kreaturen der Nacht aufzuhalten, übe ich das Schreiben von Kanji, stapele ich glitzernde Steine neben- und übereinander, erfreue ich mich an dem wunderbar in die neue Zeit transportierten Pole Position. Ich lese in der Ilias von Homer, ich befreie Geiseln mit dem Hubschrauber, ich lotse mit breitem Grinsen ein Dutzend Maschinen gleichzeitig auf einen Flughafen, ich baue Türme und Türme. Ich schwinge den Golfschläger, ich fahre heiße Drifts, ich schlage nach was »rallentando« bedeutet, ich schicke Aliens des Todes in die Kerkerdimensionen zurück, ich baue mehr Türme. Ich lasse mich von wild blinkenden Alphabeten hypnotisieren, ich hole Jugenderinnerungen mit Pinball Dreams zurück, ich lasse Peggle-Kugeln hüpfen, ich zerfetze mehr vertikal an mir vorbeiscrollende Gegner als in der Spielhalle, ich baue zur Abwechslung einen Turm oder zwei. Ich lasse putzige kleine Knuddelhasis im Kreis niesen, ich habe die Macht über Gerüste bauende Affen, ich lege mich mit Satan oder einem seiner besseren Kumpels persönlich an, ich zerhackstücke Robo-Hitler - und dann baue ich zum Tagesabschluss schon wieder Türme, weil's so irre viel Spaß macht. All das in meiner Hand, ganz ohne Knöpfe auskommend, ganz ohne erforderlichen Modulwechsel, ganz ohne mit Spielen vollgestopften Rucksack. Ich liebe dieses Teil! Ich habe einen DSi, ich habe eine PSP, die ich beide hege und pflege - aber unterwegs packe ich doch meistens den touch aus. Was nicht nur an meinem fantastischen Musikgeschmack liegt.

Was mich am meisten an dem kleinen Gerät fasziniert ist die Aufbruchsstimmung, die gegenwärtig noch im AppStore herrscht, und die mich angenehm kribbelnd an goldene C-64- und Amiga-Zeiten erinnert: Jeder, der etwas Ahnung von objektorientierter Programmierung sowie 99 Dollar für die Entwicklungsumgebung hat, der kann sofort loslegen und sein Glück suchen. Einfach so. Keine Rechte-Beschränkungen, keine gigantischen Royalties - mach was, vielleicht wirst du ja reich damit! Das finde ich super. Das Ergebnis ist eine gigantische Spielwiese für experimentierfreudige Entwickler, die außer den Apple-eigenen Qualitätskontrollen und Freigabemechanismen keine Grenzen kennt. Klar wird da hemmungslos abgekupfert, und klar gibt es im AppStore auch jede Menge Rotz - aber gleichzeitig auch unzählige intelligente Spielkonzepte, die auf anderen Plattformen kaum bis gar nicht umzusetzen wären. Und das, wo das Gerät noch keine zwei Jahre alt ist; einen derart rasanten Software-Output gabs noch nie! Und dabei reden wir noch nicht mal davon, dass der iPod touch bzw. das iPhone meines Wissens nach die einzige Plattform ist, auf der man vollwertige Spiele für 79 Cent bekommt. 79 Cent! Mein Frühstücksbrötchen kostet mehr! Während man am DS oder der PSP dankbar dafür sein muss, wenn ein Spiel mal für 25 Eier erhältlich ist, habe ich im AppStore noch nie ein Game gesehen, das selbst zur Veröffentlichung mehr als neun Euro kostet. Und nur hier hat der Entwickler selbst die Möglichkeit, frei nach Gusto über den Preis zu entscheiden, selbst wenn das Programm bereits draußen ist. Mutti hat Geburtstag? Hauen wir das Spiel dann eben heute mal für weniger als einen Euro raus? Morgen wieder teurer? Och, mal gucken. Updates, die nicht nur Bugs fixen, sondern immer wieder neue Levels, Spielmodi oder sonstige Erweiterungen bringen, sind in aller Regel kostenlos - sowas ist man ja fast nicht mehr gewohnt. Ich kenne keine Plattform mit derart flexibler Preisstruktur! Dadurch muss mal zwar am Ball bleiben wenn man ein Schnäppchen machen will, aber zum einen befriedigt just dies meinen Jäger und Sammler-Instinkt, zum anderen gibt es für faulere Momente schon wieder günstige Apps, die mir genau diese Aufgabe abnehmen. Und hey - von den meisten Spielen gibt's auch kostenlose Demos.

Ich verstehe natürlich gut, dass man mit dieser ganzen Faszination nix anfangen kann: Zum einen ist natürlich das Problem der fehlenden Eingabemöglichkeiten nicht zu unterschätzen, das es schwierig bis unmöglich macht, die sonst so übliche Schnell-mal-runterkonvertieren-Schiene zu fahren - oder vom Spieler unnatürlichere Verrenkungen als das Kamasutra verlangt. Zum anderen ist der iPod technisch zwar weit über dem DS und etwa auf Augenhöhe mit der PSP anzusiedeln, was man ihm aber nicht sehr oft ansieht - die meisten Spiele passen sich der simplen Eingabe an und präsentieren eine ähnlich schlichte Hülle. Aber auch da erwacht in mir abermals der »Hey, früher war eh alles besser!«-Wolf, der sich unermüdlich sagt, dass ein Spiel nicht wie Gears of War aussehen muss, um Spaß zu machen. Mal ganz davon abgesehen, dass Spiele wie Supercross 2XL, iDracula, Let's Golf oder Ferrari GT: Evolution problemlos zeigen, wo der Hammer hängt. Aber genau wie seinerzeit beim DS muss man dem iPod touch bzw. dem iPhone eine Chance geben und nicht gleich nach dem ersten Blick auf die Grafik oder dem ersten Herumgebatsche auf dem Touchscreen den Player ins Korn werfen und als unausgereiften Freakkiste abschreiben. Denn dazu steckt viel zu viel Wolf in dem kleinen, glänzenden Schaf.

Paul Kautz
Leitender Redakteur


 

Kommentare

ze.d schrieb am
Amen :wink:
johndoe504156 schrieb am
MiroLus hat geschrieben:
SingendeElch hat geschrieben:Das Gleichwertig bezog sich auf die Rechenleistung.
Ich möchte eigentlich nicht mehr viel zu der eigentlich überflüssigen Diskusion sagen ausser:
Es ist schon lustig, dass hier fast nur Leute gegen IPhone Spieletests sind, die selber kein IPhone haben.
Wer es einmal ausprobiert hat ist fast immer begeistert davon.
Leiht euch mal 1-2 Wochen ein IPhone aus und testet es. Dann könnt ihr über die Steuerung meckern. Nur vom in der U-Bahn neidisch bei jemandem über die Schulter schauen kann man sich kein Bild machen.
gruß Elch
Tja es lassen sich halt wenige vom Apfel verarschen und holen sich ein überflüssiges Schnickschnack Handy mit einem Vertrag mit Abozockergarantie. Aus diesem Grund hält sich auch meine Begeisterung in Grenzen.
Was das sich öffnen angeht würde es mir auch sehr viel einfacher Fallen wenn es nicht soviel kosten würde wie 360 und PS3 zusammen. (Handy + Vertrag)
Ganz großer Vergleich, einen Handyvertrag mit einem Gegenstand zu vergleichen. Wie war das mit den Äpfeln und Birnen?! Ach egal, du bist ja einer der "Schlauen", der sich nicht verarschen lässt. Man gibt es viele dumme Menschen, die alle ausnahmslos begeistert sind, vielleicht sind ja irgendwelche Substanzen im IPhone versteckt, die die Sinne der Benutzer vernebeln.
XBoxer360 schrieb am
ja, aber nur wenn die grafik noch ein bisschen verbessert wird.
Rej2611 schrieb am
naja könnte vielleicht gut für unterwegs oder zwischendruuch sien, aber auf Dauer, nein danke.
schrieb am