Kommentar

hundertprozent subjektiv

KW 48
Freitag, 02.12.2011

Der Reiz der Durchschnittlichkeit


Was ich dieses Jahr u.a. noch nicht angefasst habe: Forza 4, Batman: Arkham City, Saints Row: The Third, Zelda: Skyward Sword, Skyrim, Uncharted 3, Dark Souls, DiRT 3.

Was ich privat durch- oder zumindest länger als zum Test unbedingt nötig gespielt habe: X-Men Destiny, Disney Universe, Air Conflicts: Secret Wars, Harry Potter und die Heiligtümer des Todes - Teil 2.

Die Frage ist also: Was stimmt nicht mit mir? Da liegt Portal 2, eines der nachweislich cleversten und unterhaltsamsten Spiele aller Zeiten, gelangweilt bei mir herum, und ich rege mich lieber über die unfassbar beschissene Gummiband-KI in Need for Speed: The Run  auf, während ich vom West- zum Ostend der USA rase. Okay, zugegebenermaßen hat das nicht mal so lang gedauert wie das Ansehen der Blu-ray von Transformers 3, aber die seelische Qual war in etwa vergleichbar. Gears of War 3 habe ich durchgespielt, aber verteilt auf einen Zeitraum von zwei Monaten - weil ich zwischendurch einfach keine Lust auf die gepanzerten Nervbacken und ihre Kettensägenbajonette hatte und mich lieber an den Grinsefiguren von Disney Universe erfreute. Ist es Übersättigung, ist es ein Gendefekt, bin ich einfach zu alt für den Scheiß? Danny Glover, hilf!

Ich denke, dass der Grund vor allem darin liegt, dass es ab und zu einfach gut tut, nicht nur die auf Perfektion polierte Hochglanzware vor sich zu haben, sondern einfach tatsächlich, frei nach der DWS-Werbung, gelegentlich absichtlich zum zweitbesten Fisch oder Steak zu greifen. Warum geht man denn freiwillig zu McDonalds, wenn nicht weit entfernt ein Block House wartet? Das Geld mag eine Rolle spielen, aber ich denke, dass es auch damit zu tun hat, dass man nicht immer das Geilste vom Geilsten braucht. Ab und zu will man einfach nur satt werden, ohne dass man dazu nur die feinsten Zutaten verschlingen muss. Genau so ist das auch bei Spielen: Klar möchte ich nie wieder ohne God of War sein, aber zwischendurch bereitet mir auch ein halbgarer Klon wie X-Men: Destiny Freude. Die Spielewelt wäre ohne Bulletstorm eine schlechtere - und trotzdem hat GoldenEye: Reloaded eine Existenzberechtigung. Transformers 3: Dem Spiel habe ich im Test eine 60 an den Kopf genagelt, und trotzdem habe ich es durchgespielt. Weil es so kurz war? Weil es einfache Achievements regnete? Oder weil es mir schlicht nicht weh tat, dieses Spiel in seiner Gänze zu erleben?

Bin ich deswegen inkonsequent? Denn wenn ich damit nachweislich meinen Spaß hatte - wieso dann "nur" eine 60? Hätte dieses Spiel dann nicht mindestens eine 80 verdient? Und da wären wir mal wieder beim alten Thema der Wertungsdiskussion angelangt. Mein Punkt ist in diesem Fall folgender: Nein, das Spiel hat keine 80 verdient, nur weil es Spaß macht. Es ist genau andersrum: Nur weil es lediglich eine 60 kassierte, bedeutet das nicht, dass es keinen Spaß macht. Eine 50 ist kein Totalverriss, unter gewissen Umständen ist selbst ein 40er-Titel für den einen oder anderen launigen Nachmittag durchaus empfehlenswert.

Worauf ich hinaus möchte: Habt Mut zur Durchschnittlichkeit! Nicht jedes Spiel muss Quadruple-A sein, nicht jedes braucht Barack Obama und den Dalai Lama als Sprecher für die Zwischensequenzen, nicht jedes muss ein Terabyte an hoch aufgelösten Texturen haben. Manchmal reicht simples, uninspiriertes, durchschnittliches Design, um damit einfach nur primitiven Spaß zu haben. Nicht immer, oh nein! Aber ab und zu.

Paul Kautz
Leitender Redakteur

P.S.: Dead Island zählt nicht dazu. Das war selbst mir nach einer halben Stunde zu doof

 

Kommentare

kamm28 schrieb am
Vielen Dank, genau so etwas habe ich gesucht.
johndoe702031 schrieb am
kamm28 hat geschrieben:
mr archer hat geschrieben:Als Freund abseitiger Ostblock-Shooter dürfte klar sein, dass ich Paul hier natürlich beipflichte...
Oh, noch so einer! Ich hatte letztens noch viel Spaß mit You are empty (schön skurrile Atmosphäre) und Alpha Prime (herausfordernder Schwierigkeitsgrad; außerdem ein Trash-Fest, was die Dialoge angeht), ferner mit Operation: Matriarchy.
Was gibt es sonst noch für Spiele aus diesem Sektor, die sich lohnen könnten?
Wo ich's grad lese: Da hat der Kerl nen eigenen Special-Interest-Thread zu, der dich interessieren dürfte:
http://forum.4pforen.4players.de/viewto ... 4&t=114912
Kein Plan was da für fiese Schweinereien abgehn, da für mich das Thema nicht so spannend ist, aber wirf da unbedingt mal einen Blick rein.
kamm28 schrieb am
mr archer hat geschrieben:Als Freund abseitiger Ostblock-Shooter dürfte klar sein, dass ich Paul hier natürlich beipflichte...
Oh, noch so einer! Ich hatte letztens noch viel Spaß mit You are empty (schön skurrile Atmosphäre) und Alpha Prime (herausfordernder Schwierigkeitsgrad; außerdem ein Trash-Fest, was die Dialoge angeht), ferner mit Operation: Matriarchy.
Was gibt es sonst noch für Spiele aus diesem Sektor, die sich lohnen könnten?
Tshyk D Ghost schrieb am
Mert_90 hat geschrieben:Manchmal packe ich einfach meine alte Spiele raus zb Age of Empires 2 , obwohl neben dem Stappel ein Age of Empires 3 gibt.
Liegt einfach daran das AOE 3 der größte Dreck ist ^^
back2topic:
Ich als schüler mit sehr eingeschränkten finanziellen mittel muss mir immer sehr genau anschauen, welche spiele ich mir kaufe und welche nicht, weil eine "falsche" entscheidung sich auch längefristig bemerkbar macht. Mittelmaß ist einfach nicht genug; ich will für mein Geld auch was haben
johndoe702031 schrieb am
Kann dem Kommentar nur beipflichten. Ich habe nicht nur Zweifel an der Wertungspraxis (= es werden viel zu oft viel zu gute Wertungen vergeben, harte Kritik ist doof und tut ja weh, alles unter 75% ist sowieso draußen), sondern auch an der Wertungshörigkeit auf Seiten vieler Spieler, die manchmal zu treudoof dem blinkenden Award hinterherhecheln - so zumindest mein Eindruck. Wertungen sind allenfalls lose Indizien für möglichen Spielspaß, und das auch nur, wenn man den Tester halbwegs gut kennt. Zudem sind Wertungen für mich weit mehr als nur subjektiv oder intersubjektiv, ich glaube dass gerade die Vernetzung der Magazine (auch durch z.B. Metacritic) auch dazu führt, dass Wertungstrends vorgegeben und nachgemacht werden. Man kann die Wertungen der anderen kaum ignorieren und ich denke, dass es hier erhebliche Anpassungseffekte untereinander gibt, ob bewusst oder unbewusst. Daher glaube ich auch, dass Wertungen zur individuellen Spielspaß-Prognose überbewertet sind und natürlich auch "durchschnittliche" Spiele voll Bock machen können, manchmal sogar mehr als die glattpolierten, oft austauschbaren und berechenbaren AAAAAAA-Blockbuster-Gelddruckmaschinen.
Soweit die Theorie. In der Praxis muss ich aber leider zugeben, dass ich zu 90% Games kaufe, die schon so grob über 80% bei den meisten Mags landen. Bei mir ist das vor allem ein Zeitproblem. Ich habe halt früher viiiiiiel mehr gezockt, heute sind es nur noch so 3-4 Titel pro Jahr (ok, meist sind's dafür auch die großen Zeitfresser). Da wird man automatisch fokussierter, selektiver und experimentiert weniger herum. Die Streuung lässt nach, und auch gewisse Wertungs-Scheuklappen sind dann kaum zu vermeiden. Das ist schon etwas schade, ich glaube mir entgeht dadurch auch sehr viel Gutes/Abgefahrenes/Trashiges etc. In den 90ern bis hinein in die 2000er habe ich mir nie irgendwelche PC-Magazine gekauft, Wertungen waren mir generell völlig wumpe, dutzende Spiele habe ich einfach durch Mundpropaganda oder als...
schrieb am