Michael Krosta
Langsamspieler - Segen oder Fluch?Ein Kommentar von Michael Krosta, 30.05.2012
Michael: „Hey Paul. Du hast doch damals Rage getestet. Ich bin jetzt gerade an dieser Stelle hier. Dauert es eigentlich noch lange, bis ich durch bin?“

Paul: „Ich schätze mal, so zwei bis drei Stunden wird es noch dauern. Wie lange bist du denn schon dran?“

Michael: „Bin jetzt so bei 16 Stunden.“

Paul: „Ernsthaft? Da war ich schon seit vier Stunden fertig.“

Typisch. Es gibt Leute, die verspeisen Spiele scheinbar zum Frühstück. Kaum eingelegt, flimmert auch schon der Abspann über den Bildschirm. Rein, fertig, nächstes! Und ich gehöre definitiv nicht dazu. Warum? Weil ich lahm bin. Ja, ich gebe es zu: Ich bin einer dieser Langsamspieler, von denen man hin und wieder hört - auch im Gespräch mit Kollegen. Aber warum ist das so? Vielleicht weil ich die Angewohnheit habe, jede versteckte Ecke in der Spielwelt erkunden zu wollen - selbst dann, wenn es sich nur um einen geradlinigen Shooter handelt. Man kann ja nie wissen: Vielleicht haben die Entwickler ja irgendwo noch ein cooles Easter Egg versteckt oder ich finde geheime Bereiche oder coole Objekte! Es ist die ständige Angst, irgendetwas zu verpassen, wenn man nicht alles genau untersucht.

Die traurige Wahrheit: Meist verpasst man nichts, wenn man in jeden Winkel kriecht. Aber trotz dieser Erfahrung, werden auch die Schauplätze im nächsten Titel wieder ganz genau von mir unter die Lupe genommen. Warum nur, warum? Ich bin wohl einfach zu optimistisch, in jedem Spiel doch noch das versteckte Juwel zu finden, das mir sonst entgehen würde. Tatsächlich beneide ich manchmal die Leute, die keinen Gedanken daran verschwenden und dafür im Gegenzug flott voran kommen. In diesen Momenten empfinde ich das Dasein als Langsamspieler als Fluch, denn so hart es klingt: Das Erkunden der Spielwelt ist - ganz nüchtern betrachtet - oft reine Zeitverschwendung! Wenn ich daran denke, was ich in der Zeit des sinnlosen Umherstreifens hätte alles machen können... Der Stapel an Spielen und Filmen, die ich endlich erleben möchte, wäre jedenfalls um einiges kleiner!

Doch es gibt zum Glück eben auch die anderen Momente wie die traumhafte Aussicht hinter einer versteckten Höhle, die Superwaffe am entgegengesetzten Ende der Marschroute, der unverhoffte Bonusabschnitt oder das seltene Item, das die Speedrunner niemals zu Gesicht bekommen oder gar besitzen werden. Nicht zu vergessen, dass ich de facto mehr vom Spiel habe - allein deshalb, weil ich mehr Zeit mit ihm verbringe, was gerade bei herausragenden Titeln nicht zu verachten ist. Während sich die flotten Zocker nach dem Ende vielleicht wünschen, weitere Stunden in einer faszinierenden Spielwelt zu verbringen, bin ich noch mitten drin. Hach, ist es manchmal nicht doch ein Segen, Langsamspieler zu sein?

Okay, für unseren Job ist es eher suboptimal - bei so vielen Testmustern kann man vor allem bei der Flut an neuen Titeln im Herbst nicht immer so entspannt spielen, wie man es privat tun würde. Und trotzdem bemerke ich, auch im Testtrott immer wieder auf die Bremse zu treten - und das nicht nur in Rennspielen. Oft trägt einfach die Gewohnheit ihren Teil dazu bei: Als Fan von Reihen wie Splinter Cell, Metal Gear oder Ghost Recon erwische ich mich dabei, selbst in einem Moorhuhn-Shooter wie Call of Duty eher bedacht und vorsichtig vorzugehen - und das, obwohl ich es eigentlich gar nicht müsste. Wer weiß: Wirkt sich vielleicht auch meine „Jugendliebe“ für Adventures von LucasArts & Co auf mein heutiges Spielerverhalten und den Drang zum Absuchen aus, obwohl ich mittlerweile ganz andere Genres bevorzuge? Auch Spiele wie Last Ninja & Co haben ihre Spuren hinterlassen: Wer hier im ersten Level nicht die Augen aufgemacht hat, saß im letzten plötzlich ohne den benötigten Gegenstand da. Pech. Das waren Erfahrungen, die mich geprägt und zu dem gemacht haben, was ich heute bin: Ein Langsamspieler! Aber was ist es denn nun: Segen oder Fluch - was meint ihr?

Michael Krosta
Redakteur   

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