Kommentar

hundertprozent subjektiv

KW 22
Mittwoch, 30.05.2012

Langsamspieler - Segen oder Fluch?


Michael: „Hey Paul. Du hast doch damals Rage getestet. Ich bin jetzt gerade an dieser Stelle hier. Dauert es eigentlich noch lange, bis ich durch bin?“

Paul: „Ich schätze mal, so zwei bis drei Stunden wird es noch dauern. Wie lange bist du denn schon dran?“

Michael: „Bin jetzt so bei 16 Stunden.“

Paul: „Ernsthaft? Da war ich schon seit vier Stunden fertig.“

Typisch. Es gibt Leute, die verspeisen Spiele scheinbar zum Frühstück. Kaum eingelegt, flimmert auch schon der Abspann über den Bildschirm. Rein, fertig, nächstes! Und ich gehöre definitiv nicht dazu. Warum? Weil ich lahm bin. Ja, ich gebe es zu: Ich bin einer dieser Langsamspieler, von denen man hin und wieder hört - auch im Gespräch mit Kollegen. Aber warum ist das so? Vielleicht weil ich die Angewohnheit habe, jede versteckte Ecke in der Spielwelt erkunden zu wollen - selbst dann, wenn es sich nur um einen geradlinigen Shooter handelt. Man kann ja nie wissen: Vielleicht haben die Entwickler ja irgendwo noch ein cooles Easter Egg versteckt oder ich finde geheime Bereiche oder coole Objekte! Es ist die ständige Angst, irgendetwas zu verpassen, wenn man nicht alles genau untersucht.

Die traurige Wahrheit: Meist verpasst man nichts, wenn man in jeden Winkel kriecht. Aber trotz dieser Erfahrung, werden auch die Schauplätze im nächsten Titel wieder ganz genau von mir unter die Lupe genommen. Warum nur, warum? Ich bin wohl einfach zu optimistisch, in jedem Spiel doch noch das versteckte Juwel zu finden, das mir sonst entgehen würde. Tatsächlich beneide ich manchmal die Leute, die keinen Gedanken daran verschwenden und dafür im Gegenzug flott voran kommen. In diesen Momenten empfinde ich das Dasein als Langsamspieler als Fluch, denn so hart es klingt: Das Erkunden der Spielwelt ist - ganz nüchtern betrachtet - oft reine Zeitverschwendung! Wenn ich daran denke, was ich in der Zeit des sinnlosen Umherstreifens hätte alles machen können... Der Stapel an Spielen und Filmen, die ich endlich erleben möchte, wäre jedenfalls um einiges kleiner!

Doch es gibt zum Glück eben auch die anderen Momente wie die traumhafte Aussicht hinter einer versteckten Höhle, die Superwaffe am entgegengesetzten Ende der Marschroute, der unverhoffte Bonusabschnitt oder das seltene Item, das die Speedrunner niemals zu Gesicht bekommen oder gar besitzen werden. Nicht zu vergessen, dass ich de facto mehr vom Spiel habe - allein deshalb, weil ich mehr Zeit mit ihm verbringe, was gerade bei herausragenden Titeln nicht zu verachten ist. Während sich die flotten Zocker nach dem Ende vielleicht wünschen, weitere Stunden in einer faszinierenden Spielwelt zu verbringen, bin ich noch mitten drin. Hach, ist es manchmal nicht doch ein Segen, Langsamspieler zu sein?

Okay, für unseren Job ist es eher suboptimal - bei so vielen Testmustern kann man vor allem bei der Flut an neuen Titeln im Herbst nicht immer so entspannt spielen, wie man es privat tun würde. Und trotzdem bemerke ich, auch im Testtrott immer wieder auf die Bremse zu treten - und das nicht nur in Rennspielen. Oft trägt einfach die Gewohnheit ihren Teil dazu bei: Als Fan von Reihen wie Splinter Cell, Metal Gear oder Ghost Recon erwische ich mich dabei, selbst in einem Moorhuhn-Shooter wie Call of Duty eher bedacht und vorsichtig vorzugehen - und das, obwohl ich es eigentlich gar nicht müsste. Wer weiß: Wirkt sich vielleicht auch meine „Jugendliebe“ für Adventures von LucasArts & Co auf mein heutiges Spielerverhalten und den Drang zum Absuchen aus, obwohl ich mittlerweile ganz andere Genres bevorzuge? Auch Spiele wie Last Ninja & Co haben ihre Spuren hinterlassen: Wer hier im ersten Level nicht die Augen aufgemacht hat, saß im letzten plötzlich ohne den benötigten Gegenstand da. Pech. Das waren Erfahrungen, die mich geprägt und zu dem gemacht haben, was ich heute bin: Ein Langsamspieler! Aber was ist es denn nun: Segen oder Fluch - was meint ihr?

Michael Krosta
Redakteur   


 

Kommentare

TheoFleury schrieb am
Würden mehr Spiele ein Gesamt-Niveau wie Uncharted 4 oder Witcher 3 erreichen würde ich sie langsamer verschlingen.
ZB. Assassins Creed Origins oder Rise of Tomb Raider hatten zwar auch gute Grafik, leider überzeugte der Rest mich nicht und ich habe angefangen zu hetzen und nur noch der Hauptstory zu folgen, aber irgendwann frustriert abgebrochen weil mich weder Charaktere noch Story/Dialoge motivierten das Ende zu sehen. Wenn schon repitives Gameplay, dann doch bitte spannend geschrieben und gut verpackt.
Oder ganz aktuell Days Gone. Wird wohl auch in ein Häppchen für mich enden. Keine Ahnung ich stelle wohl zu hohe Ansprüche inzwischen. Um es auf den Punkt zu bringen: Geile Games werden langsam und erkundungsfreudig von mir gespielt, 08/15 Games versuche ich schneller zu beenden, falls überhaupt die Motivation ausreicht das Ende zu sehen.
CritsJumper schrieb am
MaxDetroit hat geschrieben:Das Division reddit kann ich die nächsten Wochen meiden, wenn ich nicht totgespoilert werden möchte. Dabei war es für mcih immer ein großer Spass mit allen anderen ein neues Spiel zusammen zu entdecken. Durch diese Politik gerade wird die ganze Community verzerrt und besonders Langsamspieler, die sich nicht die Mega-Editionen vorbestellen möchten, bleiben auf der Strecke.
Hi MaxDetroit,
danke für das ausgraben dieser Kolumne, ich hab nicht aufs Datum geschaut und kannte die noch nicht. Hat mir sehr gut gefallen.
Dein Problem kann ich nach vollziehen, auch was das Gemeinschaftsgefühl im Internet betrifft. Bei Online-Spielen ist das oft sogar noch extremer, weil man ja quasi in Echtzeit nebenher spielt und auch die anderen Spieler mit mehr Erfahrung einfach im Game drin sind.
Da kann auch der Zeitdruck blöd werden. Was hilft ist aber ganz einfach: Du musst zusammen mit einem geschlossenen Kreis, von Freunden bekannten oder einem kleinen Fan-Forum. Einfach zeitgleich das Spiel noch mal durch spielen über ein Wochenende, zwei drei Tage oder länger. Dann Einfach in Foren Tagebuch drüber führen.
Dann hat man auch den Community Part, ich kenne das stellenweise von Civilization oder bei Adventures. Das ist schon etwas nettes. Im großen ganzen Internet passt das so direkt nicht.
Die Early Access Politik ist da auch blöd. Aber das wird den Spielern halt als Mehrwert verkauft, weil es dann für sie schon losgeht und in einer etwas kleineren Gruppe. Ähnlich ist das auch bei Betas.
Ich würde wie gesagt es mit anderen Absprechen, die Spiele zu einem späteren Zeitpunkt nach zu holen wenn das große Ganze schon davon gezogen ist. Das Forenproblem ist damit aber dann trotzdem nicht durch. Da hilft dann eben nur Schnellspieler sein oder nicht in die Foren zu schauen.
So ein erneutes Spielen nach einem Jahr, hat aber auch etwas. Bei richtigen MMOs ist das oft blöd weil die Patches ein anders Einsteiger freundliches Spiel daraus gemacht haben und man vielleicht...
MaxDetroit schrieb am
Ich muss mal diese alte Kolumne ausgraben um meinen aktuellen Frust zu erklären.
Erstmal, ich spiele gerne Online Games, bei mir geht es nicht um Singleplayer Spiele. Ich mag besonders MMOs und Spiele die auf PvE Coop ausgelegt sind. Um ein paar aufzuzählen die ich in den letzten Jahren gespielt habe, wären da Final Fantasy 14, Diablo 3, Destiny, Monster Hunter World, Vermintide 2, Division, Elder Scrolls Online, um mal ein paar zu nennen. Ich mag den sozialen Part dieser Spiele, man kann sie gut mit Freunden zusammen spielen aber auch mal alleine, wenn sonst keiner online ist. Und ich kann gut dazu Musik hören, ganz entspannt. Außerdem, morgens mit einem Kaffee schaue ich dazu gerne in die Spieleforen und auf reddit Beiträge der Community zu dem Spiel das ich gerade zocke, das Drumherum macht mir auch Spass, ein wenig ein Teil der Community solch eines Spiels zu sein.
Und ja, ich bin ein Langsamspieler. Oder eher, ich bin zu einem Langsamspieler geworden, denn ich gehe arbeiten, komm abends nach Hause und habe so drei bis vier Stunden zum Zocken. Am Wochenende etwas mehr. Das war früher noch ein Vielzocker.
Heute, in der Welt der Streamer die 24/7 am Tag zocken gehöre ich zum alten, langsamen Eisen. Schlimmer noch, ich kann den Communities auf reddit nicht mehr folgen. Letzes Beispiel: Anthem. Während ich immer noch in der Kampagne hänge, beschwert sich die Community auf reddit schon über den Endgame Loot. Da scheint es nur noch Spieler zu geben die hunderte von Stunden in dem Spiel verbracht haben und jetzt an Burnout leiden, während ich mich gemütlich durch die Story Missionen arbeite. Besonders schlimm finde ich dann auch die Wahrnehmung auf dieses Spiel, während ich jeden abend erstmal durch Fort Tarsis wandere und mir alle Dialoge entspannt anhöre und danach ein paar Missionen spiele, waren die meisten anderen Spieler gefühlt schon nach drei Tagen mit der Story durch aund auf Max-Level, während ich dafür nun drei Wochen gebraucht habe. Dementsprechend...
Bambam77 schrieb am
Grundsätzlich bin ich auch jemand der eher schnell spielt, einfach desshalb weil ich neugierig bin was das Spiel noch zu bieten hat. Wenn ich aber mit Freunden über Lan nen altes Strategiespiel spiele, hab ichs auch gerne langsam und erst mal schön gemütlich armee aufbauen bis dann was passiert :)
-pacman1969- schrieb am
ich spiel lieber schnelle spiele rein raus fertig
schrieb am