von Julian Dasgupta,

Homefront: "Nordkorea war Chefvorgabe"

Homefront (Shooter) von THQ
Homefront (Shooter) von THQ - Bildquelle: THQ
Vor über einem Jahr hatte Kaos Studios Homefront abgeliefert. Der Shooter, mit dem THQ  deutlich in die Call of Duty-Kerbe schlagen wollte, legte einen recht flotten Verkaufsstart hin - danach brach der Absatz allerdings ziemlich ein.

Etwas bessere Zahlen hätten das Team allerdings vermutlich auch nicht gerettet: Beim Publisher war man nicht erpicht darauf, sich eine Niederlassung an einem teueren Standort wie New York City zu leisten. Nach der Schließung der Kaos Studios verkündete das Unternehmen, das neue Montreal-Studio werde sich um Fortsetzungen kümmern. Ein paar Wochen später wurde dann allerdings mitgeteilt: Homefront 2 wird von Crytek UK (ehemals: Free Radical) entwickelt.

Misswirtschaft & Unzufriedenheit

In einem lesenwerten Artikel bei Gamasutra blicken nun einige ehemalige Angestellte des Studios zurück auf die Produktion. Insgesamt sei das Team zu schnell gewachsen, auch habe es wegen der Unerfahrenheit der Kerngruppe teilweise Misswirtschaft gegeben. Nach Frontlines: Fuel of War seien zwar erfahrenere Leute angeworben worden, Fehler habe man dennoch gemacht. So habe man im Prinzip das erste von insgesamt drei Jahren der Produktionszeit mit Ideen verschwendet, aus denen letztendlich nichts wurde - darunter auch ein innerhalb von neun Monaten produzierter Singleplayer-Prototyp, der vorworfen wurde.

Der Abgang von Frank DeLise - einem der Gründer von Kaos - habe das Team außerdem hart getroffen. Generell habe es eine hohe Unzufriedenheit und Animositäten unter den Entwicklern gegeben. Was wiederum in einer entsprechenden Fluktuation resultierte. In der ersten Hälfte des Jahres 2010 habe man pro Woche im Schnitt einen Abgang verzeichnen müssen.

Die Situation wurde noch verschlimmert von David Broadhurst und David Schulman, die als neue Studioführung verpflichtet worden waren, fast von allen Entwicklern negativ bewertet wurden und rückblickend den Status "tyrannische Dikatoren" verpasst bekamen. Der nächste General Manager, David Votypka, sei hingegen ein netter, allerdings auch überforderter Mensch gewesen.

Gleichzeitig habe der Druck auf dem Team gelastet, ein Spiel zu liefern, das mit Call of Duty mithalten kann. Das sei so weit gegangen, dass man eine Spec Ops-Mission aus Modern Warfare 2  in der eigenen Engine nachbaute, um zu sehen, wie weit man damit kommt, und was man noch verbessern muss.

"BilsOwned"

Für Danny Bilson - bis zum vergangenen Mai Chef von THQs Core-Sparte - sei Homefront ein persönliches Lieblingsprojekt gewesen, um das er sich besonders gekümmert und sich auch in den Kreativbereich eingemischt hatte. Der Shooter sollte ein Vorzeigetitel sein, mit dem sich der Publisher quasi zurückmeldet. Einmal pro Monat hätte er außerdem Vorgaben mit hoher Priorität eingereicht - intern hätte die Phrase "getting BilsOwned" die Runde gemacht.

Sein Input habe aber in vielen Bereich  dazu beigetragen, das Spiel auch wirklich besser zu machen heißt es da. Eine Ausnahme gebe es da: Bilson habe durchgesetzt, dass es sich bei der gegnerischen Fraktion um Nordkorea gehandelt. Das Team sei klar für China gewesen, habe zuletzt noch eine Koalition asiatischer Staaten vorgeschlagen. Die Idee, dass ein solch kleiner Staat die USA angreifen würde und könnte sei unplausibel und "dumm" gewesen. Die Entscheidung für Nordkorea habe sich schlecht auf die Teammoral ausgewirkt. Es sei auch frustrierend gewesen zu sehen, wie die Presse eher damit beschäftigt war, die Story zu hinterfragen, anstatt sich das eigentliche Spiel näher anzuschauen. Der Publisher habe vermeiden wollen, dass es Probleme mit der chinesischen Regierung gibt.

Der Mann, der einen Hollywood-Background hat, habe besonders in Sachen Marketing, Regie und Sprachaufnahme gute Arbeit geleistet bzw. gutes Feedback gewesen. Er sei allerdings nicht wirklich qualifiziert gewesen, beim Gameplay mitzureden.

Allerdings lässt einer der ehemaligen Angestellten dann auch über Bilson verlauten: "Ich kann dem Typen wirklich keine reinwürgen. Er hat uns eine großartige Chance gegeben und alle Ressourcen, um das zu erreichen. Wir haben das nicht wirklich hinbekommen."

Mit seiner flapsigen Bemerkung hinsichtlich der Überstunden bei Kaos machte sich Bilson allerdings keine Freunde. Bei den Minimalerwartungen war man davon ausgegangen, sechs Monate 12 Stunden pro Tag bei sechs bis sieben Arbeitstagen pro Woche antreten zu müssen. In der Praxis seien es dann aber eher 14 bis 16 Stunden bei sieben Arbeitstagen pro Woche gewesen. Einige Mitglieder des Teams hätten diese Auslastung gar 14 Monate lang gehabt. Bei vielen hätte die Gesundheit und das Familienleben gelitten - die Aussagen THQs, dass jene Crunch-Zeit vertretbar und erwartbar gewesen war, kamen deswegen nicht gut an.

Im Gegensatz zu den öffentlichen Behauptungen des Publishers heißt es: der Regisseur John Milius (Red Dawn) habe im Prinzip kein Wort des insgesamt über 20.000 Dialogzeilen umfassenden Drehbuchs geschrieben. Viele Ideen seien von Bilson gekommen, das Gros der Arbeit habe dann C.J. Kershner von Kaos geleistet. Dass viele Entwickler, die an Homefront gearbeitet, Kaos aber bereits vor der Fertigstellung verlassen hatten, nicht in den Credits aufgeführt wurden, sei ebenfalls ärgerlich gewesen.


Kommentare

JunkieXXL schrieb am
Wenigstens leben die Mitarbeiter noch. :D Hab gerade das gelesen: http://www.welt.de/print/die_welt/wirts ... orten.html
Alter Schwede, die Arbeitsverhältnisse in manchen Unternehmen scheinen schon kriminell zu sein. Das sind die negativen Seiten des Kapitalismus. Da wird oft im Grossen wie im Kleinen die Wirtschaft über den Menschen gestellt.
Jim Panse schrieb am
Das sei so weit gegangen, dass man eine Spec Ops-Mission aus Modern Warfare 2 in der eigenen Engine nachbaute, um zu sehen, wie weit man damit kommt, und was man noch verbessern muss.
Wirklich unglaublich. Stärkt mal wieder mein Bild von dem typischen Anzugträger der mit seiner Inkompetenz, egal ob in Industrie oder Politik, wirklich alles in die Scheiße reiten kann.
sourcOr schrieb am
Das sei so weit gegangen, dass man eine Spec Ops-Mission aus Modern Warfare 2 in der eigenen Engine nachbaute, um zu sehen, wie weit man damit kommt, und was man noch verbessern muss.
Autsch.
Das Team sei klar für China gewesen, habe zuletzt noch eine Koalition asiatischer Staaten vorgeschlagen. Die Idee, dass ein solch kleiner Staat die USA angreifen würde und könnte sei unplausibel und "dumm" gewesen. Die Entscheidung für Nordkorea habe sich schlecht auf die Teammoral ausgewirkt.
Sehr ärgerlich.
Und dann noch diese horrenden Arbeitszeiten, Frust und Personalabgänge am Fließband. Da kann man noch froh sein, dass Homefront kein völliger Totalausfall geworden ist. Ich glaube auf den Entwicklern rumzuhacken, wenn das Spiel mal nicht der Hit wird, geht was diese Branche betrifft echt am Kern vorbei. Da sitzen Leute die was können, aber ausgepresst werden wie Zitronen.
the curie-ous schrieb am
Es soll mir mal einer zeigen wie man mit solch lächerlichen Arbeitszeiten, wenig Freiraum, Stress vom Chef, Stress im Privatleben und Stress im Job kreative Leute dazu ermutigt, kreative Arbeit zu verrichten.
LeKwas schrieb am
Das könnte auch daran gelegen haben, dass heute keiner mehr weiß, wer John Carter überhaupt war. Alle denken fälschlicherweise, der Filme hätte arg von Avatar und Star Wars abgekupfert, dabei basiert der Film auf einer Buchreihe aus dem frühen 20. Jahrhundert.
Das wusst ich schon: Disney blickte etwa in den 80ern auf den enormen Kassenerfolg von Star Wars, sie wollten eine eigene lukrative Sci-Fi-Filmserie aufbauen, und da fiel ihnen die kurz zuvor erworbene John-Carter-Lizenz ein - aber der erste Filmumsetzungs-Versuch schlug wohl fehl (weiß nicht mehr warum). Nach dem enormen Erfolg von Avatar starteten sie dann den zweiten Versuch (mit so einer Lizenz im Rücken muss man sich wohl auch nicht mehr viel Mühe beim Drehbuchschreiben geben - sehr passend für die Hollywood-Drehbuchautoren der heutigen Generation).
Was ich mit meinem Post eigentlich sagen wollte war, dass in der Filmbranche selbst Multimillionenproduktionen, die auch gar nicht so schlechte Kritiken einfahren, vor nichts sicher sind.
Ich glaube aber dass die Geldgeber und Entscheidungsräger bei Computerspielen viel eher versucht sind während der ganzen Produktionsphase einzugreifen und Dinge umzukrempeln, als beim Film. Wenn da erstmal ein gewisser Teil abgedreht ist werden Änderungen wie z.B. Nordkoreaner statt Chinesen richtig teuer, weil schon alleine wegen der Uniformen und Flaggen alles neu gedreht werden müßte.
Das stimmt, ich glaub mich auch daran erinnern zu können, dass eine interne Debatte um das Drehbuch und die Hongkong-Szene von The Dark Knight bestand, weil Warner so den chinesischen Markt verlor. Aber die Änderungskosten dürften wohl zu hoch gewesen sein, und Nolan bestand auf diese "aktualisierte" Story.
schrieb am