Forza Motorsport 4
19.08.2011 23:03, Michael Krosta

gc-Eindruck: Herr der Reifen

Viel Neues hatte Lead Designer Dan Greenawalt auf der gc nicht über Forza Motorsport 4 (ab 45,99€ bei kaufen) zu sagen, was angesichts der umfangreichen Vorstellung auf der diesjährigen E3 aber nicht weiter verwunderlich ist. Der im Rahmen der Messe enthüllte Hockenheimring als Neuzugang sieht dank der neuen Grafikengine sowie der flüssigen Bildrate von 60fps genauso ansprechend aus wie die Grand Prix-Strecke des Nürburgrings oder der bereits auf der E3 spielbare Top Gear Track. Noch eine Spur beeindruckender wirkt der kürzlich vorgestellte Alpen-Track: Mit einer fantastischen Panoramasicht inklusive schneebedeckter Berge, der atmosphärischen Ausleuchtung durch die Image-based Lighting-Technologie und traumhaft modellierten Boliden mit detaillierten Cockpits für alle Modelle, braucht man sich nicht hinter den prachtvollen Kulissen eines Gran Turismo 5 zu verstecken.

Dabei wird man zumindest einige der Kurse zu verschiedenen Tageszeiten besuchen können. Die Einführung unterschiedlicher Witterungsbedingungen wollte Greenawalt allerdings weder bestätigen noch verneinen. Es wäre schön, wenn sich die Forza-Serie auch diesbezüglich weiterentwickeln würde, denn das Fahren bei Nässe oder gar dynamische Wetterverhältnisse haben durchaus ihre Reize.

Die Karriere soll sich noch stärker auf die eigenen Vorlieben anpassen lassen als es im Vorgänger der Fall war. Laut Greenawalt kann man den gesamten Modus ausschließlich mit einem einzigen Lieblingswagen durchspielen, wenn man es möchte. Angesichts des üppigen Fuhrparks von mehreren hundert Fahrzeugen von Kleinwagen bis hin zu Renngeschossen ist diese Methode allerdings nur schwer vorstellbar.

Bei Autovista werden ausgewählte Modelle dann endgültig zum ultimativen Lustobjekt für Autonarren, wenn man nahezu jeden Zentimeter der extrem hochwertig texturierten Karossen untersuchen kann und dabei den Kommentaren der Top Gear-Tester lauscht, die interessante Aspekte der jeweiligen Fahrzeuge betrachten und dabei auch kein Blatt vor den Mund nehmen, wenn ihnen etwas nicht passt.

Neben der neuen Karriere wird man wie bisher alternativ auch einzelne Wettbewerbe aus einer großen Liste auswählen können. Abgesehen von klassischen Rennen wird es dieses Mal auch Herausforderungen wie das Überholen von Fahrzeugen auf Zeit sowie Drift-Events geben, die für mehr Abwechslung und Alternativen im Rennalltag sorgen sollen. Der Mehrspielerbereich wird ebenfalls um weitere Varianten ergänzt: So wird man u.a. beim "Autofußball" gegeneinander antreten können. Die Idee ist nicht neu, denn u.a. versuchte Konami das Konzept bei GTI Club umzusetzen – mit mäßigem Erfolg. Bleibt zu hoffen, dass die motorisierte Balljagt im Forza 4 mehr Spaß macht als dort. Viel interessanter ist ohnehin der Rivalen-Modus mit seinen 70 Wettbewerben, der vom Konzept her an Autolog aus Need for Speed erinnert. Es wird also ständig aktualisierte Ranglisten und entsprechende Mitteilungen an alle Teilnehmer geben, wann z.B. ein Fahrer auf der Freundesliste besser abgeschnitten hat als man selbst. Auto-Clubs sorgen außerdem für ein weiteres Community-Feature, das die nützliche Eigenschaft mit sich bringt, dass sich Mitglieder nicht nur Tuning-Setups und (Team-)Lackierungen, sondern auch Fahrzeuge weitergeben können. Gerade Letzteres werden viele Spieler sicherlich begrüßen, da man ohne "Zusatzkosten" Boliden benutzen darf, die man selbst eigentlich nicht in der Garage hat. Interessant dürfte allerdings werden, wie Turn 10 und Microsoft bei Inhalten aus DLC-Erweiterungen verfährt.

Bei den Online-Rennen in Echtzeit kämpfen dieses Mal übrigens bis zu 16 Fahrer um den Sieg – im Vorgänger durfte gerade mal die Hälfte in die Startaufstellung rollen. In der Karriere ist das Feld dagegen auf zwölf Boliden begrenzt. Warum der Unterschied? Ich vermute, dass die KI-Routinen und die dafür notwendigen Ressourcen ihren Teil dazu beitragen. Leider war die Zeit zu kurz, um sich ein umfassendes Bild von den künstlichen Piloten zu machen. Allerdings sind bisher weder stures Perlenketten-Fahren noch übermäßig aggressive Rempelaktionen negativ aufgefallen – und das sind doch schon mal gute Vorzeichen für packende Positionskämpfe!

Als wahrer Segen erweist sich die Stimmerkennung, die man dank Kinect verwenden kann, um in den verschachtelten Menüs blitzschnell zu seinem gewünschten Zielbereich zu gelangen. Selbst unter den suboptimalen Akustikbedingungen auf der Messe wurden die Sprachbefehle meist richtig erkannt und umgesetzt. Die Erfassung von Kopfbewegungen mit Hilfe des Kamerasystems konnten wir auf der gc leider nicht ausprobieren – auf der E3 hinterließ die Funktion allerdings schon einen guten Eindruck. Wer will, kann den Controller sogar komplett beiseite legen und nicht nur bei der Menü-Navigation oder Autovista, sondern auch beim Fahren Kinect einsetzen. Diese Variation, die z.B. schon bei Joy Ride benutzt wurde und zumindest dort nicht besonders gut funktionierte, dürfte aber ausschließlich Gelegenheitsraser ansprechen.

Aber egal, wie viele unzählige Modi der Titel bietet, wie schön die aufgebohrte Grafikengine die Kulissen sowie Fahrzeuge auf den Bildschirm zaubert und wie voll die Garage schließlich ist - bei einer Rennsimulation wie dieser ist immer noch Fahrgefühl sowie eine anspruchsvolle Physik das alles entscheidende Kriterium. Genau wie sein Vorgänger weiß auch Forza 4 in diesen Bereichen zu begeistern! Zwar gibt es erneut reichlich Fahrhilfen für Gelegenheitsspieler und auch die Rückspulfunktion macht optional alle Fehler oder Unfälle ungeschehen, doch wer eine herausfordernde Simulation will, der bekommt sie auch! Neuerdings hat man sogar die Wahl zwischen einer normalen und der noch anspruchsvolleren Simulations-Fahrphysik. Und die hat es in sich: Bei meiner Probefahrt im BMW M5 war noch mehr Feingefühl beim Gasgeben gefragt als in allen bisherigen Teilen, um das nervöse Heck vor dem Ausbrechen zu bewahren. Auch das Bremsen ohne ABS gestaltet sich deutlich schwieriger als beim Vorgänger. Damit fühlt sich Forza 4 noch einen Tick anspruchsvoller an und man hat noch mehr als früher alle Hände voll zu tun, die Flitzer auf der Strecke zu halten.

Einen maßgeblichen Teil zum erhöhten Realismus dürfte die komplett neue Reifenphysik beitragen. Turn 10 arbeitet eng mit dem Reifenhersteller Pirelli zusammen, der u.a. die Pneus für die Formel 1 entwickelt hat. Dank ausgeklügelter Routinen ist es dem Entwicklerteam möglich, die Rohdaten aus den Pirelli-Testlabors direkt und unverfälscht ins Spiel zu implementieren – ein anschließendes Editieren oder Anpassen ist nicht nötig. Ein kleiner Nachteil der Geschichte: Auch die Abnutzung des Gummis wird dieser Daten entsprechend simuliert – und die beziehen sich auf eine lange bzw. komplette Renndistanz. Da Turn 10 die Messergebnisse bewusst unangetastet lassen will, wird die Reifenabnutzung bei kurzen Ausflügen auf die Piste nicht skaliert. Gleiches gilt für den Benzinverbrauch. Boxenstopps werden folglich erneut die absolute Ausnahme bleiben – entsprechend scheint man weiterhin keine Energie in die Realisierung einer voll animierten Boxen-Crew zu investieren – schade.

Trotz dieses kleinen Wermutstropfens und den noch großen Fragezeichen hinter Wetter und KI ist Forza Motorsport 4 neben Uncharted 3 eines meiner Messe-Highlights! Das Ding fährt sich einfach super, sieht klasse aus und scheint die ohnehin schon hohe Qualität des Vorgängers noch weiter steigern zu können. Forza 4 ist die nächste Stufe in der Evolution des Konsolen-Motorsports!

gc-Eindruck: ausgezeichnet

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