von Julian Dasgupta,

Activision Blizzard: Klagedetails & Antwort

Activision Blizzard (Unternehmen) von
Activision Blizzard (Unternehmen) von
Am Abend des Montags war Jason West laut Facebook-Status-Update noch "betrunken und arbeitslos" - kaum war der einstige Chief Technology Officer von Infinity Ward, der kurz zuvor mit Studio-Chef Vince Zampella gefeuert worden war, wieder nüchtern, scheint er auch schon den Weg zu seinem Anwalt gefunden zu haben.

Laut Gamasutra haben West und Zampella Activision Blizzard verklagt und werfen dem Publisher u.a. vor, sie ein paar Wochen vor der Auszahlung der fälligen Gewinnbeteiligung bzw. Boni entlassen zu haben. (Die werden beim Hersteller für gewöhnlich am Ende des Quartals ausgeschüttet - in diesem Fall also am 31. März. - Anm. d. Red.) Activision Blizzard habe Vertragsbruch begangen und das Duo unrechtmäßig gekündigt.

Der Publisher verstoße gegen ein Gesetz im Bundesstaat Kalifornien, welches besagt, dass Angestellte für Arbeit, die sie geleistet haben, rechtmäßig bezahlt werden. Anstatt sich bei Zampella und West dafür zu bedanken und sie dafür zu loben, dass sie das bis dato erfolgreichste Spiel aller Zeiten abgeliefert haben, hätte das Unternehmen im vergangenen Monat Anwälte angeheuert, um die Basis dafür zu schaffen, die beiden unter einem falschem Vorwand loswerden zu können.

Auch bestätigen sie in der Klageschrift mehr oder weniger die Mutmaßung, dass Infinity Ward sich die Kontrolle über die Modern Warfare-Titel hatte vertraglich sichern lassen - und so auch das einzige Studio ist, dass Modern Warfare 3 entwickeln könnte, so man denn dem Mutterschiff nicht die explizite Erlaubnis gibt, das Projekt auszulagern.

Zampella merkte an:

"Die Entscheidung Activisions, unseren Vertrag aufzulösen, hat uns echt geschockt. Wir waren mit Leib und Seele dabei und haben nicht nur ein Weltklasse-Studio aufgebaut, sondern ein Team, mit dem wir voller Stolz fast ein Jahrzehnt lang zusammenarbeiten durften. Wir denken, unsere Arbeit spricht für sich selbst. Nach all dem, was wir Activision gegeben haben, sollte es eigentlich nicht noch notwendig sein, dass wir klagen müssen, um bezahlt zu werden."

Die Klage wird Activision Blizzard aber kaum überraschen, auch dürfte man dort schon etwas Geld für das juristische Geplänkel und die sicherlich folgende außergerichtliche Einigung zurückgelegt haben. In der am Montag an die US-Börsenaufsicht übermittelten Mitteilung hieß es bereits, man gehe von einem kommenden Rechtsstreit aus.

Wer die volle Klageschrift einsehen will, wird hier fündig. Dort wird u.a. erläutert, wie der Publisher seinerzeit das Studio übernahm.

Das sagen Zampella & West

Activision habe die frisch gegründete Firma unter Vertrag genommen, um Call of Duty produzieren zu lassen. Der Hersteller habe das knappe Budget zu seinem Vorteil genutzt und hätte dann 30 Prozent der Anteile für 1,5 Mio. Dollar aufgekauft. Nach der erfolgreichen Veröffentlichung des Spiels nahm Activision dann von der vorher vertraglich vereinbarten Option Gebrauch, den Rest der Anteile für 3,5 Mio. Dollar zu kaufen. Ein absolutes Schnäppchen angesichts der drei Mrd. Dollar, die man mit der Marke mittlerweile erwirtschaften konnte. (Mehr als ein Drittel davon entfällt allein auf Modern Warfare 2.)

Kotick habe den beiden Studiochefs zugesichert, dass die Unabhängigkeit Infinity Wards trotz der Übernahme bewahrt werden sollte. Sie sollten, wenn notwendig, auch dafür kämpfen, jene "Magie" im Team zu erhalten.

In dem Dokument wird auch betont, dass die Serie in der Regel mit Infinity Ward in Verbindung gebracht wird, auch wenn nicht alle Vertreter von dem Studio entwickelt worden seien. Auch wertungstechnisch hätten die IW-Produktionen immer besser abgeschnitten als die anderen Titel, heißt es da, ohne dass das andere Studio, Treyarch, konkret benannt wird.

Trotz der Zusicherung der Unabhängigkeit hätte sich Activisions Einfluss im Studio langsam etabliert. Infinity Ward sei eigentlich gar nicht so erpicht darauf gewesen, Modern Warfare 2 zu produzieren, wie der Publisher. Auch hätte einem die "aggressiven Zeitvorgaben" und der daraus resultierende Aufwand Sorgen bereitet - Activision habe wohl Quantität gegenüber Qualität bevorzugt. Man habe zudem einen kreativen Burnout bei den Angestellten befürchtet, da der Hersteller das Studio komplett auf die CoD-Reihe festlegen wollte, anstatt neue Marken zuzulassen.

Ende März 2008 hätten West und Zampella sich dann aber doch zu einer Verlängerung ihres Vertrags überreden lassen - der wäre nämlich Ende 2008 ausgelaufen. Als Gegenleistung habe Activision den beiden zugesichert, die vollständige Kontrolle über Modern Warfare und "sämtliche Call of Duty-Spiele zu geben, die in der Post-Vietnam-Ära, der näheren oder auch der ferneren Zukunft angesiedelt sind." Kein Spiel, das in diese Kategorie falle, könne ohne die schriftliche Zustimmung des Duos veröffentlicht werden. Auch sei zugesichert worden, dass man das Studio weiterhin unabhängig führen und nach dem Abschluss der Arbeiten an Modern Warfare 2 eine neue Marke angehen darf.

Auch sollten die beiden und alle anderen Angestellten von Infinity Ward eine Gewinnbeteiligung an allen CoD-Spielen erhalten, an jedem Spiel, das sich die hauseigene Engine in größerem Maße zu Nutze macht sowie an Modern Warfare 2 selbst.

Activision habe ab dem 3. Februar durch die beauftragten Anwälte einen Vorwand fabrizieren lassen, um sie feuern und die Verträge auflösen zu können. Zampella und West seien zu diesem Zeitpunkt keine konkreten Beweise oder Gründe genannt worden - "sie wüssten schon, was sie getan haben", sei da wohl nur die geläufige Antwort gewesen.

Der Publisher habe die beiden ohne große Vorankündigung einbestellt und über sechs Stunden lang in einem fensterlosen Konferenzraum "verhört". Andere Mitarbeiter hätten aufgrund der verängstigenden Atmosphäre, der Fragen und Anschuldigungen gar geweint.

Die engültigen Anschuldigungen seien West und Zampella am 1. März vorgelegt worden - Zugang zu den Interview-Protokollen oder anderen Dokumenten habe man nicht gehabt. Der Hersteller hätte dem Duo sechs Stunden Zeit gegeben zu antworten. Bis dahin habe man auch immer noch nicht gewusst, wo und wie genau man Vertragsbruch begangen haben sollte. Das habe letztendlich keine Rolle gespielt - Activision hatte zu dem Zeitpunkt schließlich schon eine Entscheidung getroffen, wie der Bericht an die US-Börsenaufsicht und die Verkündung der CoD-Strategie am 2. März zeigt.

Neben Schadenersatz, einer Entschädigung für die Entlassung fordern Zampella und West eine Anerkennung der Gültigkeit des 2008 unterschriebenden Abkommens. Demnach würden ihnen die angesprochenen Boni und Gewinnbeteiligung zustehen - insgesamt geht um einen Mindestwert von 36 Mio. Dollar. Viel wichtiger (und möglicherweise einträchtiger) ist allerdings ein anderer Punkt: Die beiden pochen darauf, nach wie vor die vereinbarte Kontrolle bzw. das Mitspracherecht zu haben, was Modern Warfare und andere moderne oder gar futuristische Call of Duty-Ableger angeht. Sollte das Gericht dies bestätigen, sollte Activision derartige Titel erst mit schriftlicher Zustimmung der beiden produzieren dürfen, so wird der Publisher tief in die eigene Tasche greifen müssen, um West und Zampella aus dem Vertrag herauszukaufen.

Das sagt Activision

Activision hat mittlerweile mit einer kurzen Mitteilung auf die Klage reagiert. Dort heißt es:

Activision ist enttäuscht darüber, dass sich Mr. Zampella und Mr. West dazu entschlossen haben, eine Klage einzureichen, und glaubt, dass sie unbegründet ist. Über acht Jahre lang haben Activision und seine Aktionäre das Kapital zur Verfügung gestellt, dass sie benötigten, um Infinity Ward zu gründen, sowie die finanzielle Unterstützung, die Ressourcen und die kreative Unabhängigkeit gegeben, die ihnen dabei halfen, zu blühen, enorme Erfolge zu feiern und (privat) reich zu werden.

Als Gegenleistung erwartete Activision rechtmäßig, dass sie ihre Verpflichtungen gegenüber Activision gerecht werden wie jeder andere höhere Angestellte, der eine Position des Vertrauens innehat. Das Unternehmen hat große Geduld bewiesen, ist aber fest davon überzeugt, dass die Entscheidung auf Basis ihres Verhaltens und ihrer Aktionen gerechtfertigt ist. Activision hält weiterhin zu der Call of Duty-Marke, an der man die Rechte hat, und wird weiterhin aufregende und innovative Spiele für Millionen von Fans produzieren.


Laut einer Memo, die G4TV zugespielt wurde, versucht Activision intern wohl Dokumente aufzustöbern, die Informationen über mögliche Pläne beinhalten, Infinity Ward in irgendeiner Form aus Activision auszugliedern - auch in Form einer Studioneugründung. Auch versucht man wohl Hinweise auf Gespräche bzw. Briefwechsel mit konkurrierenden Publishern, darunter auch EA, zu finden.


Kommentare

the_Bruce schrieb am
virdo hat geschrieben:
the_Bruce hat geschrieben:ich gleube die beiden sind auch nicht ganz sauber. Allein deren auftreten in der öffentlichkeit lasst mich daran zweifeln das die beiden freunde bescheidenheit sind.
wenn du was aus dem Bodenstampfst, über Jahre was aufbaust und ein andere nimmt es dir bzw will daran verdienen würdest du auch irgendwas dagegen machen oder eben mitsprechen wollen vorallem da sie ja anscheinend durften!
Im Prinzip richtig aber die art und weise wie sie auf ihren rechten bestanden ist unter anderen auch rufschädigend für die eigene marke gewesen. Allein über schwesterunternehmen so herzuziehen geht vieeeel zu weit. Sowas macht man hinter verschlossenen türen wie erwachsene Menschen es tun.
EvilNobody schrieb am
Voll wie bei Matrix: der böse Mr. Smith (Activision-Gorilla) fragt Neo (IW) aus und ist dabei äußerst cool.
"Was soll das, Mister Anderson? Öffentlich sind sie bekannt als ein braver Entwickler von einfallslosen Shootern. Im Untergrund sind Sie jedoch als der große Rebell bekannt, der heimlich für EA arbeitet..." etc. :lol:
Spunior schrieb am
5p|Hurgan hat geschrieben:Im Netz kursiert angeblich ein Activision-internes Memo, auf dem stehen soll, daß die beiden zu EA überlaufen wollten. Leider ist die Quelle down, weshalb man das grade schwer verifizieren kann. Offiziell hat man noch keine Angabe zu den Gründen gemacht
Steht doch alles im Artikel drin...
Außerdem steht in der Memo nur, dass sie Dokumente suchen, die das aufzeigen. Das kann genauso gut heißen, dass sie eigentlich nix Konkretes in der Hand haben. Gespräche oder gar Verhandlungen mit der Konkurrenz wären nun mal der beste Anlass für eine Vertragsauflösung, da wäre es halt praktisch, wenn es diese Dokumente irgendwo gäbe.
Daraus gleich abzuleiten, dass sich die beiden tatsächlich mit EA unterhalten haben - juchu.
Coleburn schrieb am
Träxx- hat geschrieben:
Activision hält weiterhin zu der Call of Duty-Marke, an der man die Rechte hat, und wird weiterhin aufregende und innovative Spiele für Millionen von Fans produzieren.
:lol:
Haha, genau das dachte ich mir Gestern schon, als ich den Abschnitt gelesen habe. CoD und innovativ? Vorallem jetzt unter der "Aufsicht" von Activision?
Nein, an solche Märchen glaube ich sicher nicht. :lol:
Ansonsten das "übliche" Activision Gehabe, unterhaltsam aber doch etwas verstörend. Wieso verstörend? Nun weil uns nun wohl auch bald MW 3 vor die Hände geworfen wird und die Qualität sogar noch weiter sinken wird, nur um noch mehr Geld abzusahnen. Ich weiß nicht, mich verstörte schon der Gedanke eines CoD MMOs und ich hoffe auch, dass so ein Mist uns fern bleibt.
Na ja ich werde trotzdem erstmal sehen wie dieses Geplänkel verlaufen wird, was zu lesen wird man ja definitiv haben.
Ugly Old Hurgs schrieb am
5IC hat geschrieben:Bin ich zu blöd oder hat meine Leitung heut nen Ausfall? Ich habe immer noch nicht verstanden WAS Activision den beiden den nun wirklich vorgeworfen hat was zumindest aus Sicht von Activision diese ganze Aktion (Kündigung, Security, "Verhöre", einschüchternde Stimmung) rechtfertigt. Das Statement von Activision ist ja nur pures Bla - ohne jedweden wirklichen Inhalt.
Im Netz kursiert angeblich ein Activision-internes Memo, auf dem stehen soll, daß die beiden zu EA überlaufen wollten. Leider ist die Quelle down, weshalb man das grade schwer verifizieren kann. Offiziell hat man noch keine Angabe zu den Gründen gemacht
schrieb am