Vor etwas mehr als einem Monat hatte Activision Blizzard Vince Zampella und Jason West
auf die Straße gesetzt. Das Duo, das bis dahin bei Infinity Ward alle Fäden in der Hand gehabt hatten, verschwendete kein Zeit - nur zwei Tage nach der Entlassung
verklagten die beiden ihren einstigen Arbeitgeber. Dieser habe sie gekündigt, ohne einen wirklichen Grund zu haben. Man sei um Gewinnbeteiligungen geprellt worden, auch versuche sich der Publisher aus einer Abmachung herauszuwinden, die West und Zampella ein Mitspracherecht bei zukünftigen CoD- bzw. Modern Warfare-Titeln gewährt hatte.
Einen Monat später lässt jetzt Activision Blizzard die Anwälte sprechen und holt laut
L.A. Times zur Gegenklage aus. Zampella und West hätten sich von "wertvollen, verantwortungsbewussten leitenden Führungskräften in ungehorsame, nur auf Eigennutz bedachte Ränkeschmiede verwandelt, die Activisions Assets zu ihrem persönlichen Vorteil nutzen wollten", heißt es da.
Es habe sich abgezeichnet, dass die beiden Infinity Ward "stehlen" und damit dem Unternehmen eines seiner wertvollsten Besitztümer abspenstig machen wollten - um davon noch finanziell zu profitieren.
Laut Klageschrift hätten sich Zampella und West per Privatjet auf einen "geheimen, von ihrem Hollywood-Agenten organisierten Trip nach Nord-Kalifornien begeben, um sich dort mit Leuten aus der höchsten Führungsebene von Activisions stärkstem Konkurrenten zu treffen." Ein Name wird nicht benannt - bei der Firma dürfte es sich aber logischerweise um Electronic Arts handeln. Dort hieß auf eine Anfrage hin allerdings nur: Man habe nicht die Zeit, "die ganzen Klagen zu kommentieren, die Activision gegen seine Angestellten und kreativen Partner einreicht." Ein kleiner Seitenhieb, der sich wohl auch auf den Umstand bezogen haben dürfte, dass Activision im vergangenen Jahr Double Fine Productions wegen
Brütal Legend verklagt hatte.
Activision wirft Zampella und West auch vor, den Hersteller daran "gehindert" zu haben, die Entwickler von Infinity Ward gerecht zu entlohnen für ihre erfolgreiche Arbeit. So wäre es einfacher für sie gewesen, ihren Plan auszuführen, eine neue Firma zu gründen und die Kollegen dorthin zu locken.
Dem Dokument zufolge hätten die beiden außerdem die Pre-Production von
Call of Duty: Modern Warfare 3 verzögert, welches wohl Ende 2011 veröffentlicht werden soll. Die bisherigen Gerüchte, Vertragsverhältnisse und Andeutungen hatten nahegelegt, dass Infinity Ward sich nach Modern Warfare 2 erstmal einer neuen Marke zuwenden wollte.
Update: Mittlerweile hat sich auch der Rechtsanwalt von Zampella und West gegenüber der
L.A. Times zu Wort gemeldet:
"Die Anschuldigungen sind falsch und empörend. Activisions Behauptung, dass sich Jason und Vince verschworen haben, um Infinity Ward loszulösen ist nur ein Beispiel dafür. Activision selbst hatte vorgeschlagen, Infinity Ward auszugliedern, als man im vergangenen Jahr Jasons und Vinces Verträge neuverhandeln und sie dazu bewegen wollte, die Entwicklung eines neuen Titels zu Gunsten eines weiteren Modern Warfare-Sequels einzustellen.
Jason und Vince hatten die Creative Artists Agency angeheuert, um sich von ihr bei ihren Verhandlungen mit Activision beraten zu lassen - nicht um ihren Vertrag zu brechen. Die Gespräche mit IW-Angestellten, Agenten und anderen während dieser Verhandlungen wurden getätigt, um zu sehen, ob Activisions Vorschlag funktionieren kann - nicht um ihren Verpflichtungen gegenüber Activision zu missachten.
Activisions unrichtige und fehlgeleitete Behauptungen verlieren hier ihren Bezug zur Realität: Keine der falschen Anschuldigungen wegen Insubordination oder Vertragsbruch hatten eine negative Wirkung auf Activision - keine. Modern Warfare 2 wurde zum erfolgreichsten Spiel der Welt. Und nichts ändert die Tatsache, dass Jason und Vince immer noch bei Infinity Ward wäre und neue Spiele entwickeln würden, wenn Activision sie nicht gefeuert hätte. Das ist nur eine Activision-Taktik um zu vermeiden, Jason und Vince und allen anderen bei Infinity Ward die Millionen von Dollar zu zahlen, die man ihnen schuldet. Seit ihrer Entlassung bei Activision haben Jason und Vince die notwendigen Schritte unternommen, um die Kontrolle über ihre kreative Zukunft wiederzuerlangen, und werden sehr bald eine Ankündigung tätigen."
Die Kollegen von
IGN haben derweil die komplette Klageschrift aufgetrieben und veröffentlicht. So hätten West und Zampella versucht, Activision dazu zu zwingen, ihnen zu erlauben, einen geheimen Bonus in Millionenhöhe persönlich zu behalten, anstatt ihn wie vom Publisher vorgesehen an das Team auszuschütten.
Der Ungehorsam hätte sich auch darin gezeigt, dass das Duo stehts versucht hätte, die Marke
Modern Warfare mit Infinity Ward zu verknüpfen - nicht mit Activision. Auch hätte man leitende Angestellte und Mitarbeiter von Activision und Schwester-Studios "herabschätzend behandelt und sie dämonisiert", um einen Keil zwischen die IW-Mitarbeiter und ihr Mutterunternehmen zu treiben. Last but not least: Zampella und West hätten versucht, zukünftige Titel der Modern Warfare-Reihe als "Geisel zu nehmen" bzw. als Faustpfand ins Feld zu führen, um Activision Zusagen abzunötigen, die ihnen vertraglich nicht zugestanden hätten.
Das Dokument merkt auch an, dass es West und Zampella laut ihren Arbeitsverträgen untersagt war, für einen festgelegten Zeitraum von drei Jahren nach Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses Angestellte von Activision abzuwerben. Im Laufe der Jahre sei es immer schwierige geworden, mit West und Zampella zusammenzuarbeiten. Sie seien hätten oft eigenmächtig gehandelt, andere Activision-Mitarbeiter offen kritisiert und beispielsweise die Zusammenarbeit bei der Erstellung eines Geschäftsplans für eine "unifizierte Herangehensweise an die Call of Duty-Serie" verweigert.
In den kritischen finalen Phasen der Arbeiten an Modern Warfare 2 hätten sie mehrfach mit einem Produktionsstopp gedroht, um sich eine bessere Position zu verschaffen und die CoD-Marke und Infinity Ward dem Einflussbereich Activisions zu entziehen.
Mehrfach hätten sie sich Anweisungen aus dem höheren Management widersetzt und leitende Angestellte sowohl öffentlich als auch privat beleidigt, ihnen beispielsweise Inkompetenz unterstellt, um die Beziehung zwischen Studio und Publisher zu vergiften.
Schon kurz nach ihrer Vertragsverlängerung im Jahr 2008 - welche mit einem Millionen-Bonus versüßt wurde - hätten sie sich wohl offen mit einigen IW-Angestellten über ihr Ansinnen unterhalten, Activision zu verlassen, und darüber gesprochen, ob diese sie dann in eine neue Firma begleiten würden. Man sei darüber informiert und davon überzeugt, dass Zampella und West dies auch derzeit noch machen würden - oder auf den richtigen Zeitpunkt warten.
Auch zitiert der Hersteller in der Klageschrift aus Emails oder Instant-Messaging-Protokollen, in denen sich Zampella und West darüber austauschen, wie man Dokumente unbemerkt einscannen könnte.
Über ihren Agenten hätte man sich im Geheimen mit dem "Geschäftsführer und anderen leitenden Angestellten" des "größten Konkurrenten" in Verbindung gesetzt. Einer hätte daraufhin erfreut geantwortet, dass es großartig sein, nun eine direkte und geheime Verbindung zu West zu haben. Nur drei Tage nach jener Email seien West und Zampella mit einem Firmenjet zu einem Treffen mit dem Management eingeflogen worden.
Beide wären bestrebt gewesen, die Boni für ihre Kollegen eher klein zu halten, würde es eine umfangreiche Entlohnung doch schwerer für sie machen, andere IW-Leute zu einer neuen Firma zu locken. Sich selbst hätten sie aber eine hohe Gewinnbeteiligung zugestanden. So wäre knapp ein Drittel des Bonus-Pools für die
Call of Duty-Titel (inklusive
Call of Duty 4) nur an West und Zampella gegangen. Im Falle von
Modern Warfare 2 hätten sie sogar noch ein größeres Stück vom Kuchen eingefordert. Ein anderes Beispiel: Activision hätte die Studiochefs in mehreren Fällen darum gebeten, die Namen von IW-Leuten zu nennen, die bei der Ausschüttung von Aktionoptionen berücksichtigt werden sollten. In mehreren Fällen hätten West und Zampella den Publisher dann aufgefordert, die Optionen direkt an sie weiterzuleiten oder zu warten.
Dabei kündigt der Hersteller auch schon mal taktierend an: Sollte man das Gerichtsverfahren gewinnen, so werde man die Gelder, die Zampella und West für
Modern Warfare 2 zugestanden hätten, den anderen Angestellten von Infinity Ward zukommen lassen - allerdings nur an jene, die auch weiterhin bei Infinity Ward verbleiben.