Quo Vadis 2009
22.04.2009 12:23, Julian Dasgupta

Klasse durch Masse?

Auf der Quo Vadis 2009 stellten sich Christopher Schmitz (Ubisoft, Producer Anno 1404 ) sowie Benedict Grindel (Ubisoft/Bluebyte, Siedler-Serie) die Frage, was die Größe kommender Projektteams sein wird. Bei Großproduktionen sind Teamstärken von 150, 200 oder mehr Entwicklern keine Seltenheit mehr, und derzeitigen Prognosen zufolge dürfte Wachstum auch in der unmittelbaren Zukunft anhalten. Basierend auf dem Trend vergangenen 20 Jahre - etwa alle fünf Jahre findet eine Verdopplung der Teamgröße statt - hält es der eine oder andere Producer oder Projektmanager für möglich, dass im Jahr 2015 mehr als 800 Leute an einem Spiel arbeiten; der Markt würde schließlich weiter wachsen, und vor 20 bis 30 Jahren hätten viele in Hollywood auch nicht gedacht, dass man mal über 200 Mio. Dollar in einen Film gesteckt würde.

Der Blick in die Top 10 des vergangenen Jahres zeige deutlich, dass sich dort (im traditionellen Handel) ausschließlich Großproduktionen durchgesetzt hätten. Jene Spiele hätten aber 40 Prozent des Gesamtumsatzes gemacht. Wirklich viel Geld werde also nur da verdient, wo auch viel Geld investiert werden.

An Assassin's Creed 2 würden 450 Entwickler arbeiten, so Grindel - Ubisoft selbst hatte bei der Ankündigung von 250 Leuten gesprochen. An Anno 1404 (PC, Wii, NDS) würden insgesamt, Testabteilung inklusive, 150 Personen werkeln. Projekte, die für mehrere Plattformen gleichzeitig produziert werden, wären von kleinere Teams nur schwer zu bewältigen.

Die wären aufgrund ihrer Unfähigkeit, mit Großproduktionen mitzuhalten, darauf angewiesen, sich Nischen zu suchen. Das sei allerdings nicht einfach, auch würden sich Nischen irgendwann wieder schließen bzw. in den Mainstream übergehen, wo sich wiederum größere Firmen mit besseren Kapazitäten breitmachen würden.

Eine große Teamstärke habe natürlich auch Nachteile: Mit vielen Leuten könne man sich innerhalb einer Nische nicht wirklich bewegen. Auch seien Fehler sehr wahrscheinlich, falls man in der Konzeption nicht gut gearbeitet haben sollte - einen ICE könne man bei voller Geschwindigkeit schließlich nicht so einfach von einer auf die andere Sekunde anhalten.

In Deutschland gebe es derzeit mit Crytek nur ein einziges Unternehmen, das die Kapazitäten für eine Triple-A-Produktion hat, so das Ubisoft-Duo. In den 80er Jahren seien die Bedingungen überall noch relativ ausgeglichen gewesen, danach seien die internationalen Studios aber deutlich stärker gewachsen als die hiesigen. Hier seien eher Teams mit 20 bis 40 Mann üblich, viele Veteranen würden deutlich größere Mannschaften auch für nicht mehr sinnvoll handhabbar halten. Auch müsse man einen großen Pool an Entwicklern haben, aus dem man schöpfen kann. Ubisoft Montreal könne sich große Teams leisten, weil dort insgesamt 2000 Mitarbeiter angestellt seien, die man recht flexibel je nach Bedarf zwischen den Projekten hin und her bewegen könne. Das sei so bei den deutschen Studios nicht machbar so Schmitz, der erwähnt, dass man sich bei einigen Kollegen aus anderen Studios mal gewundert habe, wieso er Pufferzeiten für Krankheitsausfälle einplant. Woanders würde man halt in solchen Fällen einfach Leute aus anderen Teams abziehen, um die abwesenden Leute zu ersetzen.

Als Grindel gefragt wird, warum Ubisoft nicht mal Geld investieren und auch in Deutschland ein großes Studio aus dem Boden stampfen würde, kommt die Antwort recht schnell: Es gebe schlichtweg zu wenig Leute und zu wenig Nachwuchs in der hiesigen Branche. Die Studios in China habe man nicht wegen des niedrigeren Lohnniveaus in Asien gegründet, sondern weil es dort genug fähige Leute vor Ort gegeben habe. Geld spiele natürlich auch eine Rolle, heißt es mit Verweis auf die Förderung, mit der Publishern die Gründung von Studios in Montreal schmackhaft gemacht wurde. Dort würde es mittlerweile auch vier Hochschulen geben, auch hätten diese diverse Abkommen mit Ubisoft. Das Unternehmen sei ein derart wichtiger Wirtschaftsfaktor in dem Stadtbezirk geworden, dass es eine Vereinbarung mit einigen Restaurants in der Umgebung gibt: Diese würden rechtzeitig informiert, falls das Studio an einen anderen Ort verlegt werden sollte, so dass sie ebenfalls umziehen können.

Unabhängig von der Größe des Studios gebe es aber eine Bedingung, der man gerecht werden sollte, wenn man langfristig erfolg haben will: Das Team müsse eine spezielle Identität bzw. Fertigkeit entwickeln, über die man sich von der Konkurrenz absetzt, ein so genannter Team-USP (unique selling point). Ubisoft habe ein Team wie Massive nicht gekauft, "weil es dort so viele tolle Entwickler gibt - davon haben wir ja schon viele." Wichtig seien vorhandenen Marken und eine entwickelte Team-USP gewesen.

Der Vorteil eines großen Teams, wo man "brute force" einfach viele Leute in ein Projekt werfe, liege darin, dass diese relativ viele Inhalte in hoher Qualität erstellen könnten. Auch seien viele Prozesse parallelisierbar, die bei kleinen Teams nur nacheinander abgearbeitet werden könnten. Natürlich könne man auch 100 Leute drei Jahre an einem Spiel arbeiten lassen statt 300 Leute für ein Jahr - eine kleine Milchmädchenrechnung, wie Grindel einwirft -, aber das Risiko sei dadurch geringer, dass man einen Trend verpasse. Außerdem könne sich ein großes Team Spezialisten in den einzelnen Bereichen leisten, während in kleineres Teams eher Leute wären, die eher universell einsetzbar wären. Für einen reinen Shaderexperten hätte man bei Bluebyte wohl eher keine Verwendung, bei Teams wie Rockstar wäre man damit durchaus willkommen.

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