Enslaved: Odyssey to the West
17.06.2010 04:57, Benjamin Schmädig

E3-Eindruck: Bezaubernd!

»Bezaubernd!« steht über meinen Notizen zu Enslaved. Denn ich hatte nicht damit gerechnet, dass ich Monkey und Trip, einen stämmigen Krieger und eine zerbrechliche Lady, fast auf den ersten Blick so ins Herz schließen würde. Es überrascht vielleicht nicht, dass die Heavenly Sword-Macher erneut Akrobatik und Kampfkunst-Action in eine filmische Erzählung einbetten. Ich hatte allerdings nicht damit gerechnet, dass sie es mit so viel Liebe für ihre Figuren tun würden!

Es wird einmal in dieser Galaxie...

Wir befinden uns etwa 150 Jahre in der Zukunft. Längst ist die Welt nicht mehr die, die wir kennen. Ganze Städte wurden von der Natur zurückerobert, die Menschheit fast ausgerottet - Roboter beherrschen die Erde. Die wissen nämlich nicht, dass die Kriege, für die sie erschaffen wurden, längst vorbei sind und so setzen sie den Kampf gegen ihre »Gegner« unentwegt fort. Sie sind nur einer von vielen Hinweisen auf den technologischen Fortschritt, der die Menschen wohl einst in den Abgrund stieß: Hologramme und Lichtschranken gehören in Enslaved zum Alltag, wenn auch nur an vereinzelten Stellen. Durch diese Welt müssen sich Monkey und Trip schlagen, nachdem sie von einem mysteriösen Sklavenschiff geflohen sind. Trip war clever, denn während der Gefangenschaft wurde ihr bewusst, dass der starke, aber einfältige Monkey ihr Tickt in die Freiheit war. Also hackte sich die gewiefte Tüftlerin in das Kopfband des Kämpfers und machte ihn so zu ihrem unfreiwilligen Partner: »Wenn du stirbst, sterbe ich«, heißt es im Trailer - und zumindest zu Beginn des Abenteuers ist dies längst nicht so romantisch wie es klingen mag.

Aber genau das hat mich an Enslaved so fasziniert: Die Beziehung des ungleichen Paares ist ebenso liebevoll wie widerwillig. Um den Weg zurück in Trips Heimat zu meistern, muss die schwache Dame nämlich den Anweisungen ihres Partners folgen. Anders könnten die beiden weder gegen die Roboter kämpfen, deren Aussehen an das metallene Fußvolk in Too Human erinnert. Und anders könnten sie vor allem keine kniffligen Stellen meistern, die mal Geschick beim Klettern, mal taktisches Feingefühl erfordern. Mit harschen Worten bringt Monkey seiner Partnerin diese Regel bei, nachdem sie gleich im ersten Kampf zitternd in Deckung geblieben ist. Ihr Kumpel hat die Roboter natürlich trotzdem schrottreif geschlagen - mit einfachen aber schicken, teils in Nahaufnahme und Zeitlupe inszenierten Kombinationen leichter und schwerer Schläge. Als Lektion brachte er Trip allerdings anschließend bei, auf sein Rufen zu ihm zu eilen.

Adventure of Two

Spielbar ist übrigens nur Monkey; seine Begleiterin agiert selbstständig. Mit einem Druck auf die Schultertaste und die Auswahl des entsprechenden Befehls, führt sie diesen aber umgehend aus. So kann sie später auch Feuer auf sich ziehen, damit sich Monkey unbemerkt an einen starken Feind anschleichen kann. Oder aber er selbst weckt per Knopfdruck die Aufmerksamkeit seiner Gegner und befielt Trip im nächsten Moment, unbemerkt zu ihm zu eilen. Bleibt man stehen, duckt sich Monkey übrigens so tief, dass er ganz ohne Deckungssystem hinter Vorsprüngen oder umgekippten Pfeilern Schutz sucht - praktisch. Die tiefe Bewegung passt außerdem zu seinem Namen, der zu Deutsch ja nichts anderes als Affe bedeutet. Überhaupt mag ich die Darstellung der Figuren: Trip als zierliche Gestalt mit Silberblick und Monkey als irgendwie traurige Figur, die sich ähnlich wie Kai aus Heavenly Sword hinter einer verwaschenen Gesichtsbemalung zu verstecken scheint.

Die träge Steuerung steht ihm hingegen weniger gut: Nur behäbig reagiert er auf Bewegungen des Analgosticks - ich bin ein Freund direkter Eingaben. Das Gleiche gilt für eine Kamera, die nicht unübersichtlich ist, die beim Umschalten der Ansicht in einem neuen Raum aber gelegentlich verwirrt. Zudem weiß man nie genau, ob man die Ansicht gerade frei drehen oder nur in Nuancen bewegen kann. Im Gegenzug gelingen den Entwicklern ähnlich wie in Metal Gear Solid 4 nahtlose Übergange zwischen Film- und Spielszenen.

Die Libellenjagd

Nachdem ich die ersten Schritte mit den beiden Flüchtlingen gemacht hatte, mussten sie schließlich einmal mehr zusammenarbeiten, um ein Minenfeld zu durchqueren. Also hebe ich Trip auf Monkeys Schultern, gebe ihr einen Schubs und schon zieht sie sich auf einen hohen Vorsprung. Nachdem sie eine Feuerleiter herunter gelassen hat, folge ich ihr mit Monkey. Trip hat einen Plan; dafür muss ich allerdings eine der mechanischen Libellen fangen, mit denen sie in ihrer Kindheit gespielt hat. Was folgt ist eine akrobatische Verfolgungsjagd über hohe Äste, Regenrinnen und Plattformen - obwohl ich Monkey dabei immer direkt steuern kann und mein Timing gelegentlich stimmen muss, gleicht das Klettern von einem vorgesehenen Griff zum nächsten ähnlich wie in Uncharted einem interaktiven Skript. So bekomme ich die zehn Zentimeter lange Libelle irgendwann zu fassen, Trip programmiert sie um und schon kann Monkey dank des elektronischen Stirnbands, das ihn auch zu Trips Sklaven macht, sehen, wo die Minen liegen. Mit einem furchtbar sympathischen Grunzen erkennen die beiden ihren Erfolg an, Trip springt wieder auf Monkeys Schultern und er begleitet sie zum Ende der Demo - vor ein weitläufiges, scheinbar spielerisch offenes Minenfeld, in dem zahlreiche weitere Herausforderungen zu warten scheinen...

Enslaved? Enchanted!

Ich habe die E3-Demo gleich zweimal gespielt, so sehr hat mir der stilistisch eindrucksvolle, spielerisch abwechslungsreiche und erzählerisch liebevolle Ausflug in die ferne Zukunft gefallen. Ich will unbedingt wissen, wer dieser sympathisch eigenwillige Monkey ist. Ich will mehr Zeit mit ihm und seiner zerbrechlichen Begleiterin verbringen. Das Duo ist vielleicht die außergewöhnlichste Paarung dieser Messe. Und obwohl ich Kamera und Steuerung mindestens 50 Meter in Richtung Zugänglichkeit kicken möchte, habe ich den flotten Mix aus akrobatischer Action und flinkem Klettern in vollen Zügen genossen. Das Salz in der Suppe sind kleine taktische Überlegungen, die die Dynamik zwischen den Figuren unterstreichen. Weil Trip zudem immer am Geschehen beteiligt war, wirkte sie nie wie ein Nebencharakter, dessen einzige Daseinsberechtigung der spielerische Selbstzweck ist. Stattdessen schoss mir ähnlich wie bei Majin das Wörtchen »Ico« durch den Kopf... Die kurze E3-Demo ist ein einzigartiges und abwechslungsreiches Abenteuer vor einer Atem beraubenden Kulisse - hoffentlich macht Enslaved da weiter, wo es heute aufhören musste!

Ersteindruck: sehr gut

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