Game Developers Conference Europe 2010
16.08.2010 18:24, Julian Dasgupta

Warren Spectors Plädoyer

Wie angekündigt, setzte sich Warren Spector im Rahmen seiner Keynote auf der GDC Europe 2010 mit anderen Medienformen und ihren Implikationen für den Spielebereich auseinander. Reiche es denn wirklich aus, Unterhaltungssoftware einfach als einen mit Interaktion versehenen Mischmasch aus Film, Musik und anderen Medien zu sehen?

Gerade im Filmbereich habe sich die Branche bisher bedient, Prozesse und Beschreibungen übernommen. Auch seien immer mehr Leute mit Filmhintergrund im Spielebereich tätig. Es sei kein Fehler, sich Wissen aus anderen Disziplinen zu borgen. Dies sei oft notwendig, um ein Medium weiterentwickeln zu können. Der Film habe sich erst beim Theater bedient, das Radio habe einige Aspekte des Films übernommen, die ersten TV-Sendungen seien wiederum vom Radio inspiriert worden.

Trotz aller Parallelen sei es jedoch falsch, das Medium Film ständig emulieren zu wollen. Durch den Schnitt würden Zeit und Raum anders gehandhabt. Cuts würden den Spieler herausreißen. Ein Film mit einer einzigen, ununterbrochenen Einstellung - z.B. Hitchcocks Rope - funktioniere schlecht. Für ein Spiel würde sich ein solcher Ansatz hingegen wunderbar eignen. Auch sollte bei einem Spiel der Nutzer die Kontrolle haben, nicht der Designer. Als kleinen Hinweis an Möchtegern-Regisseure unter den Entwicklern lässt der Branchenveteran während der Präsentations mehrfach verlauten: "Wenn ihr einen Film machen wollt, dann macht einen Film!"


Ein weiterer Unterschied: Ein Film habe eine völlig andere Spannungskurve als ein Spiel. In einem Film könne man sich ruhig mal 30 Minuten Zeit lassen, bevor es so richtig losgeht und man den Zuschauer noch überzeugen kann. Bei einem Spiel habe man den Nutzer hingegen gleich binnen kürzester Zeit verloren, wenn das Erlebnis nicht stimmt.

Beim Film gehe es oft darum, spezielle magische Momente zu kreieren. Spiele würden hingegen aus sich ständig wiederholenden Momenten bestehen. Die Entwickler sollten sich also nicht auf jene Momente konzentrieren, sondern wie sie die ständige Wiederholung vergnüglich gestalten.

Table-Top-RPGs, insbesondere D&D, hätten einen riesigen Einfluss auf die Softwareszene gehabt. Auch hier gehe es darum, dass sich der Spieler selbst ausdrückt. Spector wünscht sich auch, dass es so etwas wie einen Game-Master für Spiele gebe, der das Erlebnis dynamisch an den jeweiligen Nutzer anpassen können.

Allerdings gebe es auch hier Einflüsse, die man endlich ablegen sollte. So seien hier wie dort die Inhalte größtenteils so gestaltet, dass sie sich an junge männliche Personen richten. Sollten sich die Designer weiter auf "muskulöse Kerle mit Schwertern oder Space Marines" konzentrieren, laufe man Gefahr, in derselben Nische zu landen, in der Comics in Nordamerika jetzt seien.

Von Filmen und Comics könnte sich manch Autor allerdings das 'ökonomische' Erzählen einer Geschichte abschauen. Aufgrund fehlender Beschränkungen hinsichtlich der Zeit oder des Platzes gebe es oft überbordernde Dialoge oder Monologe.

Abschließend empfahl Spector den Anwesenden, sich mal mit der Kunst des mündlichen Erzählen von Geschichten zu beschäftigen. Dort könne man erstaunlich viel für den Spielebereich lernen. Es gebe einen Erzähler und einen Zuhörer. Der Zuhörer sei in der Regel einbezogen und habe einen gewissen Einfluss auf den Ablauf des Geschehens - anders als bei Filmen oder Büchern. Es gehe um Interaktion und Zusammenarbeit. Spiele sollten ein Dialog mit dem Spieler sein, nicht das einseitiger Schildern einer Geschichte durch die Macher. Es gehe um Kooperation, auch müsse der Spieler seine eigenen Schlüsse aus dem Geschehen ziehen dürfen.

Der Zuhörer stehe im Mittelpunkt - das solle auch für den Spieler gelten. Spiele müssten den Nutzer eine echte Auswahl geben, echte Konsequenzen liefern und dann auch darauf reagieren. Der Spieler werde selbst zum Künstler, der sein Erlebnis mitgestaltet, seine eigene Kreativität ausdrücken kann. Das könnten Filme, Musik oder Bücher nicht liefern - und genau diese Stärken müssten die Entwickler deutlicher in den Mittelpunkt rücken.

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