Game Developers Conference Europe 2010
17.08.2010 06:27, Benjamin Schmädig

Red Steel 2 und die Langeweile

Mit Schwung ging es in einen Vortrag von Ubisofts Jason VandenBerghe - oder auch nicht! Der Creative Director sprach nämlich über Red Steel 2 und die Schwierigkeiten, mit denen das Entwicklerteam zu kämpfen hatte. Sichtlich amüsiert und verblüffend anschaulich machte VandenBerghe nämlich vor, wie sich ganz verschiedene Spielertypen noch während des Entwicklungsprozesses die Remote griffen und zum ersten Mal einen Schwertschwung nachahmen sollten: Die einen fuchtelten enthusiastisch in allen Himmelsrichtungen, andere schwerthiebten ihre virtuellen Feinde mit Wucht zu Tode, die einen schlugen diagonal, die anderen stachen in die Tiefe. Nur eins war den Testern gleich: Keiner kam im Spiel damit wirklich weiter. Der Grund war, dass trotz eines bereits vorhandenen Tutorials niemand wusste, wie er das Schwert namens Remote samt MotionPlus eigentlich bewegen sollte.

VandenBerghe erklärt es so: Eine erlernte Muskelbewegung beherrscht jeder Mensch aus dem Effeff - keiner weiß aber intuitiv, wie er den noch immer neuen Controller bewegen muss. Entwickler sollten deshalb zu Lehrern werden, die ihren Spielern Schritt für Schritt erklären, wie diese eine Bewegung ausführen müssten. So half es wenig, dass die Textanweisung einer frühen Version zum "Schwingen der Remote" aufforderte. Niemand wusste nämlich, wie genau ein solcher Schwung im Detail aussieht. Teil eins der Lösung war deshalb ein separater Übungsplatz, weit ab vom hektischen Kampfgeschehen. Denn nur in Ruhe seien die Spieler ausreichend aufnahmebereit. Teil zwei der Lösung war das "Wii Girl", weil keiner der meist männlichen Helden den coolen Einweiser mit Cowboy-Hut wahrnehmen wollte. Die Lady in Weiß führte jeden Teil der Bewegung (Arm nach hinten, Arm quer vor Körper entlang) einzeln aus und die Spieler mussten es nachmachen - die Erfolgsquote effektiver Schwertschwünge stieg auf beinahe 100 Prozent. Langeweile sei das Ziel. Denn erst, wenn man eine Bewegung so verinnerlicht hat, dass man Zeit hat, sich über die ständige Wiederholung aufzuregen, hätte das Tutorial sein Ziel erreicht.

Im Grunde sei die Remote nicht mehr als ein gigantischer Analogstick, erklärte VandenBerghe. Weil diesem "Stick" aber jegliche Schranken fehlten, innerhalb derer man ihn bewegen könne, müsse man dem Spieler diese Schranken erst mit Fingerspitzengefühl beibringen. Man fühlt sich nicht erleuchtet, wenn der Creative Director all dies erläutert - er bot aber einen interessanten Einblick in den Entwicklungsprozess und zeigte, dass Remote und Nunchuk auch Jahre nach ihrer Einführung mitnichten als gewöhnliche Controller etabliert sind.

Abschließend öffnete VandenBerghe noch die Rechnungsbücher, als er die Verkaufszahlen von gerade mal 270.000 Spielen auf die Leinwand warf. Einer der Gründe für den geringen Absatz seien die Marktbedingungen, unter denen Red Steel 2 veröffentlicht wurde: Dass das Spiel nur auf einer Plattform erschien und mit MotionPlus spezielle Zusatzhardware verlangte, war seiner Meinung nach der ausschlagende Grund für den Misserfolg. Daher riet er nicht nur den anwesenden Entwicklern, ein Spiel für möglichst viele Plattformen zu entwickeln. Er flehte die Hardware-Hersteller auch geradezu an, zusätzliche Hardware wie MotionPlus einer möglichst breiten Masse leicht zugänglich zu machen - MotionPlus sollte etwa jeder Remote bereits beiliegen. Nur dann könnten Entwickler und Publisher es nämlich verantworten, jene Spiele zu entwickeln, die sie wollten und mit denen sie neue Wege gehen könnten.

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