von Benjamin Schmädig,

GDC Europe 2010: So entstand Killzone



Bis auf die Tatsache, dass Guerrilla Games' Herman Hulst die Entwicklung eines von Killzone unabhängigen Spiels bestätigte, erfuhr man wenig Neues oder politisch Grundlegendes wie in den Vorträgen von Warren Spector oder David Cage. Der Managing Director gab allerdings einen interessanten Einblick in die Historie der Shooterserie und beschrieb dabei auch das Erwachsenwerden seiner Spieleschmiede, die als  unabhängiges Studio ins Leben gerufen wurde. Aus seiner Erfahrung heraus empfahl er allen ambitionierten Entwicklern übrigens augenzwinkernd, unbedingt ihr eigenes Start-Up-Unternehmen aufzubauen - die Publisher bräuchten ja Studios, die sie aufkaufen könnten!

Als die Guerrilla-Mannschaft im Dezember 1999 eine frühe Technikdemo im Koffer hatte, um bei Sony vorzusprechen, gab es noch kein Killzone: Das Spiel, das Sony aufgrund der Demo tatsächlich finanzieren würde, hatte weder ein Konzept oder einen Namen noch kamen Helghast darin vor. Hulst zeigt ein Video der Demo, in der Soldaten sowie eine Art Fluggerät in relativ beliebig aneinandergereihten Szenen zu sehen sind. Sony unterstützte das Projekt trotzdem, auch wenn Ego-Shooter damals ein Nischendasein auf den Konsolen fristeten. Halo war zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht erschienen.

Guerrilla Games wollte eine Science Fiction-Geschichte erzählen und anstatt wie sonst üblich nur den Helden in den Vordergrund zu rücken, wollte man auch einen starken Gegner aufbauen - Vorbild waren z.B. die Alienfilme. Deshalb zeigt das Intro vor allem die Helghast und aus diesem Grund erschufen die Entwickler auch markante "Weltraum-Nazis". Ursprünglich schwebten ihnen nämlich schleimige Figuren vor; in Zusammenarbeit mit Sony-Produzenten entwarfen sie aber lieber Bösewichte mit einem hohen und vor allem unmittelbaren Wiedererkennungswert. Irgendwann, die Entwicklung war bereits weit fortgeschritten, entdeckte Guerrilla schließlich Jin Roh - jenen japanischen Anime, dessen Antagonisten den Helghast bis auf die rote Iris ähneln. Oder umgekehrt? Hulst betont, dass die Niederländer den Film zu diesem Zeitpunkt das erste Mal sahen. Er beschreibt die Situation so: "Wenn du eine brillante Idee hast... dann hat sie mit Sicherheit auch schon jemand vor dir gehabt." Solche Ähnlichkeiten seien also unvermeidlich. Entscheidend sei, dass man sich davon nicht beirren lasse, sondern an seiner Überzeugung und seinem Projekt festhalte.

Und warum programmierte man eine eigene Engine, was nicht nur aufwändiger, sondern auch kostspieliger und risikovoller als die Lizenzierung einer vorhandenen sei? Der entscheidende Punkt für Guerrilla Games ist die Tatsache, dass das Spiel durch das Verwenden einer einzigartigen Technik auch eher als etwas Besonderes aus der Masse heraussteche. Man könne spielerische Besonderheiten implementieren, die eine andere Technik nicht bieten würde.

In den frühen Tagen war das Studio übrigens ein höchst schlecht organisierter Haufen enthusiastischer Spielemacher. Es gab nicht einmal einen echten Designer oder die heute unabdingbare regelmäßige Fehlersuche. Auf der E3 2004 stellte man etwa den Mehrspieler-Modus vor - das war der Zeitpunkt, zu dem die Entwickler ihr eigenes Spiel zum ersten Mal auf normalen Servern testete und einfach hoffte, dass das auch klappen würde. In Sachen Marketing hat Hulst außerdem noch einen wichtigen Tipp parat, den er wohl aus schmerzhafter Erfahrung gelernt hat: "Vermeidet es so gut es geht, irgendetwas den 'Soundso-Killer' zu nennen!"

Nach der Veröffentlichung von Killzone wurde das Studio aber schließlich erwachsen. Es brannte darauf, weiterzumachen. Und Sony wollte dem jungen Team eine Chance geben, zunächst mit einem Killzone-Ableger auf PSP. Aber nicht nur das: Das Spiel sollte ein "Vorzeigetitel" werden - eine Aufgabe, die die Niederländer bekanntermaßen recht erfolgreich meisterten. Erstmals setzten sie dabei einen Game Director und einen Produzenten ein, erstmals gab es klar strukturierte Entwicklungsprozesse. Während so Killzone: Liberation entstand, war aber schon ein weiterer Titel in Arbeit: Killzone 2 sollte auf PS2 (!) entstehen. Zusätzlich stellte man bereits Überlegungen zu einer Fortführung der Serie auf PS3 an. Dazu entwarf man einen Trailer, der einem ausgewählten Publikum auf der E3 2005 zeigen sollte. Das Video sollte veranschaulichen, wie sich Guerrilla ein Killzone auf der damals neuen Konsole vorstellen könnte...

Der Rest ist Geschichte: Sony zeigte den Trailer in aller Öffentlichkeit und durch eine Mischung aus "Fehlinformationen" und "Wunschdenken" wurde aus dem vorberechneten Video plötzlich Spielgrafik. Hulst belegte das Gesagte so:



Das Problem: Guerrilla hatte noch nicht einmal ein Konzept! Die Lösung: Killzone 2 für PS2 wurde eingestampft und stattdessen für PS3 entwickelt. Und man wollte unbedingt ein Spiel schaffen, das tatsächlich so aussehen würde wie der Trailer. Auch die intensive Inszenierung des Kriegsgeschehens wollten die Entwickler im Spiel so oder so ähnlich wiedergeben.

Was viele Spieler gar nicht wüssten sei übrigens die Tatsache, dass andere Studios wie Polyphony (Gran Turismo) und Naughty Dog (Uncharted) 100-prozentig zu Sony gehören würden. Und anstatt sich durch die Unabhängigkeit "ablenken" zu lassen, weil man u.a. das eigene Spiel für Verhandlungen mit Drittfirmen immer wieder neu präsentieren müsse, entschied sich auch Guerrilla dazu, der Sony-Familie beizutreten. Der liege schließlich nichts daran, der Firmenkultur eines Entwicklers eigene Paradigmen überzustülpen, sondern ließe seine Studios so arbeiten wie sie sich am wohlsten fühlten. Wettbewerbe über den längsten Bart gehörten für die 140 Beschäftigten deshalb ebenso zum Alltag wie lange Mehrspieler-Sitzungen und gemeinsame Essenspausen.

Doch worauf kam es während der Entwicklung von Killzone 2 an? Als einen der wichtigsten Schritte nennt Hulst das Ausmerzen der Fehler des Vorgängers. So hat man sich jeden Test und jeden Kommentar zu Teil eins geschnappt und sorgfältig alle negativ und alle positiv erwähnten Aspekte herausgeschrieben. Das Ergebnis wurde in einer Tabelle angeordnet, so dass deutlich wurde, welche Elemente den Spielern richtig gut gefielen und mit welchen sie sich plagten. Die fünf am schlechtesten bewerteten Punkte hat man anschließend auf die obersten Plätze der To-Do-Liste gesetzt. Was dort notiert war? U.a. der Mehrspieler-Modus und die Todesanimationen - zwei Aspekte, die in Killzone 2 später in den höchsten Tönen gelobt wurden. Für den dritten Teil kommt die gleiche Vorgehensweise zum Einsatz. Welche Elemente am häufigsten kritisiert wurden, zählte Hulst im Rahmen des Vortrags jedoch nicht auf. Es wird allerdings mehr Filmszenen geben als zuletzt.

Dreieinhalb Jahre dauerte die Geburt des ersten Nachfolgers. Nur zwei Jahre soll die Entstehung von Killzone 3 in Anspruch nehmen. Dafür habe man die Entwicklungsvorgänge so optimiert, dass jeder Mitarbeiter immer voll beschäftigt sei, anstatt gelegentlich auf sein nächstes Projekt zu warten. So könne man stets an den kreativen Schwung, den ein Künstler oder Programmierer mit einer aktuellen Aufgabe entwickelt, für die darauf folgende nutzen. Eine weitere Änderung betrifft die Produzenten, denn während diese zuletzt für bestimmte Abteilungen zuständig waren, kümmert sich jetzt jeder Produzent um einen bestimmten Aspekt des Spiels. Guerrilla Games will die Kräfte seiner Mannschaft stärker bündeln, um sich auch in Zukunft als ein starkes Studio zu beweisen.



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