von Julian Dasgupta,

The Witness: Plädoyer für Nicht-Linearität

The Witness (Logik & Kreativität) von Sony / Thekla Inc.
The Witness (Logik & Kreativität) von Sony / Thekla Inc. - Bildquelle: Sony / Thekla Inc.
Schon seit einiger Zeit werkelt Jonathan Blow eifrig an seinem nächsten Abenteuer. The Witness ist im Gegensatz zu Braid ein 3D-Spiel, was die Produktion deutlich aufwändiger mache. Bei einem 2D-Spiel könne man schneller zu Ergebnissen kommen, so der Entwickler in einem Interview mit Edge. Neben den Quellen der Inspiration sei auch der technische Aspekt einer der Gründe gewesen, warum man sich gegen das Einbinden von NPCs entschieden hat - andernfalls wäre das Projekt ausgeufert.

Blow wird im Gespräch auch zu Portal 2 und dessen Design-Ansatz gefragt:

"Portal 2 ist teilweise auch das geworden, was es ist, weil das nun mal passiert, wenn du eine Gruppe von Game-Designern hast, die es gewohnt sind, Spiele wie Half-Life 2 zu machen, die äußerst linear sind, und diese dann an ein anderes Spiel setzt. Die betrachten natürlich alles linear. Ich denke aber, ein Spiel mit Portalen sollte inhärent nicht-linear sein. Wenn du keine Oberflächen machst, auf denen sich Portale nicht nutzen lassen, dann kann ich mich beliebig in der Spielwelt bewegen. Wie würde es sein, ein Spiel um das herum zu gestalten? Das ist vielleicht ein viel schwierigeres Designproblem, aber das ist für mich ja das Aufregende daran."

Er sei beim Spielen das Gefühl nicht losgeworden, dass die Designer letztendlich gegen die Portale angekämpft hätten. Im letzten Drittel sei jener Aspekt kaum mehr vorgekommen. Valve mache halt Entertainment-Produkte - er betrachte The Witness hingegen mehr als Kunstspiel.

"Valve lässt Spiele ganz bewusst durch Fokusgruppen testen, um zu sehen, wie Leute auf Situationen reagieren, um dann das Spiel zu verfeinern. Wenn du das bei einem Puzzlespiel machst, schmeißt du Puzzle raus. Da Portal eine lineare Struktur hat, muss man am Ende ja Dinge haben, bei denen man davon ausgeht, dass sie gelöst werden können. Das ist anders als bei einer Welt, in der alles passieren kann. Ich versuche, Möglichkeiten für ein Erlebnis bereitzustellen - Valve versucht das optimale Erlebnis für dich zu liefern.

Das ist ja auch legitim. Aber wenn jedes Spiel so wird, dann fehlt etwas. Wenn du den Leuten die Freiheit gibst, dann gibst du ihnen die Freiheit, ein schlechtes oder ein gutes Erlebnis zu haben. Aber die Art der Erfahrung ist nicht möglich ohne die Freiheit."

Die Geschichte von The Witness werde in nicht-linearer Form erzählt. Das sei viel herausfordernder. Seine Lösung: Er versuche erst gar nicht, sie in klassischer Form darzubieten. Ein typischer Erzählbogen sei nur möglich, wenn man auch Gameplay-Zwänge implementiert. Die Spielwelt warte mit diversen Bereichen auf, die eigenen Gedankengängen folgen, die sich wiederum zu einem Gesamtbild fügen.

"Moderne Spiele haben den Spieler darauf trainiert, dass er eine bestimmte Sache erwartet. Wenn man dann nicht genau erzählt, was als nächstes passiert, dann denkst du, dass du dich im freien Fall befindest und fragst: 'Was muss ich machen?'

Das finde ich nicht gut. Wenn Spiele gut sind in Sachen Interaktivität, ist es dann nicht eine Schande, wenn Interaktivität nur in sehr eingeschränkten Wegen möglich ist? Freiheit und Offenheit gewähren dem Spieler mehr Wahlmöglichkeiten. Das ist für mich der Kern von Spielen. Selbst Spiele mit großen Budgets, die nicht-linear erscheinen, z.B. Oblivion - da gibt es immer noch einen Plot mit bestimmten Meilensteinen usw."


Das Budget von The Witness beträgt laut Blow übrigens zwei Mio. Dollar. Es müsse sich aber nicht so oft verkaufen wie Braid, um Gewinn zu erwirtschaften. Auch gebe es kaum Konkurrenz. Er gehe davon aus, dass es viele Leute gibt, die sich für diese Art von Spielen begeistern können. Selbst wenn es nur zehn Prozent der Nutzer wären - für einen Indie-Entwickler wäre das riesig. Ein größerer Publisher würde ein derartiges Projekt aber niemals langfristig finanzieren.


Kommentare

Genkis schrieb am
olkei.. Servus
Was soll der quatsch. Das einzige was ich sage ist, dass meiner meinung nach, spiele, die mit ihrer story punkten wollen, den spieler in diese einbeziehen müssen und deswegen begrüße ich das, was in der news steht.
Die meisten tun das oft nur in begrenzten maße, aber ich habe nicht gesagt, dass sie deswegen schlecht sind. Trotzdem würde ich kaum spiele der letzten jahre empfehlen, weil sie storytechnisch besonders interessant oder anspruchsvoll sind, oder den spieler in ihre welt hineinziehen.
Das heisst aber doch nicht, das sie als spiel schlecht wären.was ich auch nie behauptet habe.. Was hätte ich denn dann die letzten jahre spielen sollen...
Das ich allerdings den begriff kunst benutzte ... Ich nehm ihn mal zurück ;)
crewmate schrieb am
Genkis hat geschrieben:@crewmate
Ja, sie haben ihre eigene Erzählform. Aber die wenigsten
Spiele nutzen sie.
WC Privateer gehört zu einem meiner immer währenden Favoriten und das Adventure Genre ist mein mir fast liebstes.
Und obwohl man in Adventures oft doch nur begrenzte Möglichkeiten hat, hat man doch sehr viel Kontrolle über das was man gerade tut und was passiert, oder es wird einem zumindest vorgegaukelt.
Diese Spiele beziehen den Spieler mit ein.
Aber das ist leider viel zu selten in der Spielewelt.
Wie du schon sagtest, wird dem Spieler zu oft das Steuer plötzlich aus der Hand gerissen und zerstört die Illusion des erlebten völlig.
Tatsache ist aber, das es solche Spiele gibt. Wir haben hier eine gewisse Vielfalt. Und das ist wichtiger, als das nur dein Arsch was zu spielen hat
Genkis schrieb am
@crewmate
Ja, sie haben ihre eigene Erzählform. Aber die wenigsten
Spiele nutzen sie.
WC Privateer gehört zu einem meiner immer währenden Favoriten und das Adventure Genre ist mein mir fast liebstes.
Und obwohl man in Adventures oft doch nur begrenzte Möglichkeiten hat, hat man doch sehr viel Kontrolle über das was man gerade tut und was passiert, oder es wird einem zumindest vorgegaukelt.
Diese Spiele beziehen den Spieler mit ein.
Aber das ist leider viel zu selten in der Spielewelt.
Wie du schon sagtest, wird dem Spieler zu oft das Steuer plötzlich aus der Hand gerissen und zerstört die Illusion des erlebten völlig.
@Kunst
Kunst ist bei einem Spiel sehr schwer zu definieren.
Für mich ist es schon ein kunstwerk, wenn man ein kreatives gameplay erschafft, das nur mit sich selbst motiviert.
Will ich aber ein Spiel, das mit einer Geschichte motivieren will, als Kunst bezeichnen, so muss es diese Geschichte auch so präsentieren, dass ich mich nicht fühle als ob ich an einer Kette durch sie hindurchgeschliffen werde, denn ich Spiele ja ein Spiel und lese nicht gerade oder sehe grade einen Film.
Natuerlich muss die Geschichte auch gut sein ;), zum nachdenken anregen oder was auch immer.
Weiterhin muss man dann wohl auch noch einmal den kuenstlerischen aspekt der geschichte selbst "bewerten"
Aber ja, ein Spiel, dass versucht mit seiner Story zu ueberzeugen, mich als Spieler aber nur teilweise mit einbezieht und mir immer wieder die Kontrolle nimmt koennte ich nicht als Kunst bezeichnen. Dann lese ich doch lieber oder sehe einen Film.
Da Problem mit der Kunst beim Spiel, ist aber auch, dass es aus vielen verschiedenen teilen bestehen kann. So ist es doch auch schwer zu entscheiden, wo fange ich mit der bewertung an, und wo hoehre ich auf.
DSFreak schrieb am
Ich weiß nur, dass Braid genial ist und im Gegensatz zu anderne Indie-Kult-Spielen wie Limbo auch als Spiel ein Kunstwerk ist, und nicht nur aufgrund einiger netter Design-Ideen.
Dass er ja jetzt an diesem völlig neuen andersartigen Projekt arbeitet, ist nur vorbildlich und ihm kaufe ich wirklich ab, was seine Vorstellungen von der Branche und "The Witness" selbst angeht.
crewmate schrieb am
Genkis hat geschrieben:weil ich finde, dass spiele endlich ihre eigene "erzählform" finden sollten.
Bücher und filme haben ihre eigenen wege, nur die spiele hecheln beiden hinterher, weil diese arten zu erzählen mit spielen nicht zu dem führen, was sie sein könnten.
Haben sie doch. Elite und Wingcommander Privateer haben in jedem Aspekt die freie Wahl der eigenen Geschichte gelassen. Man konnte den guten Jungen raushängen lassen oder am anderen Ende der Skala ein Drogenbaron und Sklavenhändler werden. In beiden Fällen traf man unterschiedliche Charaktere, mit denen man in Dialogen kommuniziert hat.
Spiel mal Echo Bazaar die lassen dich auch die Geschichte frei bestimmen. Meine Beweggründe sind frei erstellbar, ich bestimme meinen Werdegang durch mein Handeln, endscheide wen ich vögel, wen ich töte und gegen wen ich plote.
Aber es kann nicht alles nach deiner Pfeife tanzen.
Ich liebe ein gutes Adventure und subtilen Survival Horror.
Spiele wie Silent Hill und Grim Fandango könnte man nicht in ein solches Konzept passen. Die leben von ihrer Form des Geschichtenerzählens, den glaubhaften Charakteren und den Plottwists.
Ein erster Schritt wäre es, wenn Spiele erst mal den Grundsatz befolgen würden "Do, don't show". Ich hasse es wenn der Held in Zwischensequenzen mehr kann, als im Spiel. The Crystal Bearers konnte das besonders gut. Zwischensequenzen können am besten die welt zeigen und zusätzliche Spannung aufbauen. Aber meist ersetzen sie Gameplay.
schrieb am