Dragon Age 2
19.08.2010 12:14, Jörg Luibl

gc-Eindruck: Der große Fortschritt?

Auf der gamescom konnte man den Nachfolger von Dragon Age erstmals in Aktion erleben. BioWare zeigte eine spielbare Version, in der man die wichtigsten Neuerungen hinsichtlich Kulisse, Kampf und Erzählweise vorstellte. Was haben die Kanadier dem Hexer entgegen zu setzen? Können sie mit diesem zweiten Teil auch technisch den wichtigen Sprung nach vorne machen?

Nein, können sie nicht. Obwohl man detailliertere Gesichtszüge sowie zusätzliche Animationen und Zaubereffekte einbaut, sieht das Spiel insgesamt weder so gut aus wie Mass Effect 2 noch wie The Witcher 2 - vor allem die Landschaft und die Charaktere wirken im Vergleich zur hauseigenen und polnischen Konkurrenz grob. Und als der unvermeidliche gehörnte Oger in einem Bosskampf auftauchte, war das eher ein Déjà-vu als ein Spektakel - bei den Hurlocks hat man wenigstens am Design gefeilt. Natürlich kann sich die Mimik immer noch sehen lassen. Natürlich sorgen die Zauber immer noch für ebenso großflächige wie ansehnliche Effekte. Aber warum bringt BioWare das Abenteuer nicht auf ein höheres Niveau?

Die Technik ist natürlich nicht das Entscheidende für ein Rollenspiel. Auch der Vorgänger bestach in erster Linie mit seinen inneren Werten - und die werden weiter gepflegt. Zum einen bin ich auf die neue Erzählweise gespannt, die auf zwei Ebenen stattfindet: Zwei Charaktere unterhalten sich in der Gegenwart über die Vergangenheit, in der ein Held über zehn Jahre eine wichtige Rolle spielt - und genau den spielt man natürlich. In den Dialogen zwischen dem Erzähler und der Zuhörerin zeigt sich des Öfteren, das es zwischen Legende und Wirklichkeit einige Diskrepanzen geben kann.

Sie will aus aktuellem politischen Anlass mehr über diesen Helden erfahren und der Erzähler muss ihre Erwartungen hier und da enttäuschen, weil man ja selbst evtl. ganz anders entscheidet als es in der Legende der Fall ist. Plötzlich schwenkt das Spiel von der Vergangenheit in die Gegenwart und sie ruft erbost: "Unsinn! So ist das nicht passiert!", weil man vielleicht einen Unschuldigen getötet anstatt gerettet hat. Das mag sich konfus anhören, aber ich bin sehr neugierig, ob dieses System der umrahmten Erzählweise funktioniert - in der Literatur hat das ab und zu geklappt.

Es bleibt natürlich bei der Dramatik innerhalb der bis zu vier Helden starken Gruppe, die auf diverse innere und äußere Konflikte stößt. Es bleibt bei klaren Konsequenzen und einer Grauzone, ohne die kitschige Trennung zwischen klarem Gut und Böse. Gerade deshalb wird die eigene Moral immer wieder auf die Probe gestellt: Tötet man einen Kameraden, der gerade infiziert wurde und langsam dahin siecht? Oder überlässt man das seiner Frau? Traut man einer Hexe, die Hilfe anbietet? Im Gegensatz zum Vorgänger will man viel mehr familiäre Konflikte und Beziehungen thematisieren, weniger das Große außenpolitische Ganze. 
 
Neu ist, dass man innerhalb der offenen Dialoge immer gesprochene Fragen und Antworten bekommt; außerdem zeigt ein Symbol (Zweig, Faust, Maske) an, ob die Antwort eher friedlich, aggressiv oder nachforschend ausgelegt ist. Hier fragt man sich allerdings, was das soll? Erklärt nicht der Antworttext selbst, in welche Richtung man geht? Oder will man dem oberflächlichen Spieler die schnelle Wahl erleichtern?

Auch das Kampfsystem wird leicht erweitert: Es bleibt bei der blutigen, teilweise Körperteile durch die Luft wirbelnden Inszenierung, die manchmal etwas zu aufgesetzt wirkt - warum sorgt ein Feuerzauber für die Zweiteilung des Hurlocks? Hinzu kommen Finisher für die Magier, die jetzt auch großen Bossen etwas spektakulärer den Garaus machen können. Interessant ist vor Gefechten die neue Frage von NPCs, ob sie sich um die Feinde kümmern sollen - in einer Situation wollte die Magiern damit die Initiative ergreifen und die Hurlocks mit einem Feuerball begrüßen. Man kann das ablehnen oder sie feurig walten lassen. Innerhalb des Nahkampfes gibt es neue defensive Manöver: Ein Krieger kann mit seinem Schild in eine Halteposition gehen und so selbst dem Ansturm eines Ogers widerstehen - das sah allerdings noch etwas seltsam in der Animation aus. Allerdings will BioWare die Animationen noch deutlicher an den eigenen Kampfstil anpassen: Wer eher hinterhältig und elegant aktiv ist, soll mit der Zeit beobachten können, wie die Bewegungen des Charakters eher Richtung Errol Flynn als Schwarzenegger gehen. Ob dieser Automatismus tatsächlich funktioniert?

Interessanter sind die Änderungen in der Charakterentwicklung: Die relativ linearen Talentbäume haben jetzt Zweige und Spezialisierungen innerhalb einzelner Fähigkeiten dazu gewonnen. Wer z.B. das Betäuben des Feindes erlernt, kann das auch noch effizienter gestalten, falls er die Levelgrenze 20 erreicht sowie das Zurückwerfen erlernt. So wird man seinen Charakter noch individueller ausbilden können.

Wenig überzeugend wirkte BioWare, als wir wegen der PC-version nachhakten: Diese wurde tatsächlich mit dem neuen Feature der "Tactical Camera 2.0" vorgestellt, weil man jetzt in der Pause frei mit der Kamera über das Schlachtfeld schweben kann, um Befehle zu geben. Allerdings könnte man das Ganze auch "Tactical Camera 0.5", denn man hat das komfortable Rauszoomen gestrichen, das PC-Spielern eine bessere Übersicht gewährte und das so angenehm an die Perspektive aus Baldur's Gate erinnerte. Und warum hat man das gemacht? Auch in Köln sprach man davon, dass man das nur auf Kosten schwächerer Texturen und irgendwelcher Steuerungsprobleme gemacht hat. Da fragt man sich natürlich kopfschüttelnd: Warum sehen die aktuellen Texturen dann nicht wenigstens wesentlich besser aus? 

Veteranen können übrigens ihre Spielstände laden und werden den daraus resultierenden politischen Status quo in Dragon Age 2 (ab 2,50€ bei kaufen) vorfinden - z.B. einen bestimmten König. Nach diesen ersten Eindrücken bin ich nicht so beeindruckt wie vom Hexer, den ich vor allem technisch vorne sehe. Außerdem finde ich den Begriff "Tactical Camera 2.0" fast schon eine Frechheit, wenn man bedenkt, dass man da eigentlich etwas gestrichen hat. BioWare muss hier inhaltlich und dramaturgisch ordentlich Gas geben, damit das nicht nur ein Dragon Age 1.5 wird. Immerhin könnte die umrahmte Erzählweise ein Highlight werden.

gc-Eindruck: gut

 

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