Risen 2: Dark Waters
19.08.2011 10:27, Jörg Luibl

gc-Eindruck: Piraten-Abenteuer

Mit Risen hat Piranha Bytes ein weitgehend bugfreies Rollenspiel entwickelt, das solide Fantasy-Unterhaltung inszenierte. Letztlich ging es nach dem Gothic 3-Debakel darum, auf Nummer sicher zu gehen - diese angezogene Handbremse merkte man dem konservativen Spieldesign an. Jetzt will man mutiger sein: Der Nachfolger soll nächstes Jahr größer, kreativer und letztlich besser werden.

Kann das mit einem Piraten-Szenario und all den damit verbundenen Kitschfallen gelingen? Die strukturellen Voraussetzungen klingen vielversprechend: Statt einen großen Kontinent erkundet man viele kleine Inseln, die mit ihrem eigenen Charme punkten könnten - der ist zu Beginn sonnig, karibisch, klar und urlaubsreif. Bis man sein eigenes Schiff bekommt, trabt man erstmal ohne Besitz über die Insel. Man ist im Auftrag der Inquisition unterwegs, um quasi "undercover" zu erforschen, was bei den Piraten los ist. Sieht alles klasse aus, vor allem die Vegetation, aber wirkte hinsichtlich der Umgebung und Figuren trotz typisch derber Gespräche noch etwas zu sauber.

Gerade Patty, die Tochter des Piraten Stahlbart und die erste von etwa einem halben Dutzend Gefährten, schien direkt aus der Boutique für Seeräuber zu kommen. Dafür bewegt sie sich wesentlich natürlicher als die roboterhaften Frauen in Risen: Man merkt den Animationen an, dass da ein anderes System verwendet wird - ein klarer Fortschritt. Weniger fortschrittlich sehen die Handbewegungen aus; da wird in Dialogen immer noch recht ungelenk mit Armen gestikuliert. Patty ist dennoch eine angenehme Begleitung, denn sie hilft aktiv im Kampf und kommentiert frech das Gefasel der Bewohner in den Dialogen.

Der verbitterte Held

Die erzählerische Überleitung in die karibisch anmutende Fantasywelt klingt plausibel: Der Held des Vorgängers hat nur einen der Titanen besiegt, so dass die Welt zehn Jahre später immer noch in Gefahr ist. Der Dank viel spärlich aus, so dass der Namenlose mit den Jahren ein wenig herunter kommt, etwas mehr säuft und verbittert. Dieses Jahrzehnt sieht man der Figur allerdings nicht wirklich an, die realtiv jungdynamisch ohne sichtliche Folgeschäden daher kommt.

Immerhin trägt er eine Augenklappe und treibt sich in den Spelunken einer Hafenstadt herum, die als letztes Bollwerk der Menschheit den Ungetümen trotzt, die auf dem Meer auch noch Schiffe zerstören. Die große Stärke der Kulisse ist die Architektur: Risen hatte schon sehr idyllische Schauplätze, die hier allerdings noch markanter wirken - egal ob einfache Fischerhütten oder imposante Gebäude im kolonialen Stil.

Zwar konnten wir in der spielbaren Version nur eine Gefährtin und zwei recht ähnliche Gebiete der Startphase sehen, aber mit der modularen Welt hat Piranha alle Möglichkeiten für Abwechslung hinsichtlich Stimmung und Artdesign. Ein großes Fragezeichen steht noch hinter den Dungeons, die im Vorgänger zu sterilen Marathonläufen im Untergrund mutierten - auch hier gelobt man handgemachte Besserung, konnte aber noch nichts davon zeigen.

Kampfsystem & NPCs

Dafür konnten wir das veränderte Kampfsystem ausprobieren: Diesmal hat man mehr taktische Möglichkeiten, um seinen Gegner zu überrumpeln - dazu gehören schmutzige Tricks wie geworfener Sand oder auch mal ein Papagei, der den Feind flatternd irritiert. Man kann diesen fest mit der rechten Maustaste fixieren und um ihn herum tänzeln, um den richtigen Moment für einen Schlag abzuwarten. Nur wenn man kurz vor dem Schlag des Gegners die eigene Angriffstaste drückt, kann man elegant ausweichen und mit gutem Timing eine Kombo einleiten, falls man schnell genug zutritt. Bisher wirkt das deutlich intuitiver und ansehnlicher als in Risen. Lediglich der Einsatz von Wurfdolchen und Schusswaffen zeigt noch seltsam unspektakuläre Effekte, wenn Erstere kaum wahrnehmbar gen Feind rasen und Letztere nach einem Knall einfach am Gegner verpuffen, ohne ihn zurückzuwerfen.

Auch die Nichtspielercharaktere machen schon einen guten Eindruck: Jeder geht seiner Arbeit nach, man kann Gespräche belauschen und sich nach witzigen Provokationsdialogen mit Leuten anlegen - dann kommt es zu einer Duellsituation (eine erste Quest heißt "Aufs Maul!"), die nicht mit dem Tod endet. Seltsam ist nur, dass diese nicht mit der Faust ausgetragen werden, sondern sowohl mit Klingen als auch Pistolen. Die Wachen reagieren sofort auf das Eindringen in Tabubereiche oder eine Waffe in der Hand, indem sie ihre Säbel ziehen und den Helden anmaulen: "Nimm das Ding weg - geht doch!" Stehlen wird streng bestraft, allerding sollten die Wachen das konsequent ahnden; zu Beginn kann man sich als Fremder einfach überall an den Tischen bedienen, obwohl man vorher explizit gewarnt wird.

Dialoge & Karriere

In den Gesprächen setzt das Spiel derbe Kontrapunkte zur sonnigen Idylle: Da wird je nach Ort und Figur ordentlich geflucht, gepöbelt und provoziert. Ob das reicht? Neu ist, dass man in den Dialogen auch rhetorisch Einfluss nehmen kann, wenn man entsprechende Fähigkeiten besitzt. Wer sein Gegenüber einschüchtern oder bezaubern will, muss die Skills dafür erstmal haben. Für diese Entwicklungen sucht man Trainer auf, die einem für Gold und/oder Ruhmpunkte etwas beibringen. Gleich zu Beginn kann man das Schlösser knacken erlernen, wenn man einem Gefangenen hilft.

Vieles bleibt noch offen: Wie ist das Spiel bei Nacht? Wie gut sind die Quests? Wie viele Fraktionen gibt es? Bisher sind nur Inquisition und Piraten bekannt. Man wird sich allen als Handlanger anbieten können und muss sich erst spät im Spiel für eine entscheiden. gespannt bin ich auf die weiteren Gefährten, die sich später auf dem Schiff tummeln, das als Basis agiert. Kann Piranha Bytes mit ihnen mehr Persönlichkeit ins Spiel bringen und interaktive Beziehungen zu interessanten Charakteren möglich machen? All das bleibt abzuwarten. Ach ja: das Spiel soll auf Xbox 360 und PlayStation 3 qualitativ gleichwertig sein. Beim Vorgänger hatte die schwache Konsolenumsetzung enttäuscht.

gc-Eindruck: gut

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