Black Box. Hmm, das ist doch dieses EA-Studio, das zuletzt Need for Speed World verbrochen und davor mit Undercover die Serie voll gegen die Wand gefahren hat, oder? Richtig. Und die dürfen jetzt trotzdem schon wieder ein großes Need for Speed für Konsolen und den PC entwickeln? Auch richtig. Klasse, damit dürfte der nächste Flop eigentlich schon vorprogrammiert sein, oder? Falsch!
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Edle Karossen, edles Rennspiel? |
Man soll den Tag zwar nicht vor dem Abend loben, doch nach den ersten Eindrücken von Need for Speed: The Run (
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Als erste Maßnahme verabschiedete man sich von der veralteten Grafikengine der Vergangenheit und setzt stattdessen auf die Frostbite 2-Engine von DICE. Wer sich jetzt eine ähnlich beeindruckende Grafik wie bei Battlefield 3 erhofft, wird allerdings enttäuscht: The Run sieht zwar nicht schlecht aus, aber von Hocker wollen mich die nächtlichen Kulissen und soliden Fahrzeugmodelle nicht reißen. Ja, im Vergleich zu Undercover ist der Fortschritt unverkennbar - zieht man Shift 2 oder Hot Pursuit heran, befindet man sich technisch dagegen maximal auf Augenhöhe, vielleicht sogar ein bisschen darunter.
Der Aufwand hinter dem Motion Capturing lässt allerdings aufhorchen: Blackbox hat sich endlich von den trashigen Videoclips mit C-Klasse-Schauspielern verabschiedet und setzt hier auf einen im Computer erstellten Charakter, der mittels Bewegungsaufnahmen des kompletten Körpers (Full Performance Capturing) zum virtuellen Leben erweckt wird. Alleine im Gesicht werden die Bewegungen von 90 Stellen (inklusive Augenbewegungen) genau erfasst, um eine täuschend echt wirkende Mimik zu erreichen. Auch bei James Camerons Blockbuster Avatar kam eine ähnliche Technologie zum Einsatz.
Was den Raser in der Geschichte antreibt, so schnell wie möglich von San Francisco nach New York zu rasen, ist noch nicht genau bekannt. Auf jeden Fall hat er eine Menge Ärger, denn nicht nur die Hüter des Gesetzes, sondern auch Verbrecher jagen ihn quer durch die USA.
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Mehr Drama, mehr Spannung... |
Dabei gibt es gleich zwei Premieren für die Need for Speed-Serie: Shift einmal ausgenommen, führt die Reise zum ersten Mal durch reale Schauplätze anstatt einer fiktiven Stadt. Insgesamt soll sich das Straßennetz über 300 Kilometer erstrecken und nicht nur in Metropolen wie Chigaco, sondern auch ländliche Gegenden und Gebirge führen. Als weitere Neuerungen werden die Fahrzeuge auch erstmals verlassen. Zwar verbringt man ca. 90 Prozent des Spiels hinter dem Steuer, doch ist man zeitweise auch zu Fuß unterwegs. Einen GTA-Klon darf man nicht erwarten: Die Sequenzen außerhalb der Boliden sind zugunsten der Dramaturgie voll durchgeskriptet und eigentlich nicht mehr als interaktive Filmschnipsel mit kleinen Reaktionstests.
Beim Anspielen musste ich auf der Flucht vor den Cops z.B. im richtigen Moment die eingeblendete Taste oder Analogsticks in eine Richtung drücken, um über Hindernisse zu springen sowie Objekten auszuweichen - das Laufen, die Kameraführung und sämtliche anderen Aktionen werden automatisch übernommen. Kurze Zeit später bin ich in einen Unfall verwickelt und liege kopfüber im Auto - mitten auf den Gleisen. Klar, dass genau in diesem Moment ein Zug mit dem bedrohlichen Pfeifen der Hupe von hinten naht. Hier erweist sich exzessives Buttonmashing als Retter in der Not, so dass ich mit dem Fuß die Scheibe der Fahrertür durchbrechen und gerade noch rechtzeitig aus dem Schrotthaufen flüchten kann.
Die Sequenzen sind klasse gelungen und sorgen nicht nur für Abwechslung, sondern vermitteln auch das Gefühl einer filmreif inszenierten Non-stop-Action. Beim zentralen Element - nämlich dem Fahren - haben die Entwickler allerdings noch etwas zu tun: Die Steuerung wirkt noch etwas zu träge, so dass es schwierig ist, den Boliden präzise über die Pisten zu dirigieren. Will man sich voll für den Arcade-Weg entscheiden, sollte außerdem die Drift-Mechanik leichter von der Hand gehen. Momentan konnte ich noch kein richtiges Gefühl für die Fahrphysik entwickeln, doch hat Black Box bis zum geplanten Release im November ja noch ein bisschen Zeit, um mit Feinschliff endlich wieder in die Erfolgsspur zurückzufinden.
E3-Eindruck:
gut