von Benjamin Schmädig,

Everybody's Gone to the Rapture: Company Director und Komponistin Jessica Curry zieht sich zurück, u.a. aufgrund "hoffnungslos vergifteter Beziehungen" zu Sony

Everybody's Gone to the Rapture (Adventure) von Sony / PlayStation Mobile
Everybody's Gone to the Rapture (Adventure) von Sony / PlayStation Mobile - Bildquelle: Sony / PlayStation Mobile
Company Director und Komponistin des Entwicklerstudios The Chinese Room, Jessica Curry, hat in einem sehr persönlichen Blog-Eintrag auf der offiziellen Webseite "in gewisser Weise" ihren Rückzug aus dem Studiobetrieb angekündigt. Als Gründe zitiert sie eine degenerative Erkrankung sowie schlechte Erfahrungen mit dem Publisher von Everybody's Gone to the Rapture (ab 17,99€ bei kaufen) . Sony hatte das PlayStation-4-Spiel im August veröffentlicht (zum 4Players-Test).

Curry ist mit Creative Director Dan Pinchbeck verheiratet und hatte ihrer Beschreibung zufolge lange gegen die unheilbare Krankheit gekämpft. Trotz körperlicher Erschöpfung sei sie stets an ihre Grenzen gegangen, bis es ihr im Juni dieses Jahres so schlecht ging, dass sie gezwungen war "darüber nachzudenken, was zum Henker ich mir eigentlich antat und welche Auswirkungen das vor allem auf meinen Mann und meinen Sohn hatte."

"Ich kann nicht davonlaufen", schreibt Curry. "Und es ist an der Zeit, mir selbst und denen, die mich lieben, das einzugestehen."

Die Studiochefin und Komponistin aller Spiele von The Chinese Room führt allerdings nicht nur körperliche Ursachen für ihren Rückzug aus der unmittelbaren Spieleentwicklung an. Curry zeigt sich auch unzufrieden über die Zusammenarbeit mit Publisher Sony. "Das 'Big Business' und das Erschaffen von Kunst waren schon immer ausgesprochen schlechte Bettgenossen und Rapture war für mich keine Ausnahme", schreibt sie.

Auf Einzelheiten geht sie nicht ein, um die Arbeit ihrer Kollegen bei the Chinese Room nicht negativ zu beeinflussen. Sie selbst habe sich während der Zusammenarbeit mit Sony aber von einer fröhlichen und kreativen Person in einen reizbaren, unglücklichen Menschen verwandelt. Curry: "Ein Großteil des Stresses [...] rührte von der in meinen Augen hoffnungslos vergifteten Beziehung, in der ich mich wiederfand. Aus den genannten Gründen kann ich keine Einzelheiten aufzählen. Ich kann aber sagen, dass ich nur ungläubig mit dem Kopf schütteln kann, wenn ich auf die Art und Weise zurückblicke, mit der wir behandelt wurden."

Ein dritter Grund für ihren teilweisen Rückzug von The Chinese Room sei das Ansehen von Frauen in der Spieleindustrie. Curry äußert sich enttäuscht darüber, dass sie einen großen Anteil am Erschaffen der Spiele ihres Studios hatte, ihr Mann aber stets die Lorbeeren zugesprochen bekam. Von Journalisten sei sie lediglich als "Dan Pinchbecks Frau" beschrieben worden und als dieser sagte "Jess ist der Kopf des Unternehmens" hätten die angesprochenen Leute gekichert.

"Ich weise nicht ihn (Pinchbeck, Anm. d. Red.) zurück, sondern die Gesellschaft, die noch immer nicht damit klarkommt, dass eine Frau genau so talentiert sein mag wie der Mann, mit dem sie ihr Leben teilt", schließt die Komponistin den Gedanken ab.

Curry werde dem Studio erhalten bleiben. Auch ihr Büro soll es weiterhin geben, ihren Posten als Studiovorsitzende werde sie weiterhin offiziell begleiten. Sie werde außerdem damit fortfahren, Musik zu schreiben - für die Spiele von The Chinese Room sowie für andere Projekte, falls Interesse besteht. Everybody's Gone to the Rapture habe ihr gezeigt, dass sie dies sehr gut beherrsche. Sie wolle außerdem ein großes musikalisches Projekt mit der schottischen Dramatikerin und Dichterin Carol Ann Duffy in Angriff nehmen. Einzelheiten behält Curry allerdings noch für sich.

Letztes aktuelles Video: Launch-Trailer

Quelle: Offizielle Webseite

Kommentare

Baralin schrieb am
Klingt, als ob da viel zusammenkam. Ich glaube auch nicht, dass Spiele entwickeln Kinderfasching ist. Falls Frauen in der Spielebranche nicht dieselben Chancen hätten (?), fände ich das schade. Ansonsten gute Besserung für die Dame.
Doc Angelo schrieb am
Fun fact: Für mich war es in dieser News eine Überraschung zu hören, das sie nicht der alleinige Kopf der Firma ist. Nach dem Durchspielen von Dear Esther hatte ich eine News gelesen, die so ungefähr lautete: "Jessica Curry und ihre Firma arbeiten schon an einem neuen Titel!" An dieser Formulierung ist absolut nichts falsch. Aufgrund vom guten alten Halbwissen ging ich davon aus, das "ihre Firma" bedeutet, das sie alleiniger Chef wäre. So isses manchmal. :D
Skabus hat geschrieben:Company Director klingt für mich nicht wie ein Hausmeisterjob.
Das ist ja das kuriose daran: Sie bleibt weiterhin Company Director ihrer Spiele-Schmiede. Trotzdem zieht sie sich "sort of" aus dem Spiele-Sektor zurück. Was genau sich ändert, bleibt im Dunkeln. Wenn man sich mal die Credits der bisherigen Spiele anschaut, dann fällt einem auf, das immer mehr zusammengerafft wurde. Bei Dear Esther sind es noch typische Credits. Jeder wird für das genannt, was er gemacht hat. Bei A Machine for Pigs wird der grundlegende Fachbereich genannt. Schon weniger spezifisch, und mehr Teamorientiert. Bei Everybody's Gone to the Rapture ist einfach das gesamte Team als eine einzige Einheit genannt. Diese Angaben sind übrigens eine Entscheidung der gesamten Firma selbst - das heißt das alle einverstanden waren, das die Credits so aussehen sollen. Es ist sogar nach dem Alphabet sortiert. Ich finds gut. In einem Team strengen sich alle an, mal mehr mal weniger. Mal mit großem Effekt, mal mit kleinen Auswirkungen. Am Ergebnis sind am Ende alle beteiligt. Das spiegelt sich für mich in den Credits wieder.
Fakt ist: Wer mehr Anerkennung möchte, muss auch ein wenig an die Öffentlichkeit gehen und dort selbstbewusst einfordern. Ob das jetzt Firmen-intern ist oder publikumswirksam nach außen. Ist - wie gesagt - nicht jedermanns/-fraus sache. Sie sagt aber, das sie nicht "egoistisch erscheinen mag", und daher nicht darauf bestanden hat, das speziell ihre Ideen und Beiträge in der Öffentlichkeit auch als solche...
Skabus schrieb am
ChrisJumper hat geschrieben:Ich mag den Begriff auch nicht, sehe ihn aber als einen technischen Begriff, daher kann man ihn nicht "entmenschlichen", seine Benutzung oder der Versuch mit dessen Argument einen Zwang oder Druck aufzuerlegen kann natürlich ethisch fraglich sein. Das finde ich unter den Gesichtspunkten auch nicht gut.
Oh da war ein Schreibfehler. Es sollte "entmenschlichenden" heißen. Gemeint war: Einen Menschen auf seinen Marktwert zu reduzieren ist eben entmenschlichend. Sicher hast du das nicht gemeint, ich habe aber den Eindruck, dass viele Menschen der Ansicht sind, dass man eher einem Menschen mit "hohem" Marktwert Rechte zugesteht, als Menschen mit geringem Marktwert. Auch der Manager eines Aldi irgendwo in einem unbekannten Kaff hat einen gewissen Respekt aufgrund seiner Position verdient. Es spielt aus meiner Sicht keine Rolle ob man berühmt ist oder nicht. Als Mensch sollten wir jeden Menschen wahrnehmen, nicht nur die markttechnisch "wertvolleren".
ChrisJumper hat geschrieben: Es gibt fast keine Arbeit die man verniedlichen sollte... wie "damit Spieler in ihrere Freizeit zocken können.". Das ist wichtig, das ist Kultur das ist Bereicherung.
Ich wollte damit nicht die Spieler oder die Spielebranche an sich "herabwürdigen". Keineswegs. Ich wollte damit nur die Verbindung zwischen Entwickler und Spieler herstellen. Der Kunde ist ebenso wenig Kaufsklave wie der Entwickler Produktionssklave ist. Beide Parteien haben sicher ihre Rechte und Pflichten und ihre Rolle innerhalb des Marktes. Ich bezog mich nur auf die negative Entwicklung der letzten Jahre. Entwickler werden oft einfach mal durch die Bank als Idioten, Nichtskönner, absolute Versager oder dergleichen hingestellt. Auch von Journalisten. Selbst hier auf 4P gabs hin und wieder Formulierungen, wo ich mir gedacht habe, dass ein wenig mehr Respekt vor der Arbeit der Entwickler nicht schlecht wäre. Klar, man kann gerne etwas bissiger schreiben und etwa sagen: "Da haben die Entwickler...
CritsJumper schrieb am
Skabus hat geschrieben: Ich persönlich empfinde es immer genau andersrum. Der "Marktwert" wenn man von so einem entmenschlichten Begriff sprechen möchte, liegt oft viel viel höher als man anhand der oft respektlosen Haltung vieler Spieler vermuten würde. Viele Entwickler leisten sehr stressige, kräftezehrende Arbeit, damit Spieler in ihrer Freizeit zocken können. Und dann werden sie oft beschimpft oder sogar mit Morddrohungen überhäuft, von Menschen, die eigtl. froh sein sollten, dass es Leute gibt, die ihnen ihre Freizeitbeschäftigung ermöglichen. Gerade wenn man richtig gut ist und eben nicht nur kleine unerfolgreiche Spiele macht, sondern große Prestige-Projekte macht, ist ein wenig Anerkennung und Respekt nicht zu viel verlangt.

Ich mag den Begriff auch nicht, sehe ihn aber als einen technischen Begriff, daher kann man ihn nicht "entmenschlichen", seine Benutzung oder der Versuch mit dessen Argument einen Zwang oder Druck aufzuerlegen kann natürlich ethisch fraglich sein. Das finde ich unter den Gesichtspunkten auch nicht gut.
Mit dem Marktwert meinte ich aber das Übergeordnete und den Alltag eines jeden von uns. Für mich ist es klar das wir als Individuen nur begrenzt etwas leisten können. In diesem Fall Komponisten und Künstler mal außen vor gelassen, obwohl ich denke das diese auch, allein in einer Raumstation eingeschlossen ohne das Leben auf der Erde weniger Kreative wären. Für mich ist das Lob einer Arbeit nicht immer direkt individuell adressierbar. Die Reporter, wie im Blog angedeutet und Menschen welche dies tun, sind einfach zu kurzsichtig.
Es gibt fast keine Arbeit die man verniedlichen sollte... wie "damit Spieler in ihrere Freizeit zocken können.". Das ist wichtig, das ist Kultur das ist Bereicherung. Wäre es das nicht müsste es erfunden werden und ohne diesen Job würde die Autorin eh etwas anders machen. Macht sie aber nicht. Die Publisher Seite ist auch eklig, bestimmt nicht einfach. Aber nun mal der Job der Publisher. Wer damit nicht zufrieden...
Skabus schrieb am
Doc Angelo hat geschrieben:Also ich persönlich hab mich noch nie "entmenschlicht" gefühlt, wenn ich mitgehört habe, das mich jemand als "der Freund/Mann von XYZ" bezeichnet hat. Genau das bin ich doch auch.
Nagut, das ist dann Ansichtssache. Ich denke auch da liegt der Knackpunkt. Ich persönlich fühle mich davon auch nicht beleidigt, aber ich kann mir einfach gut vorstellen, dass es Menschen gibt, die sich nicht gerne auf ihre Ehe/Partnerschaft reduzieren lassen wollen und gerne als eigenständige Person wahrgenommen werden möchten. Ist denke mal kein allzu abwegiger Wunsch? Unabhängig erstmal davon ob ich Ruhm und Berühmtheit will oder nicht.
Ob das hingegen nun ALLEIN der einzige Punkt ist, wage ich nicht zu beurteilen, es ist aber ein Punkt, der den Eindruck verstärkt, man ist eben nicht mehr als der "dazugehörige" Teil. So nach dem Motto: Naja ist ja ein erfolgreicher Mann, da gehört natürlich auch irgendeine Frau dazu.
Und wenn wir rein geschichtlich mal überlegen: Egal ob ein Mann oder eine Frau an der Spitze einer Regierung war, die Stellung des Mannes war halt einfach immer "besonders". Man hat die Machtstellung einer regierenden Frau zwar innerhalb des Mileus anerkannt aber eben nicht (gerne) nach außen getragen. Ausnahmen gab es, aber das sind wie der Name sagt "Ausnahmen".
Ich finde es halt befremdlich, dass wir immernoch solche Berührungsängst damit haben, dass Frauen Führungspositionen übernehmen. Ich wüsste nicht wie man sonst das Gekicher der jeweiligen Journalisten interpretieren soll? Welchen (harmlosen) Grund gäbe es da denn zu kichern? Mir fällt keiner ein...
Zugegeben, ich hab den Artikel nicht gelesen oder das Interview nicht gesehen. Aber ich kann mir schlecht vorstellen, dass Jessica Curry sich sowas ausdenkt. Überinterpretiert vielleicht. Aber das ist eben der Punkt mit der Empathie: Es spielt keine Rolle, ob man es allgemeingültig als beleidigent gilt, sondern ob die entsprechende Person es in der Situation beleidigend bzw. herabwürdigend...
schrieb am