von Marcel Kleffmann,

Das Ende des "Kuchentages": Bericht über prekäre Arbeitsbedingungen in der Spiele-Industrie bei Team Bondi

Rockstar Games (Unternehmen) von Rockstar Games
Rockstar Games (Unternehmen) von Rockstar Games - Bildquelle: Rockstar Games
Aktualisierung vom 17. Oktober 2018, 10:45 Uhr:

Ein weiterer Ex-Rockstar-Mitarbeiter (Job J. Stauffer) teilte seine Erfahrungen im Zuge der jüngsten Ereignisse. Sein Bericht bezieht sich auf die Arbeitsbedingungen bei der Entwicklung von Grand Theft Auto 4 (2008). Er meinte, dass "es während der GTA-4-Ära so war, als würde man sieben Tage die Woche mit einer Waffe am Kopf arbeiten." Er schrieb weiter, dass man am Samstag und Sonntag bloß im Büro sein sollte, denn wenn Sam oder Dan Houser (Gründer von Rockstar Games) hereinkommen würden, würden "sie sehen wollen, dass alle so hart arbeiten wie sie". Auch als Stauffer die "Grippe" und eine allergische Reaktion hatte, erhielt er einen abfälligen Kommentar vom Arbeitgeber.





Stauffer will außerdem von "Dutzenden von Rockstar-Mitarbeitern" gehört haben, dass sich das Arbeitsumfeld auch in den letzten Jahren nicht verändert habe.

Twitter: "Ich habe ohne Zweifel den Vorteil, dass ich das Studio vor fast zehn Jahren verlassen habe und es mag sich mittlerweile geändert haben. Dennoch habe ich von Dutzenden von R* Leuten in den letzten Jahren gehört, dass es weitergeht, und ich bin nicht überrascht. Es war das rücksichtsloseste und intensivste Arbeitsumfeld, das man sich vorstellen kann."




Jason Schreier empfiehlt anderen Angestellten, die ähnliche Erfahrungen bezüglich prekärer Arbeitsbedingungen gemacht haben, dass sie sich melden sollen, auch in anonymer Form - zum Beispiel bei Kotaku.

Ursprüngliche Meldung vom 17. Oktober 2018, 00:01 Uhr:

Die Debatte um prekäre Arbeitsbedingungen in der Spiele-Industrie geht weiter, obwohl Dan Houser von Rockstar Games gestern versucht hatte, die Wogen rund um die 100-Stunden-Woche im Zuge der Story-Finalisierung von Red Dead Redemption 2 zu glätten (wir berichteten).

Nun meldete sich Jenn Sandercock (Game Designerin) in einer Tweet-Serie zu Wort und gab einen Einblick in die Arbeitsbedingungen bei einer AAA-Firma, deren Name sie am Ende doch nannte. Ihre Erlebnisse machte sie bei Team Bondi (Entwickler von L.A. Noire; Release: 2011) und Publisher Rockstar Games. Sie beschreibt das Ende des "Kuchentages" und die Auswirkungen von "Crunch" auf die Moral der Mitarbeiter. "Crunch" beschreibt die Phasen bei der Spiele-Entwicklung, in denen die Mitarbeiter wochenlang Überstunden machen (müssen), um Deadlines zu erfüllen, damit ein Feature oder das ganze Spiel noch rechtzeitig erscheinen kann.

Sandercock schrieb: "Ich habe einmal in einer AAA-Firma gearbeitet. Als ich anfing, sahen alle so unglücklich aus, nach buchstäblich Jahren harter Arbeit und Crunch. Also habe ich spät abends nach der Arbeit zwei Kuchen für das Büro gebacken. Ich habe eine Massen-E-Mail verschickt und wir alle haben 30 Minuten verbracht, um Kuchen zu essen und zu reden. Einmal pro Woche wurde es zur Regel, was treffend 'Kuchentag' genannt wurde. Als Neueinsteiger im Unternehmen hat mir das sehr geholfen, die Menschen in den verschiedenen Abteilungen zu treffen. Als ich Fehler beim Sound oder bei der Beleuchtung fand, wusste ich, an wen ich mich wenden musste, weil ich mit ihnen beim Kuchen geplaudert hatte."

"Es wurde erwartet, dass wir sehr spät und an Wochenenden regelmäßig arbeiten. In meiner Freizeit habe ich Kuchen gemacht und darauf freuten sich viele [Mitarbeiter] einmal pro Woche für kurze 30 Minuten. Es half der Moral erheblich. Eine kleine nicht-wissenschaftliche Studie, die ich durchgeführt hatte, zeigte, dass am 'Kuchentag' mehr Bugs/Fehler behoben wurden!"

"Nach einigen Monaten wurde ich von meinem Chef zur Seite genommen. Anscheinend dachten die Höheren, dass unser gesamtes Büro die ganze Zeit nachgelassen hat, weil wir einmal pro Woche Kuchen aßen. Mir wurde gesagt, dass ich meine Karriere gefährde, indem ich weiterhin Kuchen für das Büro backen würde. Mir wurde gesagt, dass wir den Kuchentag machen könnten, aber nur in der Mittagspause - wenn die Leute mittags essen und sie nicht wirklich die Nachmittagsteepause mit viel Zucker brauchen würden. Ich versuchte, zurückzuschlagen."

"An dem Tag, an dem mir gesagt wurde, ich solle keinen Kuchentag machen, hatte ich bereits einen Kuchen gebacken. Ich hatte solche Angst, dass ich beschloss, nichts anzukündigen. Ich habe diesen Kuchen nie gegessen. Es war ein Portal-Kuchen. Das ist es, was freiwilliger Crunch-Druck tut: Er macht den Menschen Angst zu glauben, dass es keine andere Wahl gibt."

"Heute habe ich geschworen, dass ich nirgends arbeiten werde, wo die Mitarbeiter nicht einmal pro Woche 30 Minuten Zeit haben, um so etwas wie den Kuchentag zu machen. Zum Glück für mich MUSS ich jetzt im Rahmen meines Jobs bei #edibleGames Kuchen backen! Wenn du Crunch magst, ist es gut, aber du musst wissen, wie es sich auf andere um dich herum auswirkt."

"Da es für die Debatte in dieser Woche relevant ist und für diejenigen, die mich nicht kennen, das AAA-Studio war Team Bondi. Der Publisher, der meinen Chef unter Druck setzte, mich vom Kuchentag abzubringen, war Rockstar."




Hiermit endete die Schilderung ihrer Erlebnisse. Die Arbeitsbedingungen bei Team Bondi waren schon nach der Veröffentlichung des Spiels ziemlich berüchtigt. So hielt es Brendan McNamara, Chef des LA-Noire-Entwicklungsteams Team Bondi, für völlig angemessen, dass sich seine Mitarbeiter mit langen Arbeitszeiten "selbst umbringen", denn genau darum würde es in diesem Geschäft gehen, hieß es in einem Bericht bei Kotaku aus dem Jahr 2011. Rockstar Games beendete 2011 die Zusammenarbeit mit Team Bondi.
Quelle: Kotaku, Resetera, Jenn Sandercock, Dualshockers, Job J. Stauffer

Kommentare

SethSteiner schrieb am
Ryo Hazuki hat geschrieben: ?19.10.2018 10:07
FuerstderSchatten hat geschrieben: ?18.10.2018 12:46
Ryo Hazuki hat geschrieben: ?17.10.2018 10:25 Hätte die alte weniger Kuchen gebacken, dann wäre LA Noire auch besser geworden, jetzt heult sie rum. :roll:
Ach ich mag unsere firstworldproblems die sind so klasse! :ugly:
Ernsthaft, du denkst das hat was mit First World Problems zu tun? Wenn man bei einer der dicken Internetkonzerne in den USA als Programmierer angestellt ist und damit ein schönes Haus und das College für den Junior sicher hat, wird man das sicher nicht riskieren. Denn wenn du in den USA rausgeschmissen wirst, könntest du genauso gut auch arbeitslos in irgendeinem Dritten Welt Land sein. Es ist davon auszugehen, wenn du erstmal z.B. bei Google rausgeworfen worden bist, wirst du wohl eher bei keiner der anderen Techfirmen mehr genommen werden. So wird Druck aufgebaut und dafür nimmt man dann auch 100 Stunden und keinen Kuchentag mehr in Kauf.
Davon ab, dass diese Leute so schnell wie möglich so viel wie möglich verdienen müssen, weil wenn sie nicht gerade in Führungsposition sind, werden sie mit 40, spätestens aber mit 50 aussortiert.
Ich hab da null Mitleid. Es gibt Familien, die ebenso Kinder haben, und nicht einmal das Geld besitzen, Kuchen in einem Monat für vier Leute zu backen. Es interessiert mich also wenig ob die Tante dafür von ihren Managern angezählt wird.
That's Life. Such dir halt nen anderen Job.
Was eine gequälte Seele du doch bist.
Ryo Hazuki schrieb am
Kajetan hat geschrieben: ?19.10.2018 10:18
Ryo Hazuki hat geschrieben: ?19.10.2018 10:07 Ich hab da null Mitleid. Es gibt Familien, die ebenso Kinder haben, und nicht einmal das Geld besitzen, Kuchen in einem Monat für vier Leute zu backen. Es interessiert mich also wenig ob die Tante dafür von ihren Managern angezählt wird.
That's Life. Such dir halt nen anderen Job.
Erbärmlicher Whataboutism als Ausrede für die eigene Ignoranz. Nicht schlecht ...
https://www.youtube.com/watch?v=ZeIgQXINLxg
Kya schrieb am
xKepler-186f hat geschrieben: ?17.10.2018 13:33
Jazzdude hat geschrieben: ?17.10.2018 13:09
....
@topic: Ich könnte mich selbst dafür Ohrfeigen die Rockstar Games dann eben doch zu kaufen. Man weiß unter welchen Bedingungen das Zeug hergestellt wurde. Da ist es wie bei Kleidung und co. Aber junge, Verzicht ist doch eine schwere Tugend.
+1
Das trifft es ganz gut, heutzutage. Man kennt ja die Produktionsbedingungen, egal ob in der Kleidungsindustrie oder aber auch in der Tierhaltung, aber der Verzicht ist dann eben doch schwieriger als man denkt.
Luxus vs Notwendigkeit.
Warte einfach ein paar Tage und kaufe RDR2 gebraucht. Rockstar sieht dann keinen Cent von Dir.
Kajetan schrieb am
Ryo Hazuki hat geschrieben: ?19.10.2018 10:07 Ich hab da null Mitleid. Es gibt Familien, die ebenso Kinder haben, und nicht einmal das Geld besitzen, Kuchen in einem Monat für vier Leute zu backen. Es interessiert mich also wenig ob die Tante dafür von ihren Managern angezählt wird.
That's Life. Such dir halt nen anderen Job.
Erbärmlicher Whataboutism als Ausrede für die eigene Ignoranz. Nicht schlecht ...
schrieb am