Nachdem Take 2 angekündigt hat, dass zum Gangster-Epos Mafia 3 (
ab 8,94€ bei kaufen) im Vorfeld keine Testversionen verschickt werden, wird man automatisch hellhörig. Glaubt man nicht an die inhaltliche Qualität? Gibt es technische Probleme? Oder möchte man schlichtweg Story-Spoiler durch die Presse verhindern? Wie dem auch sei, wir spielen seit gestern auf den Konsolen und gehen derzeit davon aus, euch Anfang bis Mitte nächster Woche den Test mit finaler Wertung anbieten zu können. Doch vor dem Wochenende möchten wir unsere Eindrücke der ersten Stunden gschildern.
Charakterzeichnung und Inszenierung sind nach den ersten Stunden die Aushängeschilder von Mafia 3
Bisheriger Höhepunkt ist zweifelsfrei die Inszenierung. Angefangen von den im Stile einer Dokumentation aufgezogenen Interviews mit Zeitzeugen, die über die Aktionen des Protagonisten Lincoln Clay und seinen Aufstieg innerhalb des organisierten Verbrechens sprechen bis hin zu den fiktiven Aufzeichnungen, die um reale Filmsequenzen aus dem Vietnam-Krieg oder die Ermordung John F. Kennedys ergänzt werden, wird hier kinoreife Atmosphäre geschaffen. Dass man innerhalb der Erzählweise immer wieder zwischen der Gegenwart und der Vergangenheit springt, in der man das vorher Angedeutete spielen muss, sorgt für zusätzliche Spannung und Neugier. Ebenfalls bemerkenswert: Die Mimik in den Interviewsequenzen ist sehr gut und deutlich besser als z.B. bei Until Dawn – beinahe auf einem Niveau mit dem Primus Uncharted 4. Bei Szenen, die nicht nach Schnittwechsel beginnen, sondern in der Spielwelt New Bordeaux (einer fiktiven Vision von New Orleans) abgespielt werden, sackt das Niveau etwas ab, bleibt aber hinsichtlich Ausdruckskraft weiterhin überdurchschnittlich. Die Qualität des Drehbuchs ist ebenfalls deutlich besser als erhofft: Fiktive Geschehnisse werden nahtlos mit realen verknüpft, so dass man unter dem Strich bislang ein überzeugendes Bild einer Südstaatenstadt Ende der 60er Jahre zeichnet – den offen zur Schau gestellten und als zentrales Story-Element verwendeten Rassismus inklusive. Dies ist bislang die Stärke von Mafia 3. Ich bin gespannt, ob Hangar 13 die Zeitsprünge, Tempowechsel und erzählerische Qualität auch in der sich langsam öffnenden Welt aufrechterhalten kann oder ob man sich irgendwann dem Fluch der offenen Welt beugen muss, für den bislang nur die Teams von Rockstar Games eine Lösung gefunden haben.
Spielmechanisch hingegen bietet man bisher nur selten mehr als Durchschnitt à la Grand Theft Auto, sprich: fahren, schleichen, schießen. Und während alles unkompliziert von der Hand geht und die durchaus auf Deckung fokussierten Feuergefechte wuchtig inszeniert werden, sorgen vor allem die schwachen Einlagen der KI für Sorgenfalten - vor allem auch, da dadurch das Anforderungsprofil unnötig gesenkt wird. Es ist z.B. viel zu einfach, die Gegner bei Schleicheinlagen voneinander zu trennen und unbemerkt zu meucheln, so dass die anfängliche Spannung zu schnell verfliegt. Hier ist das Action-Trio aus Los Santos weiter, ganz zu schweigen von „richtigen“ Stealth-Spielen wie Metal Gear Solid 5. Doch auch hier bleibt natürlich abzuwarten, ob diese Schwächen durch Stärken im Missionsdesign mittelfristig aufgefangen werden können, das in den ersten Stunden sehr bieder daher kommt und noch Luft nach oben hat.
New Bordeaux wirkt zu jeder Tages- und Nachtzeit sehr stimmungsvoll.
Was hat die Kulisse abseits der Mimik der Figuren noch auf dem Kasten? Kann sie mit Rockstars Gangster-Epos mithalten? Im Großen und Ganzen schon. New Bordeaux als Stadt wirkt sehr stimmungsvoll - auch beim Tageszeitwechsel. Die Kulisse bleibt auf beiden Konsolenssytem weitgehend flüssig, muss aber ab und an mit kleinen Einbrüchen in der Bildrate sowie Pop-Ups fertig werden. Derzeit scheint es, als ob die Sichtweite bzw. Bevölkerungsdichte auf der Xbox One im Vergleich zu PS4 etwas reduziert wurde, doch ob sich dieser Eindruck verfestigt, werden wir erst im Test aufschlüsseln. Sehr schön: Die Umwelt reagiert überzeugender auf die Spielfigur als die Gegner. Ist man z.B. mit gezückter Waffe unterwegs, warnen sich die Zivilisten gegenseitig und wenn es ihnen zu bunt wird, rufen sie auch gerne die Polizei, die dann zum Tatort kommt, um nach einem "bewaffneten Farbigen" zu suchen. Ebenfalls schön: Die Figuren reagieren bei den Gesprächen, die in Fahrzeugen stattfinden, deutlich auf Karambolagen, unterbrechen ihre Rede für eine Beschimpfung oder einen Kommentar, bevor sie mit einem "Wo war ich? Ach ja:..." weitermachen.
Einschätzung: gut
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