von Alice Wilczynski,

Respawn - Gathering of Game Developers: Wolfgang Walk über Storytelling und wieso Spielmechaniken wichtiger sind

Respawn - Gathering of Game Developers (Events) von Aruba Events GmbH
Respawn - Gathering of Game Developers (Events) von Aruba Events GmbH - Bildquelle: Aruba Events GmbH
Neben der Game Developers Conference versammelten sich auch auf der Respawn – Gathering of Game Developers Entwickler, Professoren und kreative Köpfe, um über Themen wie Spielkultur, Game Studies und die Entwicklung von Spielen zu sprechen. Einer davon war Wolfgang Walk, der mit seiner Firma „Grumpy Old Men“ jungen Start-Ups bei der Entwicklung von Spieldesign und Storytelling hilft.



Sein Vortrag “Narratification or: How classical storytelling damages your game” thematisierte den nach seiner Meinung prominenten Irrglauben, dass die Geschichte eines Spiels eine Struktur ist, die von Entwicklern erschaffen wird. Walk sieht Story jedoch als Effekt, der von unserer Psyche ausgelöst wird. Der Zweck von Geschichten sei es einerseits die abstrakten Regeln eines Spiels zu konkretisieren und andererseits Ethik und Moral zu thematisieren. Pac-Man und Tetris zeigten jedoch, dass Spiele problemlos ohne Story auskommen. Walk ging sogar so weit und betonte, dass er 90% der Story-Anteile in den meisten Spielen kürzen würde, da sie überflüssig seien. So informieren uns die Mechaniken eines Spiels über die Regeln der Spielwelt, den primären Konflikt und den Held der Geschichte. Wenn diese drei Elemente harmonisch zusammenspielen, brauche es kein zusätzliches „Story-Füllmaterial“. 

Als positives Beispiel nannte er die Anti-Kriegssimulation This War of Mine, in der Spieler in die Rolle eines Zivilisten in einer vom Krieg zerstörten Welt schlüpfen. Die Regeln der Spielwelt beschreiben eine legale Anarchie (world rules). Man steht regelmäßig vor ethischen Konflikten, Dilemmata und Entscheidungen in einer brutalen Spielwelt (conflict). Die Helden des Spiels stellen eine Gruppe von Überlebenden dar, die zu einem anderen Ort gelangen müssen (hero). Diese drei Grundpfeiler reichen nach Walk aus um die Spielmechaniken für den Spieler zu „vergeschichtlichen“ (engl. narratize). Ohne zusätzliche Zwischensequenzen und Geschichten schaffe es This War of Mine, beim Spieler Empathie für die Protagonisten auszulösen und einen Eindruck der Spielwelt zu vermitteln.
Ein Spiel, bei dem Spielregeln und Konfliktsituation nicht harmonieren, sei Bioshock. Die Weltregeln der „legalen Anarchie“ widersprechen nach Walk dem Hauptkonflikt des Spiels. Der Fakt, dass die Verbesserungen des Spielcharakters zur Selbstzerstörung führen, mache im Kontext der eigentlich anarchistischen Spielwelt keinen Sinn. Das Spiel schaffe es somit, anders als This War of Mine, nicht rein über die Spielmechanik die Geschichte des Spiels zu vermitteln.

Nach Walk scheitern viele Spiele außerdem an der Inkonsistenz der Handlungen in den Zwischensequenzen und im tatsächlichen Spiel. Während Nathan Drake in den Zwischensequenzen von Uncharted den sympathischen Schatzjäger und liebevollen Freund mimt, tötet er im tatsächlichen Spiel Tausende von unschuldigen Menschen. Manche Shooter inszenieren in ihren Zwischensequenzen Gefühle von Zusammenhalt, Schuldgefühl und Emotionen, während es im tatsächlichen Spiel doch nur um die höchste Headshot-Ratio oder um die brutalsten Kills geht.
Diese Form des Spieldesigns zerstöre die „willentliche Aussetzung der Ungläubigkeit“ (engl. Suspension of disbelief). Da die Protagonisten so anders handeln als ihre Charakterzeichnung, seien Spieler nicht mehr fähig, der Illusion der Spielwelt Glauben zu schenken, wodurch das Spielerlebnis laut Walk ruiniert wird. 

Abschließend betonte Walk, dass die Arbeit von Level-Autoren heutzutage durch die zahlreichen Vorgaben von Publishern immens erschwert werde. Dennoch sei es essenziell, dass nicht nur Spieleentwickler, sondern auch Autoren die Spielmechaniken genau kennen, um daraus die konkreten Handlungen für den Spieler abzuleiten.


Kommentare

Sir Richfield schrieb am
Sacrifyr hat geschrieben:Ich bin der Meinung, dass der Vergleich von Pac-Man und Tetris zu heutigen Spielen etwas weit hergeholt ist. Er lässt die Entwicklung der Menschen und ihrer Interessen völlig außer Acht.
Früher waren Pac-Man und Tetris ein Renner, heutzutage sind sie gerade noch dazu gut (jedenfalls sicher für die meisten Spieler) ein paar Minuten auf ihrem Smartphone am Bahnhof rumzubekommen.
Du hast erkannt, aber nicht verstanden, dass du damit dem Mann recht gibst. ;)
PacMan und Tetris funktionieren ALS SPIELE!!! heute noch, gerade weil sie keine Story haben, der Fokus alleine auf dem Gameplay liegt.
Spiele, die Storyfokussiert sind und sich bei der Erzählung der Story auf die Art von Erzählung verlassen, die alle aus dem KINO! gewöhnt sind, die stellen sich damit selber ein Bein, weil ein Spiel kein Film ist.
Nichts anderes wurde gesagt.
Was Uncharted betrifft: Ob es alle verstanden hätten, wenn er Other M als Beispiel genannt hätte?
Wahlweise sei den des Englischen Mächtigen diese Seite ans Herz gelegt:
http://tvtropes.org/pmwiki/pmwiki.php/M ... egregation
Uvirith schrieb am
Xris hat geschrieben:Ja aber ganz ehrlich... diese Spieler wären dann auch besser in offline Spielen aufgehoben... und zum Nachteil wurde es ja leider auch für mich. Das beste Beispiel ist WoW... es gab mal eine Zeit da BRAUCHTE mann zwingend eine Party um im Spiel weiterzukommen. Das war für mich immer primär der Sinn dahinter.
Das hat sich aber bis Heute nicht geändert. Schon zu WoW Classiczeiten machte man alles Solo bis zum Raid. Ab dann brauchte man eine (damals 40 Mann starke) Gruppe.
Ich war immer der Meinung das mmo`s bis hin zum Endgame ein Solo-Erlebnis sein sollten. Die klassische "Me-Time" bevor man sich dem Gruppencontent widmet.
Uvirith schrieb am
Bastian.vonFantasien hat geschrieben:Wie ich es hasse, wenn die Leute versuchen aus Videospielen eine Wissenschaft/ Kunstwerk zu machen
und dann ellenlos lange Disskussionen darüber führen.
Videospiele sind Videospiele und das sollten sie auch bleiben. Da zieh ich mir doch lieber ein
"Die Schlümpfe" für SNES rein, als irgendwelche von studenten Entwickelten Indi-Games die von sich
behaupten pädagogisch Wertvoll zu sein.
Viele Menschen haben die Bedeutung von einem Spiel völlig vergessen...
Ehm, hier referiert ein Developer vor anderen Developern. Die müssen aus Spielen eine Wissenschaft machen, weil es deren Lebensgrundlage ist. Wie viele lieblos hingeklatschte Spiele bei denen sich keiner auch nur einen Funken Gedanken gemacht hat würdest du kaufen?
Die Schlümpfe für SNES hatte sicher auch hunderte Mannstunden an Meetings und Diskussionrunden hinter sich ;-)
OnTopic:
Ich bin in Teilen seiner Meinung, jedoch sind Tetris und Pac-Man schlechte Beispiele, da beide in heutigem Licht gesehen extrem langweilige Spiele sind. Die waren damals nur gut weil Gaming an sich neu war.
Persönlich bin ich kein großer Fan von "Selbstläufern" wie This war of mine (ein mächtiger Fehlkauf von meiner Seite btw. Selten ein so langweiliges Spiel gespielt). Ich habe zwar eine gute Fantasie, das Hineinversetzen in Charaktere die ich nicht selbst generiert habe fällt jedoch sehr schwer wenn man überhaupt keinen Handlungsbogen hat.
Als positives Beispiel würde ich Bloodborne nehmen. Kaum direktes Storytelling, am Ende des Spieles weiß man jedoch trotzdem genug (wenn man sich auch die Item-Descriptions durchgelesen hat) um das Spiel zu verstehen.
Wiederspielwert ist darum auch enorm hoch, weil man mit seinem Vorwissen aus dem ersten Playthrough dann die fehlenden Teile der Story ersetzen kann.
Perfekt meiner Meinung nach.
Als Konterargument würde ich jetzt den Witcher 3 nehmen. In dem Spiel auch nur einen einzigen Satz an Story zu streichen wäre ein Sakrileg. Und mit Weniger Story würde etwas am Spiel...
Isterio schrieb am
Der Herr macht einige gute Punkte, doch für mich ist die Story oft wichtiger, als das Gameplay an sich. Spiele, die auf eine Story verzichten oder kaum eine aufweisen, vermögen es selten mich zu fesseln. Story ist für mich Motivation. Warum bin ich hier und was wird passieren? Nur die Gamemechanik ist mir einfach zu banal (mit Ausnahmen).
Das ist einfach Geschmackssache. Es kommt auf das Spiel und die Spieler an. Es gibt nicht nur EINEN richtigen Weg ein Spiel zu machen. Offenbar weiss der Herr dies nicht, denn er scheint die einzig wahre Wahrheit zu kennen.
Temeter  schrieb am
Xris hat geschrieben:
Dark Souls hat ne Story?
Nö hats nicht. Und Dark Souls ist sogar ein gutes Beispiel dafür das ein gutes Spiel keine komplexe Story braucht. Es ersetzt Story mit einer intensiven Atmosphäre die wiederrum das Mittendringefühl intensiviert. Das schaffen nur wenige Spiele und jene die sehr storyintensiv sind meiner Meinung nach am wenigsten. Hier wird mann, weil der/die Protagonisten bereits vorgezeichnet sind, doch eher zum Zuschauer verdammt.
Ich würde eher sagen, die Story von Dark Souls ist das, was dein Char während des Spiels macht. Scheint für mich in etwa das zu sein, welche Art von Storytelling der Typ hier bewirbt.
schrieb am