Game Developers Conference Europe 2016
15.08.2016 21:27, Marcel Kleffmann

Vortrag: Shams Jorjani über gemachte Fehler von Paradox Interactive und das Überleben im "roten Ozean"

Shams Jorjani (Vice President Products - Brands & Production) von Paradox Interactive blickte in einem überraschend humorvollen und ehrlichen Vortrag im Rahmen der Game Developers Conference Europe 2016 auf die Geschichte von Paradox als Publisher und vor allem auf die Misserfolge des Unternehmens zurück - um angehende Entwickler und Studios vor ähnlichen Fehlern zu bewahren. Er charakterisierte das Unternehmen anfänglich als einen "stellenweise ziemlich seltsamen" Publisher von Nischentiteln auf PC, der zunächst nur "beschissene" Spiele rausbrachte, bevor sie dann langsam aus den eigenen Fehlern lernten.

Zunächst stellte er klar, dass man sich bewusst sein müsse, welche Stärken die eigenen Mitarbeiter hätten, was sie überhaupt erreichen wollen und welche Ziele sie verfolgen würden - und darauf sollte man seinen Business-Plan ausrichten. Negativ-Beispiel: Mehrere Entwickler von Strategiespielen wollten sich an einem Rollenspiel (Runemaster) versuchen. Das Projekt ging völlig in die Hose und wurde vor der Veröffentlichung eingestellt. Man soll bei den Sachen bleiben, die man kann und in denen man gut ist, sagte Jorjani. Des Weiteren sollte man investieren und neues Personal einstellen oder Aufgaben abgeben, damit man sich um seinen Bereich kümmern könne. Er meinte, dass er eine Firma kennen würde, bei der der Chef-Entwickler noch immer den Lieferschein vom Klopapier unterzeichnen müsste, anstatt jemanden zu haben, der diese leidigen Aufgaben für ihn erfüllt.

Dann kam er auf einen "Near Miss" (Beinahezusammenstoß; Beinahekatastrophe) am Beispiel von Magicka zu sprechen, denn Magicka war technisch furchtbar unfertig veröffentlicht worden. Allein in der ersten Woche sind fast zwei Dutzend Patches für das Spiel erschienen. Das waren so viele Patches, dass die Crack-Ersteller es aufgaben, neue Cracks für das Spiel zu erstellen. Trotz des fehlerhaften Zustands verkaufte sich der Titel gut, weil es im Kern überraschte und Spaß machte - getreu der Devise "Gute Spiele verkaufen sich von allein". Bei Magicka 2 wollten sie es dann besser machen und brachten einen Nachfolger auf den Markt, der technisch deutlich besser war, aber in Sachen Überraschung, Spielwitz und Inhalt stagnierte. Sie veröffentlichten quasi die gleiche Version wie Magicka noch einmal - nur mit besserer Technik. Das wollten die Spieler nicht. Dieser Fehler - ein verbuggtes Spiel mit einen technisch besseren, aber inhaltlich kaum veränderten Nachfolger zu produzieren - wiederholten sie dann mit War of the Roses und War of the Vikings. Er zieht das Fazit: Man soll zu seinem Produkt stehen und es möglichst lange unterstützen, auch wenn es floppt, anstatt überstürzt einen technisch besseren Nachfolger zu entwickeln. Eine weitere Konsequenz war die Entwicklung der "Paradox Game Pillars " (Spielgrundsätze), die jedes Spiel von Paradox bestenfalls erfüllen sollte.

Auch Überlebensstrategien im "roten Ozean" sprach er an, also wie ein Unternehmen in einem weitgehend gesättigten Markt überleben kann, in dem viele Mitbewerber tätig sind. Die erste Strategie sei es, möglichst flexibel zu sein und sich vollends auf neue Trends einzustellen. Als Beispiel nannte er Climax, die derzeit ausschließlich Virtual-Reality-Titel entwickeln würden. Die zweite Möglichkeit sei es, sich möglichst breit aufzustellen. Wie Image & Form könnte man ein Spiel auf möglichst vielen Plattformen veröffentlichen und dürfe dabei auf gar keinen Fall die technische Grundlage auch nur anrühren. Die dritte Möglichkeit sei es, auf etwas Altes oder eine als "tot" angesehene Plattform wie den PC zu setzen - auch als alle anderen Hersteller auf Konsolen gesetzt hatten. Und dies war der Weg von Paradox Interactive, der allerdings nur durch den Digitalvertrieb möglich war - obgleich es da momentan Probleme geben würde, Aufmerksamkeit für die Spiele zu bekommen, da die Masse an Titeln viel zu groß sei.

Des Weiteren erklärte er, wie wichtig Risiko-Management (was passiert im schlechtesten Fall) sei und man auf konkrete Daten setzen soll, anstatt auf Vermutungen oder Annahmen. In dem Kontext zitierte er den Satz "Der Anfang jeder Katastrophe ist eine beschissene Vermutung" aus "Alarmstufe Rot 2" und erklärte weiter, dass man nicht annehmen soll, dass nur weil "Grand Strategy" draufsteht, gleich jeder Grand-Strategy-Spieler zugreifen würde - und man die Spieler auf diese Weise nicht von Spiel zu Spiel mitnehmen könnte. Außerdem würde die laute Minderheit in Foren nicht immer für die Mehrheit sprechen. Man sollte lieber auf handfeste Daten setzen.

0
0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.