von Julian Dasgupta,

Blow: "Konsolen-Vorschriften sind veraltet"

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In der vergangenen Woche hatte Polytron verlauten lassen, dass man den Patch für Fez in seiner Originalform wieder bei Xbox Live verfügbar machen wird. Das Update fixt diverse Bugs und Performance-Probleme, war aber schnell wieder vom Netz genommen worden, nachdem sich gezeigt hatte, dass bei einigen Nutzern die Speicherstände gelöscht werden.

In einer mittlerweile wieder gelöschten Botschaft beschwerte sich Phil Fish über die Kosten, die für eine erneute Zertifizierung eines reparierten Patches fällig geworden wären. Da der Bug laut Polytron weniger als ein Prozent der Spieler betrifft, habe man beschlossen, das Update unverändert vom Stapel laufen zu lassen. (Ein kostenloser Patch steht allen Entwickler zu - ab dem zweiten werden Zertifizierungsgebühren erhoben. -Anm. d. Red.)

Viel Verständnis gab es dafür aber nicht: Die Entwickler hätten den Vertrag mit Microsoft schließlich mit dem Wissen um die Vorschriften und Bedingungen unterschrieben. Gegenüber Ars Technica ließ Derek Yu z.B. verlauten, die Kosten und Limitationen hätten ihn nicht von der XBLA-Fassung von Spelunky abgehalten - er habe eben ein Konsolenspiel entwickeln wollen. Das gesamte Unterfangen sei natürlich sehr einschränkend - man sollte sich das auch wirklich nur dann antun, wenn man die Ressourcen dafür hat und wirklich unbedingt auf einer Konsole präsent sein möchte.

Microsoft antwortete zwei Tage später in etwas höflicherer, aber doch auch recht eindeutiger Form: Es sei an den Entwicklern zu bestimmen, welches Qualitätsniveau für ihr Spiel akzeptabel ist. Man habe auch versucht, eine Lösung auszuarbeiten, mit der sichergestellt wird, dass die Kosten für die Zertifizierung nicht das entscheidende Hindernis sein werden.

Konsolenbedingungen im Visier

Auch wenn die Sympathiebekundungen für Fish überschaubar sind, so wird wegen seiner Äußerungen durchaus mal wieder über die Patch- und Release-Politik auf Konsolenplattformen diskutiert. Das Ansinnen Microsofts ist recht klar: Mit den Zertifizierungsgebühren, die ab dem zweiten Update gezahlt werden müssen, will der Hersteller erreichen, dass die Entwickler nicht allzu unfertige Produkte auf den Markt werfen und angehalten sind, den Patch-Bedarf nicht ausufern zu lassen. Auch gibt es zahlreiche Richtlinien für allerlei Details wie Länge von Logo-Einblendungen oder Lade-Bildschirme, mit denen gewisse Standards gewahrt werden sollen.

Auch wenn Zertifizierungskosten bei allen Herstellern erhoben werden, so stand doch insbesondere Microsoft im Mittelpunkt der Kritk einer im vergangenen Jahr erhobenen Umfrage unter Indie-Entwicklern. Während Plattformen wie PC/Mac/Steam und iOS gelobt wurden, schnitt XBLA besonders schlecht ab, als es um die Einfachheit der Entwicklung ging.

Ron Carmel von 2D Boy (World of Goo) orakelte schon damals, dass jener Download-Kanal mittelfristig Probleme bekommen könnte hinsichtlich der Qualität der Spiele und des Anreizes für kleine Entwickler. So forderte er einfachere und fairere Verträge, denn das, was er da zu Gesicht bekommen hatte, sei der "ausbeuterischste und einseitigste Distributionsvertrag, den ich je gesehen habe." Auch müsse der Hersteller XBLA besser bewerben und die Einstiegshürden senken, hieß es da.

Im Ars-Artikel lobt Robert Boyd von Zeboyd (Cthulhu Saves the World) die vielen frühen Verdienste Microsofts wie die Einführung des Xbox Live Indie Games-Kanals - seitdem habe es aber nur noch Stillstand gegeben, während alle anderen sich stärker um den Indie-Bereich bemühten. Das Beharren auf eine temporäre Plattform-Exklusivität - ein schon im vergangenen Jahr heiß diskutiertes Thema - sei auch der Grund gewesen, dass man bei Penny Arcade's On the Rain-Slick Precipice of Darkness 3 einfach die Steam-Version portierte und auf XBLIG veröffentlichte, anstatt sich um einen XBLA-Launch zu bemühen.

Derzeit würde das Portfolio auf XBLA prächtig aussehen - falls Microsoft aber auch in den kommenden Jahren noch Entwickler anlocken will, müsste der Hersteller zumindest die Patch-Vorschriften etwas lockern. Es sei unrealistisch, dass selbst eine sehr gute Testabteilung sämtliche Bugs in einem Spiel oder Update findet.

"Patch-Prozedere nicht mehr zeitgemäß"

Jonathan Blow findet, dass die Vorschriften bei allen Konsolenherstellern nicht mehr zeitgemäß sind. Sein Braid war bekanntermaßen zuerst auf XBLA (Publisher: Microsoft) veröffentlicht worden. Als primäre Plattform für sein The Witness gilt derzeit der PC.

"Die Zertifizierungsprozesse all dieser Plattformbetreiber basierten auf der Idee, dass all diese Schritte, die sie da testen, absolut notwendig sind, damit Software robust läuft, und dass Software-Robustheit superwichtig für die Gesundheit einer Plattform und ihre Wahrnehmung seitens der Kunden ist.

Aber schau dir iOS an. Da gibt es so gut wie keinen Zertifizierungsprozess, also müssten Apps der Theorie von Microsoft/Sony/Nintendo zufolge laufend abstürzen, alle sollten denken, dass iOS schlecht ist, etc. Faktisch gesehen ist das aber nicht das, was passiert. Es gibt keinen öffentlichen Aufschrei für mehr Tests und Robustheit von iOS-Software."


Mit den Zertifizierungsvorschriften würden die Hersteller Entwickler ziemlich gängeln - Blow spricht von "Micromanaging" - und z.B. Dinge wie die "Schalten Sie die Konsole nicht aus, während gespeichert wird"-Nachricht vorschreiben. Die benötigten Ressourcen, um all jene winzigen Details zu berücksichtigen und zu testen, könnte man doch lieber für das eigentliche Spiel verwenden.

"Den Vorteil, den Apple und Valve hinsichtlich der Zukunft ist, ist der Umstand, dass es ihnen wirklich um das Erlebnis des Endkunden geht, dass dies so gut wie möglich sein muss. Was zufälligerweise genau der Bereich ist, der bei den Konsolen durch ihre Unternehmenskultur beschnitten ist. Kann jemand einen Blick auf die derzeitigen 360- oder PS3-Dashboards werfen und ernsthaft behaupten, dass dies die Produkte von jemandem sind, dem das Nutzererlebnis wirklich am Herzen lieg?"

Die Kritik Blows an den Nutzeroberflächen ist nicht neu: Schon vor einigen Monaten hatte er gefragt, wer denn überhaupt die ganze Kinect-Funktionalität des Dashboards wirklich verwendet. Änderungen in der unmittelbaren Zukunft erwartet Blow momentan nicht: Er befürchte, der derzeitige Status sei "zu sehr in der DNA der Hersteller verankert."

"Wenn das auf den Next-Gen-Konsolen genauso wie auf den derzeitigen laufen sollte, dann werden sie in diesem Marktumfeld funktional veraltet sein. Denkt daran, dass sie mit dem iPad 4, 5, 6, 7, 8 und 9 konkurrieren werden. Irgendeine Idee, wie das iPad 5 oder 6 aussehen wird, wie leistungsstark es sein wird, welche Vorteile das Nutzererlebnis haben wird? Ich sicherlich nicht."

Update: Blow war so frei, seine Email in ungekürzter Form auf dem Witness-Blog zu veröffentlichen. Darin erläutert er an zwei Beispielen, warum viele der Vorschriften seiner Meinung nach unsinnig sind. Auch rechnet er vor, wie viel Zeit durch die zusätzlichen Tests benötigt wird.

Abschließend ergänzt Blow noch: Er wisse, dass Microsoft, ebenso wie Sony, davon überzeugt ist, dass sie jene Probleme mit der nächsten Konsole lösen werden und ihre Plattform offener für Free-to-play-Konzepte und Download-Spiele im Allgemeinen machen werden. Es würde ihn schon sehr überraschen, falls das gelingen sollte. Große Unternehmen würden häufig zu wenig tun und denken, sie seien radikal und risikofreudig, wenn sie in Wirklichkeit eher nur zahm handeln und eine leichte Änderung am Status Quo vornehmen würden. Die Konkurrenz würde ja auch nicht schlafen, so Blow u.a. mit Verweis auf Steam. Dort habe man das Update-System für Entwickler nochmal vereinfacht, obwohl es schon vorher wesentlich besser als auf den Konsolen gewesen sei.


Kommentare

PixelMurder schrieb am
Solche, die Kohle zum wegschmeissen haben, störts wohl wirklich nicht und das ist Bethesda eben ein gutes Beispiel. Die sparen sich dann enfach eine Test-Abteilung, Problem gelöst. Oder hatten die überhaupt jemals eine?
Ich glaube nicht, dass Spiele absolut fehlerfrei sein können, aber ein verständlicher Bug gehört genau so gefixt, wie eine jämmerlicher, da sie beide Produktmängel darstellen.
Ich glaube eben nicht, dass zu strikte Vorschriften die Situation besser machen und es ist nicht unbedingt die Aufgabe von MS , Leute für ihre Unfähigkeit zu bestrafen. Das ist unsere Aufgabe, solche mit Nicht- oder Spätkauf zu bestrafen.
Wenn die aktuelle Situation dazu führt, dass sich Hersteller Zeit damit lassen, bis sie ihre Bugs fixen oder sogar darüber nachdenken, ob gewisse Bugs überhaupt gefixt werden müssen, dann ist es kontraproduktiv. Und schwarze Schafe werden immer schwarze Schafe bleiben, z.B. Bethesda, Obsidian und Konsorten.
(Man möge mir verzeihen, wenn das bitter klang: War gestern am Modden von Fallout NV "Goty" und mehr WTF-Erlebnisse am Stück hatte ich nie in einem System von Scripten, ich würde mir von den Bastlern von Obsidian nicht mal die Schuhe binden lassen. )
KOK schrieb am
Bethesda ist aber auch ein Extremfall und sollte daher nicht als Beispiel dienen. Und Bethesda selbst stört die Patchpolitik der Konsolenhersteller wohl weniger. Mir ging es ja in erster Linie darum, daß Ihre Argumentation nicht allgemeingültig betrachtet werden kann und deswegen die Patchpolitik nun auch speziell von MS (von Sony habe ich keine Ahnung, wie es dort so abläuft) nicht gerechtfertigt sei. Nur weil man es früher geschafft hat, ist halt kein Argument. Gerade wegen dem MP müssen im Nachhinein noch viel gepatcht werden und dann dafür extra Knete zu kassieren ist eine ziemliche Frechheit, wenn man schon bedenkt, daß MS schon so am Verkauf der Spiele, auch wenn von anderen entwickelt und gepublisht mit verdienen (Lizenzgebühren).
Helium3 schrieb am
@Kok
Das ist eben in meinen Augen nicht Banane, sondern vielmehr sind die Spieler der Grund dafür das wir mit Bugdesastern zugeworfen werden, weil sie den Scheiss den so mancher Entwickler/Publisher verbricht auch noch verteidigen gehen.
Die Frage, ob früher oder heute ist doch wirklich sehr unwichtig. Ganz simples Beispiel um im hier und heute zu bleiben: Spiele von Visceral sind bei mir noch nie abgestürzt, Spiele von Bethesda schmieren bei mir ständig ab. Um das noch zu konkretisieren, Bethesda selbst merkte an, das sie bsw um den Speicherbug von Skyrim wussten, und haben den verbugten Dreck trotzdem released.
Und dafür das sie eine Beta auf die Spielewelt losgelassen haben, bekommen sie noch 93% und diverseste Auszeichnung für das Spiel des Jahres und tolle Absatzzahlen. Und genau diese Leute, die Bethesda für ihr Bugdesaster Skyrim noch Puderzucker in den Arsch blasen, sagen Bethesda damit, werft ruhig weiter euere unfertigen Betaversionen auf den Markt, wir kaufen trotzdem.
Wie gesagt, da geht es sicher nicht um die Umstände von früher und heute, andere Entwickler schaffen es auch, deutlich fehlerfreier und qualitativ hochwertiger zu releasen.
Dr.Khaos schrieb am
Ich verstehe das irgendwie nicht so recht. Also erstmal gibt es bei IOS defacto einen Zertifizierungsprozess. Der dauert auch eine weile und die Geräte im mobilen Sektor sind kurzlebiger. Also dafür dann die nächsten tollen Spiele entwickeln? Desweiteren finde ich das aktuell Dashboard der xbox360 echt gut. Es funktioniert und ist sehr leicht zu verstehen. Ich finde keine Aussagen, was der Mann daran so doof findet.
Das ganze hört sich für mich so an als möchte man sehr viel freier werden. Finde ich auch ganz nett aber einige Regeln müssen bestehen bleiben. Ich hab keine Lust mehr auf 20 Logos wie zu Zeiten der PS1. Bitte nie wieder. Desweiteren habe ich das Gefühl, dass man die Fehler bitte auch bei sich suchen soll. Man sagt doch Planung macht 70% eines Projektes aus. Dass es Bugs hier und da gibt ist ja okay aber was man hier will ist wohl schnell einfach mal ein Spiel basteln und dann 1000-mijjonen mal patchen und hier und da noch was dran machen. Ich sitze dann davor, starte das Spiel und denk mir: "Boaahhhh nicht schon wieder ein Update".
KOK schrieb am
Helium3 hat geschrieben:Ich als Kunde teile da voll und ganz die Ansichten von Microsoft. Früher musste jedes Konsolenspiel fehlerfrei auf den Markt kommen, weil ein nachpatchen nicht möglich war. Wenn dann Entwickler wie bsw. Bethesda meinen, ein Bugdesaster nach dem anderen wie Skyrim, Fallout: New Vegas, Bring und andere auf den Markt zu werfen, sollen sie ruhig ordentlich dafür fürs nachpatchen und nachzertifizieren zur Kasse gebeten werden.
Meines Erachtens sichert das ganze wenigstens einen Mindestqualitätsstandard. Es kommt ja nicht von ungefähr, das die Konsolenversionen von Spielen wie Sacred 2 oder Risen 2 nochmals um mehrere Monate verschoben werden mussten, weil sie bei der Zertifizierung von Microsoft hinten runtergefallen sind vor lauter Bugs.
Das ist doch völlig banane. Früher waren die Spiele auch um ein großen Faktor einfacher gestrickt, ganz zu schweigen von der Grafik. Heute gibt es allein fürs Texture-Streaming mehrere Techniken, während früher es ziemlicher standard war, alles soweit wie möglich vorher zu laden. Heute gibt es zig verschiedene Beleuchtungsmodelle, früher gab es größtenteils gar keine Beleuchtung, mal von Schattendarstellung abgesehen (selbst noch die meisten PS2-Spiele hatten einfach nur einen schwarzen Kreis unter dem Charakter statt vernünftig geworfene Schatten). Früher hatten die meisten Spiele keinen Multiplayer, heute ist er standard und stellt auch noch dazu einen wesentlichen Anteil des Spieles insgesamt dar mit seinen völlig überladenen Modi, Rängen, Waffen etc. Die Liste geht so weiter. Man kann heute einfach nicht mehr die selben Erwartungen haben, wie noch früher. Wo damals ein schon großes Entwicklerteam von vielleicht 30 Leuten bestand, gibt es heute Spiele, an denen über 100 Leute werkeln, teilweise sogar Extremfälle wie bei Assassin's Creed mit über 200 Leuten.
@PC:
Ja, es gibt zig Konfigurationen. Aber dafür gibt es halt APIs, also standardtisierte Schnittstellen, die von den Entwicklern angesprochen werden, zum...
schrieb am