von Julian Dasgupta,

Silicon Knights: Muss Spiele und Code vernichten

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Im Gerichtsprozess zwischen Silicon Knights und Epic Games hatten Letztere einen Sieg verbuchen können. Silicon Knights wurde dazu verdonnert, 4,45 Mio. Dollar an den Engine-Anbieter zu zahlen, da man sich Geschäftsgeheimnisse zu Eigen und geltendes Copyright verletzt hatte.

Das ohnehin angeschlagene Studio, das dem Vernehmen nach nur noch als Skelett mit fünf Angestellten existiert, dürfte jenen Betrag wohl kaum aus der Portokasse zahlen können. Der Gerichtsbeschluss geht allerdings noch weiter: Das Studio wurde angewiesen, sämtlichen Code von Too Human und X-Men: Destiny sowie der unveröffentlichten Titel The Sandman, The Box/Ritualyst und Siren in the Maelstrom bis zum 10. Dezember zu vernichten.

Den Sammlerwert erhöhen könnte eine weitere Anordnung: Silicon Knights darf die Spiele auch nicht mehr vertreiben/verbreiten und muss zudem sämtliche bisher nicht verkauften Exemplare zurückrufen und ebenfalls zerstören. Die Kosten dafür muss das Studio selbst tragen.

Unklar ist, wie die beiden betroffenen Publisher mit dem Urteil umgehen. Möglich wäre eine Einigung mit Epic, um den Weitervertrieb zu sichern. Für Microsoft dürfte das 2008 veröffentlichte, unter den Erwartungen gebliebene Too Human allerdings ein längst abgeschlossenes Kapitel sein. Das für Activision produzierte X-Men: Destiny kam vor einem Jahr in dem Handel, ging aber sowohl wertungs- als auch absatztechnisch völlig unter. Es ist davon auszugehen, dass sich die beiden Hersteller in ihren Verträgen gegen einen solchen Fall abgesichert haben und möglicherweise noch Strafzahlungen einfordern können für potenziell entgangene Verkäufe und Vertragsverstöße seitens der Entwickler - der Rechtsstreit zwischen den beiden Studios begann noch vor dem Stapellauf von Too Human.

Silicon Knights hatte seinerzeit Epic Games verklagt und der Firma vorgeworfen, mit der Unreal Engine 3 nicht das versprochene Produkt geliefert zu haben. Epic habe seine internen Ressourcen auf Gears of War fokussiert, statt ausreichend Support für die Lizenznehmer zu gewährleisten. Die Unzulänglichkeiten des Unterbaus und die Notwendigkeit, letztendlich eine eigene Technologie zu entwickeln, hätten die Produktion von Too Human verzögert. Dies wiederum habe sich auf die Vermarktung und den Absatz ausgewirkt - andernfalls hätte sich das Spiel deutlich besser verkauft. Da Microsoft aufgrund der mäßigen Verkaufszahl die Option auf zwei Fortsetzungen verstreichen ließ, stellt Silicon Knights gleich noch die hypothetisch dadurch erwirtschafteten Einnahmen in Rechnung und forderte später insgesamt einen Schadensersatz von knapp 58 Mio. Dollar.

Mark Rein & Co. antworteten in Form einer Gegenklage: Die Kanadier hätten die Engine neun Monate lang evaluiert, bevor das Lizenzabkommen letztendlich unterzeichnet wurde - das Team habe den Stand der Technologie genau gekannt. Silicon Knights hatte dann laut eigenen Angaben damit begonnen, den UE3-Code nach und nach durch eigenen Code zu ersetzen. Das Ergebnis betrachtete man als hauseigene Technologie, die auch in Folgeprodukten von Too Human zum Einsatz kam. Epic - und schließlich auch das Gericht - wollten aber jener Argumentation nicht folgen.

Update: Wer das volle Urteil lesen will, wird hier fündig. Darin wird u.a. dargelegt, dass Silicon Knights reichlich Code aus der Unreal Engine direkt in die hauseigene Engine kopiert hat. Die Entwickler hätten dann versucht, jenen Umstand zu vertuschen, indem der Code gesäubert und Copyright-Vermerke entfernt wurden. Allerdings hätte man auch nichtfunktionale Teile wie Kommentare von Epics Programmierern samt typografischer Fehler übernommen und nicht entfernt. An einer Stelle habe es auch die Anmerkung "ripped directly from Unreal" gegeben. Im Code von The Box/Ritualyst und The Sandman seien jeweils insgesamt 20.259 Code-Zeilen, die aus Epics Engine stammen, im Falle von X-Men: Destiny seien es 16.065 Zeilen.

Zusätzlich zu den bereits von der Jury festgelegten Zahlung von 4,45 Mio. Dollar für fällige Lizenzkosten und Vertragsstrafen entschied der Richter, dass Epic noch weitere 4,7 Mio. Dollar für Anwaltskosten, andere mit dem Verfahren in Zusammenhang stehende Ausgaben und entgangene Zinsen zustehen.

Relevante Links:
(Bildquelle: neogaf-Forum)


Kommentare

Wigggenz schrieb am
Oldholo hat geschrieben:Wer den Wind sät.. Aus der Klageschrift SK gegen Epic: "The Court award damages to Silicon Knights in an amount proved at trial for the damages as set forth above" sowie "Epic be required to disgorge all profits obtained on its Gears of War game as a result of the misconduct set forth above."
Alle Profite durch Gears of War! Man könnte also sagen, da war die US-Rechtsprechung irgendwie sogar noch gnädig. :wink:
Absurde Forderungen des Erstklägers dürfen keine Grundlage für absurd hohe Schadensersatzzahlungspflichten geben, dass ist einfach nicht mit der Ausgleichsfunktion des Zivilrechts vereinbar. Es geht darum, tatsächlich entstandenen Schaden zu begleichen, nicht Forderungen bei mangelnder Beweislage einfach umzukehren. So ein Urteil (in der Höhe) wäre in Deutschland in der Form nicht möglich, behaupte ich einfach mal (widerlegt mich bitte wenn es nicht stimmt).
Oldholo schrieb am
Wigggenz hat geschrieben:Außerdem ist das nun ein Präzedenzfall, bietet also eine Grundlage für evtl. zukünftige Vernichtungs-Anordnungen.
Zweifelhaft. Die Gerichtsanweisung lautete ja gar nicht genau so, es war ja nur "Löscht alles, was Epic gehört", also auch eine hand-angepasste Engine, ohne die die betroffenen Spiele nur leere Überbauten sind. Ihre eigenen Kreationen (z.B. 3D-Modelle, Sound, etc.) können sie ja behalten.
Ich wüsste daher nicht, wie man das auf andere, anders gelagerte Fälle ausweiten sollte. Und wenn es doch geschieht, können wir dann immernoch aufschreien. :)
Wigggenz hat geschrieben:Im Einzelfall schlimmer finde ich allerdings die über 4 Millionen Strafzahlung, oder hat Epic tatsächlich nachgewiesen, durch SK Schaden in der Höhe erlitten zu haben? Falls nicht: Das ist ein US-typisches Urteil und mal wieder jenseits aller Verhältnismäßigkeit.
Wer den Wind sät.. Aus der Klageschrift SK gegen Epic: "The Court award damages to Silicon Knights in an amount proved at trial for the damages as set forth above" sowie "Epic be required to disgorge all profits obtained on its Gears of War game as a result of the misconduct set forth above."
Alle Profite durch Gears of War! Man könnte also sagen, da war die US-Rechtsprechung irgendwie sogar noch gnädig. :wink:
Wigggenz schrieb am
Chibiterasu hat geschrieben:Es gibt sicherlich ungute Szenarien die daraus resultieren könnten.
Wollte nur unterstreichen, dass es für mich was anderes ist als "Bücherverbrennung".
Sachlich etwas anderes, das ist klar.
Ich bin auch kein Experte aber es ist für mein Rechtsempfinden einfach nur ein Überschreiten der gerichtlichen Befugnisse. Eine Herausgabeanordnung hätte gereicht (wäre zwar auch auf Weitergabe und anschließendes Löschen herausgelaufen, allerdings hätte man sich da die Anordnung der "Vernichtung" erspart). Sofern es keine expliziten Gesetze für Code-Plagiate gibt, was ich aber bezweifle. Außerdem ist das nun ein Präzedenzfall, bietet also eine Grundlage für evtl. zukünftige Vernichtungs-Anordnungen.
Im Einzelfall schlimmer finde ich allerdings die über 4 Millionen Strafzahlung, oder hat Epic tatsächlich nachgewiesen, durch SK Schaden in der Höhe erlitten zu haben? Falls nicht: Das ist ein US-typisches Urteil und mal wieder jenseits aller Verhältnismäßigkeit.
Chibiterasu schrieb am
Es gibt sicherlich ungute Szenarien die daraus resultieren könnten.
Wollte nur unterstreichen, dass es für mich was anderes ist als "Bücherverbrennung".
Wigggenz schrieb am
Chibiterasu hat geschrieben:Es ist aber eher so wie wenn man die Druckvorlage für ein Buch vernichten müsste.
Was in meinen Augen kaum einen Unterschied macht. Sowas gehört nicht in die Rechtsprechung.
schrieb am