Spielkultur
30.10.2012 22:21, Julian Dasgupta

Forderung: Sprecht nicht mehr mit der PR

In der vergangenen Woche hatte Robert Florence mit einer Kolumne bei Eurogamer.net das eigene Metier ins Visier genommen und anhand eines Beispiels das Verhältnis zwischen Journalisten und PR kritisiert. Der Autor erhielt von vielen Seiten Zuspruch, wurde aber auch von manchen hart kritisiert wegen seiner Äußerungen. Der Artikel hätte vermutlich nur wenige Wellen geschlägen, hätte eine der namentlich genannten Personen nicht auf darauf bestanden, dass bestimmte Passagen gekürzt werden.

Plötzlich interessierten sich neugierige Internetdetektive für jene Lauren Wainwright. Der Umstand, dass die freischaffende Autorin, die u.a. schon für Gamespot UK, IGN UK, die Sun, MCV und andere Magazine tätig gewesen war, ein bekennender Lara Croft-Fan ist, hätte wahrscheinlich nur bedingt als Aufreger getaugt. Allerdings hatte sie in ihrem Profil Square Enix als einen ihrer aktuellen Klienten angegeben, für den sie in beratender Funktion tätig war, und schien dem Publisher auch über eine Bekannte nahezustehen. Über ihren mittlerweile auf privat gestellten Twitter-Account verteidigte sich Wainwright: Sie habe keines der entsprechenden Spiele für irgendein Magazin getestet. Ihre Kritiker konnte sie damit kaum besänftigen, verwiesen diese auf wohlwollende Berichte über den bzw. recht harmlose Interviews mit dem Hersteller, die sie verfasst bzw. geführt hatte. Wainwright wiederum löschte ihre vorherige Rechtfertigung und entfernte Verweise auf Square Enix aus ihrem Profil. 

"Das Deprimierendste, was ich je gemacht habe."

Gestern meldete sich Tom Bramwell von Eurogamer.net zu Wort, um seine Sicht der Dinge auf den Vorfall zu schildern. Das Herausnehmen der Passagen aus dem Originalartikel sei das Deprimierendste, was er je hätte machen müssen in fünf Jahren Redaktionstätigkeit. Das Ganze nage immer noch an ihm.

Über die Gründe der Änderung heißt es: Wainwright habe direkt mit einer Klage gedroht und auch recht deutlich gemacht, dass sie nicht von jener Absicht abrücken wird. Das Magazin habe sich dann rechtlich beraten lassen und für eine Textänderung entschieden. Jener Beschluss sei nicht leichtgefallen - die Empfehlung des Rechtsberaters sei jedoch eindeutig gewesen. Auch sei man davon überzeugt, dass die Änderung nicht die eigentliche Kernaussage der Kolumne schmälert.

Viele Leute aus der Branche hätten gesagt, man solle die Sache einfach vergessen und wieder zur Tagesordnung übergehen. Genau das aber will Bramwell nicht. Der Wirbel um den Artikel lenke etwas von dem ab, was Florence eigentlich habe heraustellen wollen.

"Rab's original point, as I interpreted it as his editor and on the basis of which I thought his column was worth publishing, was that games journalists are all a little bit compromised. Not hugely so. But a little. And we need to think about it more than we do."

Die Redaktion rede intern durchaus über ethische Richtlinien, insgesamt aber vielleicht nicht oft und laut genug. Man habe ein Verhältnis zu den Leuten aufgebaut, die in der Branche tätig sind, um den Job erledigen zu können. Man habe Geschenke akzeptiert, weil sie eben Teil der Tätigkeit seien. Wie aber könne man mit Sicherheit sagen, ob jene Dinge sich nicht auf die Berichte auswirken?

Einige Leute außerhalb der Redaktion hätten ihn in den vergangenen Tagen quasi angebrüllt, weil er die Kolumne von Florence veröffentlicht hatte, merkt Bramwell an. Einige davon hätte er schon seit langer Zeit gekannt. Auch die Klagedrohung und die Änderung des Artikels seien alles andere als spaßig gewesen. Es könnte sich dennoch gelohnt haben, falls man auch nur ein paar Lektionen daraus gelernt hat.

Er bedauere es zutiefst, dass Florence nicht mehr für Eurogamer tätig sein wird, und hofft darauf, ihn eines Tages vielleicht wieder zurücklocken zu können. Bramwell selbst war es gewesen, der den Autor seinerzeit gebeten hatte, Kolumnen für das Magazin zu schreiben.

Florence über Wainwright

Auf John Walkers Blog hatte sich Florence vor einigen Tagen zu den Vorgängen geäußert und dabei auch erläutert, worum es ihm eigentlich ging. Er habe nicht implizieren wollen, dass Wainwright oder Dave Cook von VG247 absichtlich korrupt seien. Es sei eher darum gegangen, dass ihre öffentlichen Twitter-Botschaften ein Beweis dafür seien, dass Spielejournalisten selten ihre Beziehung zu den PR-Leuten hinterfragen. Wenn es in Ordnung für sie sei, auf Twitter einen Hashtag zu verbreiten, um daraus einen persönlichen Vorteil zu ziehen, dann würde dies auch andere Äußerungen von ihnen verdächtig machen. Dies sei keine bösartige Verleumdung bzw. üble Nachrede gewesen.

Bramwell sei ein "guter Mann", der ihn bis zu jenem Tag noch nie gebeten hatte, auch nur ein einziges Wort in den Artikeln zu ändern, und ihm stets den Rücken freigehalten habe, so Florence. Er wisse, dass Bramwell jene Entscheidung sehr schwer gefallen sei - er sei nicht der Bösewicht hier.

Wainwright habe offensichtlich viele Freunde in der Branche und im PR-Bereich - es sei schon beschämend und vielsagend, dass keiner davon ihr jenes Ansinnen ausreden konnte oder wollte, welches einfach unausweichlich furchtbar für alle Beteiligten enden musste. Florence glaubt nicht, dass sie gekauft sei - Wainwright habe sich aber sicher so verhalten, wie sie durch andere Journalisten und PR-Freunde konditioniert worden sei. Auch ohne korrupt zu sein habe sie eine der schlimmsten Sachen gemacht, die ein Schreiber einem anderen antun kann. Ihre Reaktion habe darin resultiert, dass sie selbst plötzlich im Mittelpunkt eines Stückes stand, in dem es eigentlich nie um sie ging. Sie habe nun die hässliche Seite des Internets kennengelernt, durch die alle vermeintlichen Fehler aus ihrer Vergangenheit ans Tageslicht befördert wurden. Sie habe hässliche Kommentare mit Bezug auf ihr Geschlecht und ihr Aussehen ertragen müssen, weil manche Teile der Netzgemeinde eben so mit Frauen umgehen würden. Das müsse endlich aufhören.

Mit seiner Kolumne habe Florence eigentlich nicht auf die Journalisten, sondern auf die Marketingleute abzielen wollen, die einen Großteil der Branche im Griff hätten und bestimmen würden, was erzählt wird - selbst im Fall des Wirbels nach der Kolumne. 

"Do you think Lauren acted entirely alone in pressuring Eurogamer to change my piece? Do you think she has that power? I don’t. Who do you think MIGHT have that power?"

Man müsse sich schon fragen, warum ihre "Freunde" Wainwright ins offene Messer laufen ließen. Dadurch, dass sich jetzt alle auf diese eine Person konzentrieren, würde praktischerweise vom eigentlichen Problem abgelenkt. Florence ist wütend, dass die PR/Marketingleute, die einige Leute einfach geopfert haben, vermutlich abends gemütlich bei den Golden Joystick Awards fröhlich beisammen gesessen und ein paar Drinks konsumiert haben. Er sei wütend auf die Leute, die meinten, man müsse wieder zur Normalität übergehen und weitermachen - damit würde man den PR-Leuten in die Hände spielen.

"I want to thank everybody for their kindness, because it has been a pretty awful week. Awful, partly, because I’ve discovered that the games press is controlled by PR to a greater extent than I had ever dreamed – and I’m a pessimist.

Those who have been angry about all this – don’t investigate the people, investigate the system. Please write about games. Don’t go to any parties. Don’t go on the trips. Don’t care about exclusives. Just write passionately about games. You can contribute hugely to the scene without ever once speaking to a PR person. Cut them out of the equation."

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