von Jan Wöbbeking,

Eurogamer: Spielemagazin schafft Wertungszahl ab

Spielkultur (Sonstiges) von 4Players
Spielkultur (Sonstiges) von 4Players - Bildquelle: 4Players
Die Videospiel-Tests von Eurogamer.net werden nicht länger mit einer Wertungszahl abgeschlossen - das hat das Magazin heute bekanntgegeben. Auch die Redaktionen der deutschen und anderer europäischen Ausgaben werden in Zukunft keine Wertungen mehr mit der gewohnten Zehnerskala abgeben. An ihre Stelle tritt ein einfacher gestricktes System: Durchschnittliche Titel werden lediglich in Textform rezensiert, besonders gute Titel bekommen einen Silber- oder Gold-Award ("Recommended" bzw. "Essential"). Bei technisch oder inhaltlich grottigen Titeln wird ein roter Warnhinweis mit dem Wort "Avoid" abgebildet. Streng genommen wird die Wertung also nicht komplett gestrichen, sondern mit einem vierstufigen System ersetzt. Durch die Änderung fließen die Tests des Magazins allerdings nicht mehr in den Metacritic-Durchschnitt ein.

Der Anlass für die Änderung ist laut der offiziellen News die Veränderung der Art, in der Videospiele mittlerweile entstehen und vertrieben werden. Manche Titel entwickeln sich bis zum Release weiter, bis zu einem Day-One-Patch - andere werden im Early-Access-Verfahren bereits vor dem eigentlichen Release kommerziell vermarktet. Viele Online-Spiele ließen sich außerdem erst mit einer großen Spielerzahl nach Release angemessen einschätzen. All diese Veränderungen hätten den Job des Spieletesten deutlich komplexer und schlechter vorhersehbar gemacht, so dass untereinander konsistente Wertungen nur noch schwer zu fällen seien. Mittlerweile sei eine Wertungszahl kein schnell erfassbarer Gradmesser mehr für die Einschätzung:

"Wie sollen wir ein exzellentes Spiel mit Netzwerkproblemen bewerten? Ein fehlerfrei poliertes Spiel mit einem banalen Design? Eine brillant ausbalancierte Mehrspieler-Erfahrung mit grottenschlechter Geschichte? Wenn du erwartest, dass die Wertung jeden Aspekt des Spiels umfasst, wird die Angelegenheit zu einer unmöglichen Aufgabe. Man füge ein aufgeblähtes Verständnis der Wertungsskala in vielen Bereichen hinzu - wo 7/10 und manchmal sogar 8/10 als enttäuschende Wertungen empfunden werden - und schon hat man ein Rezept für unterschiedliche Deutungen. Wertungen betrügen uns, sie betrügen euch, und am wichtigsten, sie vermögen es nicht, die Spiele an sich fair zu repräsentieren."



Das silberne "Recommended"-Siegel soll interessanten Spielen verliehen werden, welche die Redaktion in den Fokus rücken möchte. Darunter fielen Titel, welche früher nicht das Ende der Wertungsskala erreicht hätten - trotzdem wolle man das Siegel etwas "flexibler" verleihen. So könne man z.B. Spiele auszeichnen, die besonders originell sind, aber handwerkliche Schwächen besäßen, während einem technisch hervorragendem Spiel mit althergebrachtem Spielablauf die Auszeichnung tendenziell eher verwehrt bliebe. Das goldene "Essential"-Siegel werde pro Jahr vermutlich nur einer Hand voll Titeln verliehen. Ähnlich selten soll das rote Warnsiegel zu sehen sein - es komme lediglich bei Gurken mit besonders ernsten Technik- oder Spieldesign-Fehlern zum Einsatz. Titel ohne Siegel fielen in ein sehr großes Spektrum von Titeln mit diversen Stärken oder Schwächen.

Dass die Wertungen nicht mehr auf Metacritic.com gelistet würden, sei für beide Seiten sinnvoll, da sich das neue System schlecht darin einordnen lasse. Das Metascore-System habe der Spielebranche nicht gut getan und zu mehr Konservativismus beim Game-Design sowie einer größeren Zahl an Mainstream-Titeln geführt. In der Google-Suche soll es dagegen nach wie vor eine erste Einordnung des Test-Tenors mit ein bis fünf Sternen geben. Fünf Sterne entsprächen einer Gold-Auszeichnung, vier dem Silber-Pendant, drei den Tests ohne Wertung und ein Stern stehe fürs rote Warn-Logo.

Außerdem sollen Spiele nur noch nach dem offiziellen Start getestet werden - um dem Eindruck zu entsprechen, den auch ein normaler Käufer vom Titel hat. Um trotzdem aktuell zu bleiben, wolle das Magazin aber möglichst häufig eine frühe News mit einem ersten Eindruck vorwegschicken. Lediglich Retail-Versionen würden noch getestet, keine Debug-Codes mehr. Man werde solcherlei Vorab-Versionen unter Umständen weiter für Videos oder andere Berichte benutzen, sie seien aber nicht mehr die Grundlage für finale Testberichte.

Erst vor einem Monat kündigte auch das Magazin Joystiq an, in Zukunft auf eine Wertungszahl verzichten zu wollen, wurde allerdings kurz danach eingestellt.

Was wir davon halten, die Wertung abzuschaffen? Mehr dazu im 4Players-Talk mit Mathias und Jörg.
Quelle: Eurogamer.net

Kommentare

adventureFAN schrieb am
Und ich zitiere mich selbst aus einem Post dort:
Aye, wenn man in den Lables tatsächlich Wertungen im üblichen Sinne sieht, ist das nur eine Sache der eigenen Gewohnheit. Das eigene Hirn rechnet das irgendwie in banale Prozenzte/Zahlen um.
Ich sehe sie immernoch so, als würde man mit nem Kumpel/Bekannten über ein Spiel reden und er sagt dir, ob er ein Spiel unter bestimmten Bedingungen empfehlen würde oder ob er es dir uneingeschränkt empfiehlt oder sagt: Lass die Finger davon. Der Rest ist neutraler Boden, wo man sich persönlich ein besseres Bild machen sollte ehe man zuschlägt. Und was informiert dich besser als jede Zahl, jede Empfehlung? Entweder das Wort oder wenn man lesefaul: ist bewegte Bilder.
Eine Zahl sagt doch n Scheiß aus. Besonders im Sprektrum 5-7.
Darunter können Perlen sein, die dich persönlich total ansprechen und die dir etwas geben können... aber nur weil da ne beschissene Zahl steht, hast du es doch lieber gelassen und zu ner 8 gegriffen die du dann persönlich aber gar net so toll fandest.
Genauso wie bei imdb. Mittlerweile ist man ja schon drauf geschult immer nach der Zahl zu gehen. Aber wieviel geniale Filme ich nach diesen Zahlen verpasst hätte... echt krass.
Nanimonai schrieb am
DancingDan hat geschrieben:Aber sind die Logos nicht auch schon "Wertungen"? Die ließen sich ja sogar für Metacritic "übersetzen".
Hervorragend = 100%
Emfehlenswert = 75%
Kein Logo = 50%
Finger weg = 0%
Ich zitiere mich mal von Seite 2 selbst:
Alles der gleiche Mumpitz. Ob man das Kind nun in 6 Scheiben, 15 Scheiben oder 100 Scheiben zerschneidet oder es mit gold, silber und bronze überschüttet, Daumen nach oben oder unten zersäbelt... das Resultat ist immer Vergleichbarkeit auf einen Blick. Letztendlich immer eine Bewertung.
Also ist diese Abschaffung von Eurogamer auch nur eine Pseudoabschaffung, die zwar immerhin Metacritic bestraft (gute Sache), aber den Leser nicht in die Richtung umerzieht, die sinnvoller wäre.
johndoe774091 schrieb am
Aber sind die Logos nicht auch schon "Wertungen"? Die ließen sich ja sogar für Metacritic "übersetzen".
Hervorragend = 100%
Emfehlenswert = 75%
Kein Logo = 50%
Finger weg = 0%
LeKwas schrieb am
Pioneer82 hat geschrieben:
LePie hat geschrieben:Ich betreib mal ein bisschen Forennekromantie, denn EG hat just einen interessanten Artikel veröffentlicht:
Eurogamer.de - Ein Jahr ohne Wertungen
Was hat sich geändert, seit es die 8/10 nicht mehr gibt?
http://www.eurogamer.de/articles/2016-0 ... -wertungen
Ah freut mich zu hören. Hatte zugegeben leichte Sorgen, das das ihnen eher schaden würde. ^^
Ich ebenso (bzw. ging ich gar schon davon aus). Hoffentlich setzt das auf lange Sicht eine Art Trendwende bei Spielerezensionen in Gang.
Pioneer82 schrieb am
LePie hat geschrieben:Ich betreib mal ein bisschen Forennekromantie, denn EG hat just einen interessanten Artikel veröffentlicht:
Eurogamer.de - Ein Jahr ohne Wertungen
Was hat sich geändert, seit es die 8/10 nicht mehr gibt?
http://www.eurogamer.de/articles/2016-0 ... -wertungen
Ah freut mich zu hören. Hatte zugegeben leichte Sorgen, das das ihnen eher schaden würde. ^^
schrieb am