Ruhr-Universität Bochum
16.03.2005 15:54, Jörg Luibl

Spiele helfen bei der Sozialisation

Der ehemalige Creative Director der Starbreeze Studios (Riddick, Enclave) und jetzige Medienberater Nikolaos Kyriakidis geht im Rahmen einer Studie der Ruhr-Universität Bochum  (RUB) offen an die gesellschaftlichen Auswirkungen des Spielens heran. Fun, Anyone!? Jugendliche Sozialisation und die Faszinationskraft von Video- und Computerspielen lautet der Titel der Forschungsarbeit, die im Universitäts-Verlag erschienen ist.

Anstatt nach den möglichen Gefahren des Spielkonsums zu suchen, stellt Kyriakidis eine ganz andere Frage: Was können die Spiele für die Sozialisation Jugendlicher leisten? Dabei kommt er zu dem Ergebnis, dass sie Heranwachsenden durchaus bei Problemen helfen können. Außerdem beobachtet er den entspannten Umgang der Jugendlichen mit dem Spiel, den er auch der Gesellschaft empfiehlt.

Hier die zusammengefassten Ergebnisse laut Pressemitteilung der RUB:

Stress - aber gern

Video- und Computerspiele machen Stress: Ständig ist der Spieler von Misserfolgen bedroht, muss stets voll konzentriert und aufmerksam sein, um im Spiel bestehen zu können. Trotzdem finden die Spiele großen Anklang. Wie das sein kann, fragte sich Nikolaos Kyriakidis und befragte für seine Magisterarbeit 274 Schülerinnen und Schüler zwischen 13 und 17 Jahren aus zwölf Klassen an vier Gymnasien und Hauptschulen über ihren Umgang mit Video- und Computerspielen.

Typisch männlich

Dabei gaben jeweils über 86 Prozent der männlichen Gymnasiasten und Hauptschüler an, mindestens an einem Tag pro Woche zu spielen, im Durchschnitt spielen Jungen an 4,3 Tagen wöchentlich. Die Hälfte der männlichen Befragten spielt sogar an fünf oder mehr Tagen in der Woche. Demgegenüber spielen nur ein knappes Viertel der Gymnasiastinnen und ein knappes Drittel der Hauptschülerinnen Computerspiele. Diese Festlegung auf männliche Nutzer spiegelt sich in den Spielen wider: Nicht nur die Rollenstereotypen sind männlich, auch die Aufgaben scheinen männlich: Es geht z.B. um Erledigung, Kampf, Verbreitung, Ordnung, Ziellauf, Bereicherung, Prüfung und Bewährung. "Liegt für männliche Jugendliche das Hauptaugenmerk ihrer Sozialisationsbestrebungen auf dem Erlernen von Fähigkeiten, die Kampfbereitschaft und Durchsetzungsvermögen signalisieren, so bieten die aufgeführten Grundmuster dafür eine mediale Projektionsfläche - aber ‚mit Köpfchen vorgehen' als Hauptmotivation" so Nikolaos Kyriakidis. Einige sozialisationsspezifische Bedürfnisse männlicher Jugendlicher scheinen sich von den Bildschirmspielen also tatsächlich befriedigen zu lassen. Die Entwicklung von Misserfolgresistenz, aktive Stressbewältigung unter kontrollierten Bedingungen und die Überwindung von Versagensängsten stehen im Vordergrund.

Schlaf und Schule leiden

Weitere Ergebnisse: Die Spielmotivation "mit Köpfchen vorgehen" war für alle Teilpopulationen entscheidend: "Dreimal wurde sie an erster Stelle genannt, einmal an zweiter", so Kyriakidis, "was unterstreicht, dass die Erledigung von Aufgaben, das Bewältigen von Problemen und die Entwicklung und der Einsatz von Lösungsstrategien extrem bedeutsam und vorrangig sind." Die meisten männlichen Nutzer spielen zwischen eine und vier Stunden pro Sitzung, meistens zwischen 16 und 20 Uhr. Die Spiele werden häufig (in jeweils über 50 Prozent) auf Kosten von Lernen und Hausaufgaben sowie Schlaf gespielt.

Gefahren sind den Nutzern bewusst

Über die möglichen Gefahren wie z.B. Sucht, Abstumpfung, Aggressivität, sind sich die Schüler und Schülerinnen im Klaren, schätzen die Gefahr jedoch für sich selbst geringer ein als für andere. Die Spieler schätzen den Realismusgehalt der beiden beliebtesten Spiel-Genres, Ego-Shooter und Action-Adventure, eher gering ein. Realistischer erscheinen ihnen z.B. Sportspiele. Zwischen dem Umgang mit Spielen bei Hauptschülern und Gymnasiasten gibt es nur geringe Unterschiede. "Allgemein zeigen die Ergebnisse, dass der Umgang männlicher Jugendlicher mit dem Bildschirmspiel mit Gelassenheit betrachtet und bewertet werden kann und muss, um die Potenziale dieses Phänomens erkennen und mittel- bis langfristig ausschöpfen zu können", unterstreicht Kyriakidis. "Denn nur so kann eine produktive Diskussion unter allen Beteiligten und Interessierten entstehen. Es liegt im Interesse der Gesellschaft ‚das Beste' daraus zu machen", so sein Fazit.

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