Schon im vergangenen Jahr hatte es einige Gerüchte über schlechte Arbeitsbedingungen bei Team Bondi gegeben. Nach dem Stapellauf des Krimi-Abenteuers tauchten wieder einzelne Andeutungen auf,
nachdem bekannt geworden war, dass über 100 Entwickler nicht in den offiziellen Credits des Spiels aufgeführt wurden, da sie in den letzten Monaten der Produktion nicht mehr für das Studio tätig waren. Einige von ihnen hatten aber mehrere Jahre an L.A. Noire (
ab 5,09€ bei kaufen) gearbeitet.
Die "Entwicklungshölle"
Für Aufsehen sorgte schließlich ein Artikel bei den Kollegen von
IGN, die sich mit ein paar ehemaligen Mitgliedern des Teams unterhielten und dabei wenig schmeichelhafte Dinge erfuhren. So wird das Management als "aggressiv und fordernd" beschrieben - bei Team Bondi habe es stets eine hohe Mitarbeiterfluktuation gegeben. Brendan McNamara habe stets seine Meinung durchgesetzt, sich nicht von vernünftigen Argumenten überzeugen lassen und sei mit seinen Wünschen oft direkt zu den zuständigen Entwicklern gegangen, ohne die jeweiligen Teamleiter zu informieren. Der Studio-Boss wird als beratungsresistenter Choleriker beschrieben, der seine Mitarbeiter gerne öffentlich und quer durch das Büro hinweg zusammenfaltete.
60 bis 70 Stunden pro Woche und Arbeit am Wochenende seien der Standard gewesen bei Team Bondi. Überstunden an Werktagen wurden generell nicht bezahlt. Für die oft monatlichen Milestones hätte man auch schon mal mehr als 80 bis 110 Stunden pro Woche im Büro verbracht. Ein ehemaliger Angestellter berichtete, er sei dafür abgemahnt worden, weil er einmal um 9:15 Uhr statt um 9 Uhr im Büro erschien - obwohl er das Büro zuvor erst um 3 Uhr in der Nacht verlassen und das Taxi für die Heimfahrt noch selbst bezahlt hatte. Auch habe man einmal drei Wochen lang jeweils über 100 Stunden an einer Demo für die Presse gearbeitet, die dann letztendlich nie gezeigt wurde. Die Hälfte des Materials sei später außerdem umgebaut worden.
Brendan McNamara hatte sich im Rahmen des Artikels zu den einzelnen Vorwürfen geäußert und dementierte mehr oder weniger keinen einzigen davon, sondern versuchte die Umstände umzudeuten und zu rechtfertigen. Wer seine Vision umsetzen will, müsse sich eben durchsetzen im Team. Außerdem habe auch er selbst Überstunden wie alle anderen geschoben.
Als Reaktion auf jenen Bericht kündigte die International Game Developers Association eine
Untersuchung der Arbeitsbedingungen bei den Australiern an - die würden schließlich unakzeptabel und gesundheitsgefährdend klingen. Vor Angst zittern wird McNamara deswegen vermutlich nicht - der Einfluss des Entwicklerverbandes ist nicht allzu groß.
"Rockstar verachtet Team Bondi"
Eine Partei hat sich bis dato nicht zu jener Diskussion geäußert: der Publisher, der einigen Berichten zufolge auch
nicht immer ein Kind von Traurigkeit war. Rockstar hatte das Projekt übernommen, nachdem Sony - vermutlich angesichts der Probleme, die man erkannt hatte - als Publisher des einst exklusiven PS3-Titels abgesprungen war.
Rockstars Mutterkonzern Take-Two hatte zwar durchblicken lassen, dass man L.A. Noire durchaus als Marke auffasst, der man eine Fortsetzung spendieren möchte. Wenn man den
GI.biz vorliegenden glauben darf, dann ist es allerdings unwahrscheinlich, dass jener Titel noch von Team Bondi produziert wird. So lassen da einige ehemalige Mitarbeiter durchblicken, dass die Beziehung zwischen den beiden Parteien alles andere als rosig sei. McNamara betrachte das Spiel als den Erfolg seiner persönlichen Vision - Rocktstar habe aber letztendlich das Projekt gerettet. Sie haben viel Geld investiert und L.A. Noire vermarktet. Ohne den Hersteller wäre Team Bondi schon vor Jahren untergegangen. Rockstar habe sich in den letzten zwei Jahren der Produktion immer stärker in die Produktion eingemischt und seinen Einfluss geltend gemacht, um so viele "wahnwitzige Entscheidungen des Managements von Team Bondi" zu korrigieren. Auch hinsichtlich des Personals und der Qualitätssicherung habe Rockstar die Entwickler unterstützt.
Es sollte auch erwähnt werden, dass Rockstar ursprünglich mal darauf aus war, aus Team Bondi so etwas wie 'Rockstar Sidney' zu formen - je mehr sie aber mit dem Team Bondi-Management zusammenarbeiteten, desto mehr kapierten sie, dass das eine furchtbare Idee war.Einige der Streitigkeiten zwischen Rockstar und Team Bondi werden auch in
ein paar durchgesickerten Emails deutlich, in denen die Teamleitung außerdem die Arbeitszeiten und das Entgelt rechtfertigt.
Auch heißt es dort, dass es im Team - MotionScan-Verfahren hin oder her - einen akuten Mangel an Animatoren gegeben habe. Seit Januar 2008 habe es keinen Lead-Animator mehr gegeben. Dies sei auch einer der Gründe dafür, dass die Spielwelt leblos wirkt.