Bethesda
24.10.2010 14:03, Marcel Kleffmann

Interview: Area-Designer (Fallout NV)

Bethesda Softworks hat ein Interview mit Jorge Salgado, Area-Designer von Fallout: New Vegas, veröffentlicht - aus der Reihe "Inside the Vault". Zu seinen Aufgaben bei der Entwicklung des apokalyptischen Rollenspiels gehörte es, dem Spiel einen Raum zu geben und diesen zu formen, interaktive Elemente hinzuzufügen, das nötige Gameplay zu entwerfen und dann alles einheitlich umzusetzen.

Wie sieht deine Arbeit bei Obsidian aus?

Seit ich bei Obsidian im November 2009 angefangen habe, arbeite ich als Area-Designer an Fallout: New Vegas. Area-Design ist ein weiter Bereich, aber letztendlich geht es darum, dem Spiel einen Raum zu geben, diesen zu formen (Geometrie, Atmosphäre, Beleuchtung usw.), ihm interaktive Elemente hinzuzufügen (NPCs/Kreaturen, Beute, Türen, Fallen, Möbel usw.), das nötige Gameplay zu entwerfen (Quests, Kampf, List, Dialoge usw.) und dann alles auf eine Art und Weise umzusetzen, die großen Wert auf Stimmigkeit und Einheitlichkeit legt - die Gebiete müssen ja zur gesamten Spielwelt passen. All diese Bereiche haben viele Facetten, die wiederum viele Details haben. Zum Beispiel gehört zum Erstellen eines NPCs, ihm KI-Eigenschaften, Ausrüstung, Aussehen und Verhalten zu verleihen, um nur einiges zu nennen.

Andere Aufgaben, die ich in Angriff genommen habe, hatten mit der Implementierung spielumfassender Features zu tun. Es war für mich toll, den Großteil der NPC/Kreaturen-Bevölkerung des Mojave-Ödlands, Verhaltensweisen, Balance und geskriptete Begegnungen zu implementieren. Dies spielte sich vor allem in den Gebieten ab, die zwischen den primären Schauplätzen liegen. Auch hier gibt es viele Begegnungen und NPCs, die vom jeweils zuständigen Area-Designer geschaffen wurden. Wann immer es möglich war, half ich bei den Skripts der KI-Verhaltensweisen, geskripteten Szenen innerhalb des Spiels, Leistungsoptimierung, Umgebungsbeleuchtung und bei jeder anderen Aufgabe, die ich in die Finger bekommen konnte. Ein Projekt wie New Vegas fördert den individuellen Ausdruck, wenn die Voraussetzung für großartige Ergebnisse gegeben ist: Die Aufgaben passen zu den jeweiligen Fähigkeiten.

Innerhalb der Bethesda-Community bist du für deine Arbeit an Oscuro's Oblivion Overhaul bekannt. Wie kam es dazu?

Obwohl ich schon zu Zeiten von Dark Forces II: Jedi Knight damit begonnen hatte, Mods zu veröffentlichen, fing diesmal alles mit einem Mod an, den ich gleich nach der Veröffentlichung von TES IV: Oblivion für mich selbst gemacht hatte. Ich bin ein großer Bewunderer der Spiele von Bethesda. Natürlich konnte ich es kaum erwarten, in die neue Welt von Elder Scrolls einzutauchen, nachdem ich schon TES III: Morrowind unzählige Stunden gespielt hatte. Oblivion war riesig, wunderschön und fesselnd. Oblivion ist ganz sicher ein unangefochtenes Spiel des Jahres, und sicher ist das auch eine Geschmacksfrage, aber ich glaube, dass das Level Scaling des Spiels die Hardcore-RPG-Fans nicht überzeugt hat.

Was RPGs betrifft, bin ich ein ziemlicher Hardcore-Fan, also wollte ich einen Oblivion-Mod schaffen, der aus dem Level Scaling ein weitgehend statisches Scaling macht. Ich habe großen Spaß daran, Gebiete zu entdecken und zu meistern, die viel schwerer sind als das, was für den Level meines Charakters angemessen wäre. Ja, natürlich muss ich millionenfach neu laden, um große Hürden zu überwinden. Oder ich begnüge mich damit, so eine umfassende Welt zu bereisen, um dann für meine wohl verdiente Rache zurückzukehren, sobald mein Charakter der Aufgabe gewachsen ist. So wurde Oscuro's Oblivion Overhaul geboren - es geschah aus blankem Eigennutz. (Ich hatte etwas Ähnliches für Morrowind gemacht, aber es niemals "offiziell" veröffentlicht.)

Jedoch wurde der Mod schon bald sehr beliebt. Also habe ich an weiteren Versionen gearbeitet. Mit denen kamen alle möglichen zusätzlichen Features wie die komplette Neubalancierung von Gegenständen, Kämpfen und Systemen, neue Rüstungssets, neue Waffen, neue Kreaturen, neue KI-Verhaltensweisen, neue Quests, neue Bücher, neue geskriptete Features und so weiter, und so weiter. Mit viel Hilfe und der Zusammenarbeit mit der Oblivion-Community wuchs OOO zu beachtlicher Größe heran (1,4+ GB an Zeug). Dabei war ich nicht für sämtliche künstlerischen Neuerungen verantwortlich, aber ich habe Seite an Seite mit der Community gearbeitet, um qualitativ hochwertige Arbeit in die Gesamtstruktur einzufügen, die ich für OOO festgelegt hatte. Selbst heute noch, zum größten Teil Dank der Bemühungen von Dev_Akm, Madcat221, Wrye, MiSP und vielen anderen Oblivion-Moddern. Mein persönlicher Favorit ist momentan der Mod FCOM. Der hat es geschafft, vier gewaltige Mods zu einem zusammenhängenden Ganzen zu verschmelzen (Francesco's + Warcry + Oscuro's + Martigen's).

Bist du immer noch in der Mod-Community aktiv?

Ich bin nur noch als Beobachter und Mitwirkender für Bethesdas offizielle Oblivion-Foren aktiv. Es ist allerdings schon lange her, dass ich mal vorbeigeschaut habe. Natürlich hat die Arbeit an Fallout: New Vegas gegenüber allen Dingen Vorrang, die mit Mods zu tun haben. Ich habe jedoch größten Respekt vor Moddern, also denjenigen, die aus Liebe, Tatendrang und Hingabe programmieren. Man konnte mir schon immer E-Mails schreiben und ich versuche Antworten zu liefern, die für die Community hilfreich sind.

Glaubst du, dass du nach dem Release etwas mit dem G.E.C.K. (Garden of Eden Creation Kit) für New Vegas herumbasteln wirst?

Das wäre vorstellbar, aber momentan habe ich nicht vor, das zu tun. Würde es dennoch geschehen, wäre ein solcher Mod sicherlich nur klein und von begrenztem Umfang - ich würde nur etwas herumspielen. Nachdem man so lange an etwas mit so viel Hingabe gearbeitet hat, fällt es schwer loszulassen. Lass es mich anders ausdrücken: Man ist nie wirklich "fertig". Es gibt immer etwas, das man noch besser machen kann. Aber irgendwann muss man aufhören, sich seiner Schöpfung zuwenden und sie als das sehen, was sie ist und sich sagen: "Ja, ich könnte dies hinzufügen und das verbessern, aber so wie es ist, ist es auch klasse!"

Gibt es abgesehen vom Modding noch andere Tipps für den Berufseinstieg?

Ich kann nicht genug betonen, wie wichtig Modding in den Augen von professionellen Entwicklern sein kann, aber es kommt auch auf andere Dinge an. Wie bei allen Dingen im Leben hängt alles von den persönlichen Umständen ab, aber hier ist mein genereller Rat...

Entwickle eine Leidenschaft fürs Lernen. Das Entwickeln von Spielen benötigt die stete Erweiterung deiner Fähigkeiten. Man muss ständig neue Engines, neue Tools und neue Wissenssysteme verstehen. Wenn dein nächstes Projekt beispielsweise mit 3D-isometrischen Echtzeit-Strategie-Systemen arbeitet und im antiken Äthiopien angesiedelt ist, dann wirst du einiges lernen müssen. Entwickle Selbstachtung und Selbstvertrauen. Du wirst fast jeden Tag mit neuen Aufgaben und neuen Problemen konfrontiert, die du zu lösen hast. Wenn du dir deines Potentials nicht sicher bist, wird dir ständig der Antrieb fehlen, neue Herausforderungen anzugehen. Außerdem ist deine Selbstsicherheit sichtbar. Man merkt sofort, wenn sich jemand seiner Sache sicher fühlt - ein Zeichen dafür, dass man darauf vertrauen kann, dass du etwas ernst nimmst und es bis zum Ende durchziehst. Zuletzt bedeutet Selbstsicherheit auch, dass du deine Fehler und deine Schwächen zugeben kannst und du dazu in der Lage bist, an ihnen zu arbeiten.

Entwickle analytische Fähigkeiten. Man wirft mit dieser abgedroschenen Phrase gerne um sich, aber oftmals wird sie falsch verstanden. Damit ist gemeint, dass du eine komplexe Sache (Idee, Ereignis, System, Argument usw.) in ihre einfachsten Komponenten zerlegen kannst. Damit ist gemeint, dass du ein Verständnis für das Zusammenspiel dieser Komponenten entwickelst. Du musst wissen, was sie zusammenhält, wie sie miteinander interagieren, welche möglichen Kombinationen es gibt und wie man sie manipuliert, um die gewünschten Ergebnisse zu erzielen. Ganz ehrlich, als Game Designer verbringe ich 20% der Zeit damit, von "den coolen Sachen zu träumen" und 80% herauszufinden, wie man sie auf möglichst effiziente Weise ermöglicht.

Entwickle soziale Kompetenz. Das ist wirklich wichtig. Anders als beim Modding ist diese bei der professionellen Spieleentwicklung die meiste Zeit unerlässlich. Du befindest dich stets in einem gesellschaftlichen Zusammenspiel mit den Mitgliedern des Teams. Du wirst mit diesen Menschen eine lange Zeit an der gleichen Sache arbeiten, Probleme lösen (oftmals von dir selbst geschaffene) und das Endergebnis muss größer sein als die Summe seiner einzelnen Teile. Drama und unprofessionelles Verhalten sind größere Probleme als in anderen Geschäftswelten, wegen dem, was ich bereits oben erwähnte und weil dies eine "kleine" Industrie ist. Du wärst sicherlich überrascht zu wissen, wie schnell "etwas" die Runde macht.

Erstelle eine Website und veröffentliche deine besten Sachen darauf. Sorge für eine gute Präsentation, die deine Interessensgebiete und deine Fähigkeiten deutlich hervorhebt. Heutzutage muss man das Internet nutzen und es melken, wo es nur geht. Der erste Eindruck ist Gold wert und eine gute Website erleichtert die erste Kontaktaufnahme um einiges. Man müsste noch viel mehr erwähnen, insbesondere, weil dies jeden einzelnen Bereich der Spieleentwicklung betrifft. Was ich geschrieben habe, hat jedoch für jeden Gültigkeit. All das wird dir dabei helfen, in Bestform zu sein, wenn sich endlich eine Möglichkeit bieten sollte.

Was macht dir bei der Arbeit bei Obsidian am meisten Spaß?

Es fällt mir schwer, mich da auf etwas festzulegen. Man kann Vieles über das Maß an Talent, die Hingabe und die Kameradschaftlichkeit bei Obsidian sagen. Hier Spiele zu entwickeln, ist wie ein wahr gewordener Traum. Aber wenn ich mich für eine Sache entscheiden müsste, dann wäre es sicherlich die Möglichkeit, von den besten RPG-Entwicklern der Welt zu lernen. Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht etwas darüber lerne, wie man bessere Spiele, insbesondere RPGs macht. RPGs gehören meiner Meinung nach zu den komplexesten und vollendetsten Spielerfahrungen, die es gibt. Sie setzen nicht nur auf Kampf, List und Dialogmechaniken, sondern verlangen ebenso unterschwellige Tiefe, ausgereifte Charaktere, eine hochkarätige Story, lebendige Welten und enorme Design-Systeme. Es ist eine Erfahrung, die dem Eintritt in eine alternative digitale Realität am ähnlichsten ist, in der man zu Dingen in der Lage ist, von denen man im Alltag nur träumen kann. Für mich kommen RPGs der ultimativen Spielerfahrung am nächsten.

Wie heißt dein absolutes Lieblingsspiel?

Diese Frage lässt sich ebenso schwer beantworten. Auch wenn ich damit vielleicht übertreibe, werde ich zwei Spiele nennen. Mein absolutes Lieblingsspiel ist Planescape: Torment. Das hat mich einfach umgehauen, als ich es damals gespielt habe. Noch nie hatte ich etwas gesehen, das so anders, so fesselnd, so geheimnisvoll und trotzdem so vertraut war. Die Kreativität und die komplexen Subtexte dieses Spiels unterschieden es von allem, was ich je zuvor gespielt hatte. Kein anderes Spiel hat meine Vorstellungskraft so gefesselt. Es zog mich auf eine Art in seine vielschichtige, fortlaufende Geschichte, die mich seitdem geprägt hat. Das nächste Spiel ist ebenfalls ein Klassiker: System Shock 2. Es gehört zu den wenigen Fällen, in denen es einem Ego-Shooter gelungen ist, RPG-Elemente und Atmosphäre gleichermaßen zu perfektionieren. Dieses Spiel ist in jedem Fall größer als die Summe seiner Teile. Hier wurde Spannung und das Erzeugen von Angst auf eine Art umgesetzt, die meiner Meinung nach bis heute unerreicht ist.

Auf welche Spiele freust du dich?

Ich kann es kaum erwarten, The Witcher 2 in die Finger zu bekommen. Als ich den ersten Teil gespielt habe, gefielen mir dessen erstklassige Story und die wunderschön gestalteten Szenarien. Außerdem gefiel mir, wie nicht davor zurückgeschreckt wurde, erwachsene Themen zu behandeln. Es ist wirklich schade, dass Spiele von vielen noch immer für Kinderkram gehalten werden. Film und Theater haben beim Umgang mit solchen Themen einen viel größeren Spielraum. Zwei weitere Spiele, die ich mit Interesse verfolge, sind Batman: Arkham City und Mirror's Edge 2 - das sind wirklich viele Fortsetzungen. Batman: Arkham Asylum war viel besser, als ich zunächst erwartet hatte. Es war dicht, wunderschön, hatte ein erstklassiges Kampfsystem und es mangelte nicht an Story-Elementen. Auch Mirrors Edge hat den richtigen Ton getroffen und ging mit seiner innovativen 3D-Mechanik neue Wege.

Was war dein bisher schlimmster Job?

Normalerweise kann ich allem etwas Gutes abgewinnen, das war bei allen meiner Jobs so. Bei einem der weniger zauberhaften Jobs musste ich Scheunen nach dem Reitunterricht saubermachen. Den Rest kannst du dir sicherlich vorstellen. Neulich drückte es ein Freund von mir folgendermaßen aus: Eine Karriere zu haben, ist nicht das Gleiche, wie einen Job zu haben. Und mit etwas Karriere zu machen, das man sehr schätzt, ist sogar noch besser. Somit verblassen meine früheren Beschäftigungen natürlich im Vergleich mit meiner momentanen Anstellung.

Wie verbringst du deine Freizeit? Hast du Pläne für die Zeit nach dem Release?

Ich bin gerne in der freien Natur unterwegs. Gib mir eine Wasserflasche, einen Holzstock und ein Messer und ich verschwinde von einem Augenblick auf den anderen im Wald. Ich liebe gute Bücher, egal ob Romane oder Sachbücher, genau wie gute Theaterstücke und Filme. Außerdem bin ich gerne in Gesellschaft. Findet eine Party statt, bin ich sofort da. Noch schöner ist es, wenn dabei gekocht wird. Kaum etwas ist besser, als für Familie und Freunde ein gutes Essen zu kochen. Ich bekomme auch nicht genug von Musik und vom Reisen. Und vom stundenlangen Umherfahren, um diese beiden Dinge zu kombinieren. Aber am liebsten verbringe ich meine Freizeit mit meinen Kindern. Ich entdecke die Wunder der Welt mit ihnen und gebe an sie weiter, was ich vor ihnen gelernt habe und lerne viele Dinge, die sie vor mir begreifen. Deshalb plane ich natürlich, die Zeit nach dem Release mit ihnen, dem Rest der Familie und guten Freunden zu verbringen. Oh, und irgendwann werde ich zwischendurch auch endlich etwas spielen können. ;)

Möchtest du sonst noch etwas sagen?

Ja, macht weiter so! Die Community von Bethesda gehört mit ihren Moddern und Fans zu den anständigsten, interessiertesten und engagiertesten überhaupt. Ich kann es kaum erwarten zu sehen, was ihr mit Fallout: New Vegas anstellen werdet.

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