Universität Siegen
07.12.2006 12:39, Jörg Luibl

Vier Punkte gegen die Hysterie

Während in der Tagespresse eher die Pauschalisierung vorherrscht, gibt es auch hilfreichere Gedanken nach dem hysterischen Schneeballeffekt von Emsdetten. Die Medienwissenschaftler der Universität Siegen haben sich angesichts der Killerspieldebatte und des geplanten Verbotes zu Wort gemeldet, die wir nur befürworten können. Hier die wichtigsten Feststellungen der Forschungsgruppe "Mediennarrationen und Medienspiele ":

1. Computerspiele vermitteln Spielern keine Konfliktlösungsmodelle, weder in einem humanistischen noch in einem zynischen Sinne, sie fordern und trainieren vielmehr, wie andere Spiele auch, spielspezifische Formen körperlicher und geistiger Geschicklichkeit.

2. Die Befürworter eines Verbots so genannter "Killerspiele" nennen im Wesentlichen drei Argumente, um ihre Position zu begründen: Jugendliche Gewalttäter konsumieren oft auch entsprechende Gewaltvideos und Computerspiele; empirische Studien haben nach dem Konsum von Gewalt darstellenden Computerspielen eine erhöhte Bereitschaft zu aggressivem Verhalten gemessen; in Armeen werden Computerspiele eingesetzt, um Soldaten auszubilden. Die Überzeugungskraft dieser Argumente beruht auf einem oberflächlichen Blick auf die Sachlage.

3. Eine alltagsnahe Simulation von Handlungen kann durch eine immer illusionistischer wirkende Computergraphik nur versprochen, nicht aber eingelöst werden. Der Aspekt des Künstlichen und Realitätsfernen kann in Computerspielen prinzipiell nicht überwunden werden und teilt sich den Spielern immer und eindeutig mit.

4. Der gewalttätige Inhalt mancher Computerspiele dient einerseits der Konsistenzanmutung des Computerspiels, andererseits kann die Differenz zwischen dem provokanten Inhalt der Bilder und der spielerischen Beherrschung dieser Provokation vom Spieler als Souveränitätsvorsprung genossen werden.

Hier die Schlussworte:

Die Ästhetik der Brutalität wird ihre Faszinationskraft erst dann verlieren, wenn das Spielprinzip des Ego-Shooters alle Altersgruppen und Sozialmilieus erreicht hat und zur kulturell etablierten medialen Praxis geworden ist. Dann kann das Provokationspotenzial der Geschmacklosigkeit nicht mehr verfangen, weil die Harmlosigkeit der Simulationen offenkundig geworden ist. Solange die ästhetische Geschmacklosigkeit aber zur sozialpsychologischen Gefahr hochstilisiert wird und in Verbotsdebatten mit Angstvokabeln wie "Killerspiel" gearbeitet wird, konserviert man den Status Quo und bereitet der Geschmacklosigkeit den Boden, den man ihr entziehen möchte.

0
0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.