von Benjamin Schmädig,

gc-Eindruck: Deus Ex: Human Revolution

Deus Ex: Human Revolution (Rollenspiel) von Square Enix
Deus Ex: Human Revolution (Rollenspiel) von Square Enix - Bildquelle: Square Enix


Es war eine große Unbekannte: Werden die Entwickler des neuen Eidos Montreal tatsächlich halten, was sie mit den ersten Präsentationen des SciFi-Thrillers versprochen hatten? In einer Zeit, in der sich Spieleentwicklung zum großen Teil um Vereinfachung und Massenmarkt dreht, wollten sie immerhin ein Spiel schaffen, in dem Entscheidungen im Vordergrund stehen. Für jedes Problem soll es mehrere Lösungen geben; Schusswechsel sollen sich mit Schleichen, dem Hacken elektronischer Geräte und einem ausgefeilten Dialogsystem abwechseln können. Doch bisher zeigten und erläuterten die Entwickler nur verschiedene Methoden, mit denen Adam Jensen schwer bewachte Einrichtungen infiltriert. Sie zeigten noch nicht, wie variabel er diese Methoden einsetzen kann. In Köln sollte sich da ändern.

Agent Bausteinkasten

Ein kurzer Überblick: Adam Jensen ist ein ehemaliger Sicherheitsangestellter, der bei einem Anschlag schwer verwundet wurde. Mithilfe mechanischer Implantate oder Erweiterungen seiner verletzten Körperteile rettet ihm der Besitzer eines der führenden Unternehmens künstlicher Körperteile, so genannter Augmentations, das Leben und stellt ihn als Agent ein.

Augmentations sind normalen Körperteilen deutlich überlegen. Mit besonders starken Armen kann Adam z.B. schwere Kisten heben. Mit den "richtigen" Augen entdeckt er selbst hinter Wänden Menschen. Die entsprechende Erweiterung für seine Beine lässt seine Schritte verstummen. Solche Upgrades bilden den spielerischen Kern der Charakterentwicklung. Das Basismodell aller Augmentations bietet im Vergleich zu einem mehrfach erweiterten Körperteil nämlich nur geringe Vorteile. Erfahrungspunkte kann Jensen deshalb in bessere Augmentations investieren.



Detroit, 2027

Charakterentwicklung spielte in der gamescom-Präsentation aber eine untergeordnete Rolle. An einer Stelle verbessert Adam zwar seine Fähigkeiten beim Hacken einer Tür, ins Detail gingen die Entwickler aber nicht - wichtig war Game Director Jean-Francois Dugas die Vielfalt an Entscheidungen, die Jensen an mehreren Stellen innerhalb eines recht kleinen Abschnitts treffen konnte. Adams Ziel ist eine Leiche, die in einer Polizeistation obduziert wird. Er braucht Informationen, die der Tote bei sich trug. Jensen läuft also durch Detroit, wo er aus einer engen Straße heraus auf einen kleinen Platz tritt. Auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes befindet sich die Polizeistation, glatte Fassaden und Litfaßsäulen mit Monitoren prägen das futuristische Stadtbild. Eine Hochbahn zieht sich über den Dächern an einer breiten Schiene entlang. Rechts von Jensen schläft jemand auf den Stufen eines scheinbar verlassenen Gebäudes, anderswo lehnt jemand mit Zigarette an einer Hauswand, ein Polizist patrouilliert gelassen durch die Straßen.

Und Action!

Dreimal wird Adam in die Polizeistation eindringen - einmal mit roher Gewalt, ein zweites Mal mit cleverem Smalltalk, zum dritten Mal durch ein geknacktes Türschloss. Dabei hätte er jederzeit auch ohne den Einsatz seiner Augmentations über das Dach einsteigen können. Dieser Weg stünde zwar jedem offen, wäre dafür aber der schwierigste. Jensen betritt also zum ersten Mal die Station. Er steht in einem kleinen Vorraum, links das Empfangspult hinter einer Glasscheibe, rechts daneben ein bewachter Gang, der zu den Büros der Polizisten führt. Als er durch diesen Gang schreitet, wird er noch daran erinnert, dass er keinen Zugang hat, kurz darauf öffnet er die Tür. Der Alarm schlägt sofort an.

Bevor sich Adam um die Polizisten vor ihm kümmert, dreht er sich um und entledigt sich mithilfe einer am Arm befestigten Klinge einer Wache. Solche Finisher sowie Würgegriffe, mit denen er Gegner betäubt, werden in einer filmischen Kamerafahrt inszeniert. Geht er in Deckung, folgt man ihm aus der Schulterperspektive. Der Rest des Spiels findet in der Egoperspektive statt. Pistole, Maschinengewehr und Stun Gun, die einen Feind nur bewusstlos schießt, gehören zum Standardrepertoire. Per Knopfdruck geht Jensen in Deckung oder wechselt zu einer benachbarten Barrikade - im Kampf ist Human Revolution ein Shooter wie er im Buche steht.



Mit dem Unterschied, dass er mit seinen starken Armen große Drucker und andere schwere Gegenstände tragen kann, um neue Deckung zu schaffen. Wie erwähnt kann er seine Gegner zudem durch Wände orten und er verfügt über verschiedene Munitionstypen, um z.B. von normalen auf explosive Patronen zu wechseln. Im Hintergrund brummen die schweren Bässe eines langsamen elektronischen Stückes, eine leise Version des Chors begleitet ähnlich wie im E3-Trailer die Musik. Leider fällt spätestens bei den Explosionen auf, dass Deus Ex mit reinen Ego-Shootern nicht mithalten wird: Die Rauchwolken verpuffen ohne Knall, Gewehrfeuer rattert nicht brachial genug, Einschläge hinterlassen kaum Spuren. Dieser Serientradition bleibt das dritte Deus Ex also scheinbar treu.

Sprich mit ihm

Adam gelangt schließlich in das Obduktionszimmer, entwendet die gesuchte Information - Zeit für einen zweiten Anlauf. Wieder betritt Jensen den Platz vor der Polizeistation und gelangt an das Empfangspult. Diesmal will er aber seine soziale Finesse nutzen. Er spricht deshalb den am Pult sitzenden Polizisten an - ein Partner, mit dem er einst zusammengearbeitet hatte. Natürlich will der ihm nicht umgehend Zutritt verschaffen, natürlich bittet ihn Adam trotzdem um diesen Gefallen. Und auch wenn Human Revolution nicht so technisch ausgefeilt wie Uncharted 2 oder Heavy Rain wirkt, überzeugen die virtuellen Schauspieler mit einer glaubwürdigen Mimik und Gestik. Weniger begeistern konnte die auf einer PS3 vorgeführte Demo in anderen Aspekten: So werfen einige Figuren hässliche Treppenschatten und schon bei halbwegs schnellen Bewegungen riss das Bild sehr unangenehm auseinander.

Drei Möglichkeiten hat Adam mit jeder Dialogoption: Er kann entweder fordernd, sachlich oder emotional reagieren. Die richtige Antwort hängt von dem zuvor Gesagten ab. Richtig bedeutet in der gamescom-Präsentation, dass Jensen Zugang zu der Polizeistation erhält, also fordert er mal ruhig, mal bestimmt einen Gefallen ein. Zum Schluss ist allerdings Fingerspitzengefühl gefragt, als es um die persönlichen Dämonen seines ehemaligen Partners geht. Anschließend darf sich Adam frei in dem Gebäude bewegen - der Rest des Auftrags erledigt sich wie von alleine. Ein wenig mehr Feingefühl hätten die Entwickler beweisen können, wenn der Mann am Empfang nicht nur verspricht, alle Polizisten über Adams Zugangsberechtigung zu informieren, sondern wenn er dies auch deutlich hörbar getan hätte. Immerhin ist die Eingangstür nur wenige Meter entfernt und bis Jensen durch sie hindurch geht, geschieht nichts dergleichen.

Garretts Weg

Noch einmal geht es zurück in die Straßen von Detroit. Noch einmal steht da die Polizeistation. Doch diesmal ignoriert Adam den Haupteingang. Er will weder reden noch schießen, ihm schwebt das lautlose Eindringen durch die Hintertür vor. Dafür muss er zunächst einen Zaun überwinden, weshalb er sich eine Mülltonne schnappt, sie vor dem Zaun abstellt, drauf steigt und so anschließend über den hohen Zaun auf die Rückseite des Gebäudes gelangt. Ohne erweiterte künstliche Sprunggelenke wäre ihm dieser Sprung allerdings nicht gelungen und er hätte sich einen anderen Weg suchen müssen. Nachdem er mithilfe einer Kiste auf eine Feuerleiter geklettert ist, steht er allerdings vor einer verschlossenen Tür. Um die zu öffnen, muss er mithilfe eines Minispiels den elektronischen Sicherheitsmechanismus knacken, bevor er vom System entdeckt wird. Wie genau das funktioniert, ging aus der gc-Demo nicht hervor. Das Prinzip ist aber einfach: Durch das Anklicken miteinander verbundener Ecken arbeitet er sich Schritt für Schritt zum Ziel vor. Je nach Ecke gibt es dabei eine bestimmte Wahrscheinlichkeit, mit der das System einen Eindringling entdeckt. Ist es erst mal alarmiert, arbeitet es sich ebenfalls zum Ziel durch - in seinem Fall natürlich der Eintrittspunkt des Eindringlings. Indem man an den Ecken digitale Schilde aktiviert, kann man diesen Vormarsch zwar offenbar bremsen, Eidos muss das Minispiel aber noch im Detail erklären.



Adam gelingt der Einbruch, jetzt muss er in die Obduktionskammer schleichen. Dafür sucht er hinter Kisten, Geländern, Wänden oder Bürogeräten Schutz. Überwachungskameras scannen empfindliche Bereiche, Wachen patrouillieren in wichtigen Gängen. An einen der Polizisten schleicht sich Jensen heran und würgt ihn bewusstlos. Sicherheitshalber sollte er den Körper vielleicht verstecken; Tote und Bewusstlose kann er außerdem nach Gegenständen durchsuchen. Er braucht ihn allerdings noch, weil er zuvor beobachtet hatte, wie der Mann durch eine stark gesicherte Tür ging. Also schleift ihn Adam unter einer Kamera hindurch und läuft mit dem Bewusstlosen "unterm Arm" durch die Tür - clever! Der Game Director erklärt, dass er mehrere Stockwerke des Gebäudes auf diese oder ganz andere Arten durchkämmen könnte. Immerhin dürfte er in der Waffenkammer z.B. den einen oder anderen Ausrüstungsgegenstand finden. In der Präsentation bleibt dafür aber keine Zeit. Und so betritt Adam einmal mehr den Raum, in dem die Leiche aufgebahrt ist, unterhält sich vorher mit dem obduzierenden Arzt und verlässt das Gebäude schließlich wieder.

Vorher zeigten die Entwickler noch, wie sich Jensen unsichtbar an Polizisten vorbei schlich. Dabei hätten sie ihn nur hören können. Und selbst das nur dann, wenn er ohne entsprechende Augmentation zu schnell gelaufen wäre. Wir sahen auch, wie er so getarnt einen Gegenstand direkt vom Schreibtisch eines arbeitenden Polizisten entwendete. Auf Nachfrage erklärt Jean-Francois Dugas später zum Glück, dass die Personen im fertigen Spiel solche Aktionen bemerken werden, falls sie in ihrem Blickfeld geschehen. Und könnte sich Jensen eigentlich noch mit Charakteren unterhalten, nachdem er einmal mit dem Waffenlauf voran in die Polizeistation eingedrungen ist? Ja, sagt der Game Director. Einige Unterhaltungen wären dann natürlich nicht mehr möglich, man könne aber je nach Spielweise jederzeit zwischen Schleichen, Action, Hacken und Reden wechseln - für jede Situation gibt es viele Lösungen.

Die Zukunft?

Nach der E3-Präsentation konnten wir nur sagen: Wenn das Spiel so wird wie die Entwickler versprechen, könnte es zu den ganz Großen gehören. Nach der gamescom-Vorführung können wir immerhin sagen: Wenn das ganze Spiel so wird wie der gezeigte Abschnitt, dürfte es tatsächlich zu den ganz Großen gehören. Denn obwohl das erste Deus Ex einst einen riesigen Sprung in Richtung spielerischer Freiheit machte, konnten ihm bislang nur wenige Spiele dorthin folgen. So wird es wahrscheinlich nicht das Neue sein, mit dem sich Human Revolution scheinbar zurückhält - es könnte eher das Besinnen auf die Werte des damaligen Meilensteins sein, das auch heute noch Akzente setzt. Technische Ernüchterung hin oder her: Stilistisch und spielerisch verspricht Deus Ex: Human Revolution (ab 6,61€ bei kaufen) einen wichtigen Schritt in die Zukunft!

gc-Eindruck: sehr gut



Kommentare

FreshG schrieb am
Ich freu mich drauf auch wenn es viele kritiker gibt aber ich habe glaube ich den vorteil das ich das erste game nicht kenne ^^
xXNoUserFoundXx schrieb am
HevyDevy hat geschrieben:
Nach der E3-Präsentation konnten wir nur sagen: Wenn das Spiel so wird wie die Entwickler versprechen, könnte es zu den ganz Großen gehören.
Wie naiv kann man sein? "[W]ie die Entwickler versprechen". Ja so ein naiver Schmarrn, und darauf gründet sich euer Eindruck, auf ein Versprechen.
Du reisst den Satz völlig aus dem Kontext! Hättest du den nächsten Satz auch noch gelesen, hättest du dir das Posting sparen können.
Nach der E3-Präsentation konnten wir nur sagen: Wenn das Spiel so wird wie die Entwickler versprechen, könnte es zu den ganz Großen gehören. Nach der gamescom-Vorführung können wir immerhin sagen: Wenn das ganze Spiel so wird wie der gezeigte Abschnitt, dürfte es tatsächlich zu den ganz Großen gehören.
@topic: Ich freu mich jedenfalls sehr auf das Spiel und bin sehr gespannt ob es halten kann was versprochen wird. Bisher bin ich optimistisch das ein gutes Spiel dabei rauskommen wird, ob es wirklich in die Fußstapfen des ersten Teils treten kann wird sich zeigen.
KingDingeLing87 schrieb am
Da hört sich wirklich sehr, sehr geil an.
Habe noch nie ein Deus Ex Spiel gezockt.
Aber das was ich bisher über diesen Teil gehört, gelesen und vor allem gesehen habe, macht verdammt nochmal sehr viel Lust auf das Spiel.
HevyDevy schrieb am
Nach der E3-Präsentation konnten wir nur sagen: Wenn das Spiel so wird wie die Entwickler versprechen, könnte es zu den ganz Großen gehören.
Wie naiv kann man sein? "[W]ie die Entwickler versprechen". Ja so ein naiver Schmarrn, und darauf gründet sich euer Eindruck, auf ein Versprechen.
superboss schrieb am
AhBelle hat geschrieben:Oha, jetz bin ich mal gespannt
Mich als Mass Effect Liebhaber intressieren vor allem die Möglichkeiten über Gespräche sein Ziel zu erreichen
Geht mir genauso :)
schrieb am
Deus Ex: Human Revolution
ab 6,61€ bei