von Benjamin Schmädig,

gc-Eindruck: R.U.S.E.



Ich schiele mit neidischen Augen zu Sega, wo sich Jörg in diesen Minuten das neue Total War anschaut! Allerdings ist meine Alternative ist nicht weniger interessant. Denn R.U.S.E. verspricht nicht nur ein neuer visueller Höhepunkt der Echtzeitstrategie zu werden, es will dem Genre auch spielerisch weiterhelfen. Mittelpunkt sind die so genannten Ruses, zu Deutsch etwa Kriegslisten, mit denen der Gegner getäuscht werden und mit denen man feindliches Gebiet aufklären kann - taktische Mittel also, welche dem virtuellen Taktiker viele Möglichkeiten geben sollen, die ihm bisher fehlten. So ist es z.B. eine Sache, schwache Jeeps auf der Karte zu verteilen, um einen kommenden Angriff zu erkennen. Es ist aber eine ganz andere Sache, wenn man dank einer Liste jene markanten breiten Pfeile sieht, die in historischen Fernsehaufzeichnungen große Truppenbewegungen symbolisieren. Sofort fühlt man sich wie ein zeitgenössischer General, der vor einer strategischen Karte des Zweiten Weltkriegs einen Plan austüftelt. Dass das Spiel die Kommandozentrale und den Tisch mit dieser Karte auch visuell darstellt, ist jedenfalls kein Zufall.

Noch immer ist es einfach imposant, von weit oben direkt aufs Schlachtfeld zu zoomen, um einzelne Einheiten präzise zu bewegen oder aus der Vogelperspektive komplette Verbände zu verschieben - jeweils ein Knopfdruck für beide Aktionen machen die gewünschte Auswahl angenehm einfach. Ebenfalls komfortabel: Wer eine neue Einheit produzieren will, sieht anhand von bis zu vier Punkten auf den Symbolen für Gebäude, Infanterie, Panzer sowie Flugzeuge wie wirkungsvoll die Einheit gegen das entsprechende Ziel sein wird. Alles in allem wird RUSE dem Anspruch gerecht, seine taktische Tiefe leicht zugänglich zu machen - vorbildlich! Doch wie weit geht diese Tiefe? Während einer ersten Präsentation in Paris durften wir lediglich das einführende Tutorial spielen; eigene taktische Entscheidungen ließen die vorgefertigten Truppenbewegungen dort nicht zu. In Köln gab es nun erstmals das Aufeinandertreffen von zwei menschlichen Spielern, genauer gesagt kämpfen Alliierte und Deutsche Kräfte um die Vorherrschaft in einem quadratischen Areal.

Ungewöhnlich an R.U.S.E.: Die Position des feindlichen Hauptquartiers ist von Beginn an deutlich gekennzeichnet, denn  einen Nebel des Krieges gibt es nicht. Stattdessen markieren Pfeile die Bewegung gegnerischer Flieger, während sich feindliche Bodentruppen unbemerkt bewegen, so lange sie nicht in der direkten Umgebung operieren. Ebenfalls ungewöhnlich verläuft der Ausbau der Basis, denn obwohl man wie gewohnt Baracken sowie Fabriken für Kriegsmaschinerie errichtet, ist dies nur an Straßen möglich, die mit dem eigenen Hauptquartier verbunden sind. Und das könnte von der ersten Sekunde an immerhin direkt neben der feindlichen Basis geschehen! Taktisch gesehen wäre das natürlich eine herzlich sinnlose Aktion - allerdings öffnet es tatsächlich Möglichkeiten, um schon früh in Feindesland vorzudringen, da man seine vor Ort produzierten Einheiten natürlich schneller ans Ziel bringen kann.

Doch zunächst gilt es, Versorgungsdepots zu erobern. Diese liegen ebenfalls direkt an Straßen, so dass die dort losfahrenden Lastkraftwagen ihre Fracht (das Einkommen wird ganz einfach in bare Münze umgerechnet) zur Basis fahren können. Mir sind die Trucks aber zu langsam - Zeit für meine erste Kriegslist. Blitz heißt eine Ruse, die Ubisoft auf der gamescom zum ersten Mal vorstellt: So lange diese List aktiviert bleibt (ein Zyklus dauert drei Minuten), bewegen sich sämtliche Fahrzeuge in dem entsprechenden Sektor deutlich schneller. Gerade für die mächtigen, aber trägen deutschen Einheiten kann Blitz den Unterschied zwischen Sieg und Niederlage ausmachen. Aber es ist vertrackter als es klingt. Während das Spielfeld nämlich in Sektoren unterteilt ist, unterscheiden sich diese in Form und Größe. Hier ist es so, dass die Mitte des Spielfelds in vier kleine Sektoren unterteilt wurde, während die äußeren Felder aus deutlich größeren Arealen bestehen. In jedem Feld kann zudem mehr als nur eine List aktiviert werden - im Gegenzug gibt es jedoch nur eine begrenzte Anzahl maximal zulässiger Ruses, und sind alle Listen im Einsatz, muss man das Ablaufen eines Countdowns abwarten. Dennoch greift man während einer Partie aber recht häufig auf die Listen zurück. Ein Zähler zeigt dabei ab einer hohen Vogelperspektive an, wie viele Minuten die eingesetzten Ruses noch aktiv sind. Unübersichtlich ist nur, dass die Anzeige beim Heranzoomen verschwindet.

Nachdem ich also mehr Depots eingenommen habe als ich Geld benötige, errichte ich zunächst eine Fabrik für Verteidigungsanlagen und platziere anschließend eine Hand voll schwerer Geschütze vor meinem Hauptquartier sowie vor einer zweiten, in der Mitte der Karte errichteten Basis. Immerhin könnte der britische Kollege an der Konsole neben mir jederzeit die starken Flieger seiner Alliierten Truppen überall attackieren lassen! Und jetzt will ich es wirklich wissen: Um meinen Kontrahenten zu verwirren, aktiviere ich in den Sektoren rechts und links neben seiner Basis einen Täuschungsangriff. Sekunden später zeigen blaue Pfeile die Bewegung zahlreicher Flugzeuge über den entsprechenden Sektoren an - stünde meine Armee zum Angriff bereit, könnte ich jetzt seine Tore einreiten...

Stattdessen brauchen meine schweren Panzer noch eine Weile, und damit die kostspieligen Maschinen, für die ich zudem erst in einen ebenfalls teuren Forschungsauftrag investieren musste, nicht entdeckt und von Bombern heimgesucht werden, verstecke ich sie mit der "Funkstille" genannten List. Jetzt müsste der Gegner schon im richtigen Sektor jene Ruse aktivieren, die sämtliche Truppenbewegungen sichtbar macht; nur so könnte er den Verband entdecken. Oder natürlich er würde mit seinen Einheiten dasselbe Gebiet durchkreuzen - aber wie der Einsatz der Ruse "Spion" verraten hat, unterhält der Kollege gerade mal ein Depot im anliegenden Sektor. Spuren für nennenswerte Aktivität seinerseits gibt es jedenfalls keine.

Nach einigen vergeblichen Versuchen, meine zentrale Bastion zu durchbrechen, aktiviere ich schließlich erneut die Blitz-List - diese Panzerfahrer lassen sich wirklich Zeit! Außerdem darf ich ihnen keine Wegpunkte vorgeben. Ein Entwickler erklärt es damit, dass man damit das Verschieben von Symbolen auf einer realen Strategiekarte einfangen will; fehlen tut mir die Möglichkeit trotzdem. Als ich schließlich näher ans Geschehen fahre, um einzelnen Einheiten präzise Routen vorzugeben, weiß ich außerdem nicht immer, über welcher Einheit bzw. welcher Gruppe der Cursor gerade liegt. Ähnlich schlecht kann ich meine Depots von den noch nicht eingenommenen unterscheiden. Die Übersicht müssen und wollen die Entwickler allerdings noch verbessern.

Aber zum Glück hatte der britische Kollege ohnehin nicht ernsthaft taktiert, so dass ich mir eine Menge Patzer leisten konnte - und taktisch wird man bei dem kurzen Probespiel an einem Messestand leider noch immer nicht gefordert. R.U.S.E. Lässt zwar weiterhin durchblicken, dass es in der Tat eine Art Risiko in Echtzeit sein könnte und dabei vor allem durch den ständigen Überblick über das gesamte Einsatzgebiet viel Spielraum öffnet! Wie clever aber z.B. der Computer taktiert und wie gut man auch während eines Feuerwechsels noch ins Geschehen eingreifen kann, bleibt zur Zeit noch offen. Dabei muss das Spiel gerade im Gefecht gegen bzw. mit bis zu drei menschlichen Generälen seine Stärken beweisen. Immerhin soll die Solo-Kampagne nach Aussage der Entwickler nur ein langes Tutorial sein, das auf den Mehrspieler-Kampf vorbereitet.

Was mir auch in der auf der gamescom gezeigten Version richtig gut gefällt, ist der vergleichsweise ruige Aufbau und die Illusion, tatsächlich vor einer strategischen Karte zu schalten und zu walten. Aber wie viele Taktiken führen zum Sieg? Kann man den schnellen Sturm eines ungestümen Gegners wirkungsvoll abwehren oder geht es am Ende doch nur darum, als Erster anzugreifen? Auf jeden Fall sollte Entwickler Eugen Systems mit kleinen Änderungen noch die Übersicht erhöhen, während das Kontrollieren der Armee im Allgemeinen sehr komfortabel von der Hand geht. Die Kriegslisten bringen hingegen eine Komponente ins Spiel, die zwar weniger stark im Vordergrund steht als es z.B. der erste Trailer vermuten lässt. Eine Komponente, die den taktischen Spielraum aber spürbar erweitert, weil man stets das Unvorhersehbare in die Planung mit einbeziehen muss. R.U.S.E. zeigt weiterhin enorm viel Potential für Risiko-Strategen - irgendwann sollte Ubisoft aber zeigen, dass es dieses Potential auch ausspielen kann!

gc-Eindruck: gut



Kommentare

Daddelkönig schrieb am
Ich hatte gestern die Gelegenheit RUSE auf der gamescom 45 Minuten lang am PC zu spielen und einem der Entwickler einige Fragen zu stellen:
Zum Gameplay: Es gab für mich kein Tutorial, sodass ich mich erst einmal in das Geschehen einfinden musste. Natürlich kannte ich den Teaser und diverse Gameplayvideos aus dem Internet, aber wenn man tatsächlich am Drücker ist, ist es immer noch etwas anderes. Aber schon nach wenigen Minuten hatte ich das Grundprinzip einigermaßen raus.
In dem Afrika-Einsatz, den ich spielen durfte, erhielt ich die Kontrolle über eine kleine Panzerdivision und wurde von einer größeren Anzahl CPU-gesteuerter Einheiten unterstützt.
Was mir am besten gefällt, ist das scheinbar gut ausbalancierte Stein-Schere-Papier-Kampfsystem. So kämpfte sich meine Panzertruppe zwar durch gegnerische Panzerverbände, fiel dann aber nach Eintreffen in der einzunehmenden Stadt sofort einigen Fußtruppen zum Opfer, welche mein Gegner in den Häusern verschanzt hatte.
Auch ist es wichtig, genau zu überlegen, wo Gebäude errichtet werden sollen, da der Gegner durch nur eine geschickt platzierte Einheit die gesamte Versorgung durch das Zerstören der LKWs stören kann.
Auf jeden Fall sog mich die Amtosphäre des Spiels ein, kaum dass ich am Rechner saß. Die Grafik ist schick, die Farbgebung intensiv und stimmungsvoll und die Bewegungsabläufe laufen "smooth". So lief das Spiel trotz vieler in Kämpfe verwickelte Einheiten und bei wildem rein- und rauszoomen konstant stabil, ohne dass die Framerate einzubrechen schien. Ich hoffe, dass dies auch für die Konsolenversionen zutreffen wird.
Allerdings spielte ich auch auf einem sehr potenten Rechner (i7-CPU, 4GB DDR3 usw.)
Allerdings ließen sich in der noch nicht finalen Version des Spiels noch einige Ecken und Kanten erkennen, wenn man ganz nah an das Spielgeschehen heranzoomt. Auch die "Verwandlung" der Einheiten von Pokerchips zu mehreren kleinen Panzern wirkt noch ein bisschen unförmig. So konnte es vorkommen, dass mich die...
schrieb am
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