Napoleon: Total War
30.06.2010 14:04, Jörg Luibl

DLC-Test: Spanische Kampagne

Knapp vier Monate nach dem totalen Krieg zwischen Napoleon und dem Rest der Welt ruft Creative Assembly erneut zu den Waffen. Für 6,99 Euro sollen vor allem Veteranen über den kurzen Steamweg nach Spanien gelockt werden, um sich dort in einen dreijährigen Konflikt mit neuen Spielmechanismen zu stürzen. Lohnt sich die Kampagne auf der iberischen Halbinsel, die den historischen Guerillakrieg von 1811 bis 1814 thematisiert?

Der kleine Widerstand

Nur drei Nationen sind wählbar und lediglich 32 Provinzen warten auf ihren Befreier? Das ist überschaubar und auf den ersten Blick ernüchternd. Warum sollte ich für einen kastrierten Ausschnitt des Hauptspiels überhaupt Geld bezahlen? Da kann ich doch gleich ein freies Spiel in Empire: Total War mit einer kleinen Nation starten! Nein, ganz so unspektakulär wie er zunächst aussieht, ist dieser Download-Krieg nicht. Er kann übrigens auch zu zweit kooperativ gegen die Franzosen oder gegeneinander online gespielt werden.

Obwohl man die Briten, die Franzosen oder die Spanier mit ganz unterschiedlichen Zielen anführen kann, sollte man sich für Letztere entscheiden, wenn man sowohl ein frisches Spielerlebnis als auch eine Herausforderung sucht. Die iberischen Freiheitskämpfer stehen am Rande des Untergangs, bringen aber auch einige interessante Neuerungen mit sich, so dass strategisches Umdenken gefragt ist: Clevere Hinterhalte, politische Propaganda und die Taktik der kleinen Nadelstiche ist wichtig.

Am Rande des Untergangs

Die Ausgangslage ist für die Spanier im Jahr 1811 überaus heikel: Sie besitzen nach zwei Jahren Krieg gegen die Franzosen nur noch zwei Provinzen im Süden, treiben gerade mal Handel mit den befreundeten Portugiesen (sie sind nicht spielbar, agieren allerdings angenehm offensiv als KI-Nation gegen die Franzosen) und den Briten, die in Gibraltar einen Stützpunkt besitzen. Und Napoleons Armeen haben nicht nur Madrid erobert, sondern marschieren aggressiv auf Portugal und die Küste zu - es ist lediglich der militärischen Finesse des englischen Generals Wellington zu verdanken, dass man sie bisher aufhalten konnte.

Aber wie will man ganz Spanien im Angesicht dieser Kriegsmaschinerie zurück erobern? Das wird nur funktionieren, wenn man den Handel mit den Kolonien oder Verbündeten für lukrative Einnahmen sichert, wenn man optimal mit den Engländern zusammen arbeitet, ihnen die Küsten zur Landung frei hält und wenn man als spanischer Widerstandskämpfer keine ultimative Feldschlacht, sondern kleine Eroberungen plant: Dazu gilt es Provinzen zu befreien und dort lokale Truppen auszuheben, die dann einen Guerillakrieg führen - Creative Assembly bildet die historische Ausgangssituation sowie Freiheitskämpfer gut ab.

Im Schatten des Feindes

Fünf Guerilla-Einheiten sind mobilisierbar, darunter neben Anführern reguläre Tiradores (Plänkler), Cazadores (Leichte Infanterie), Lanceros (Lanzenreiter) und Husares (Leichte Kavallerie). Creative Assembly hat zwar die Art der Kriegführung, was Häuserkampf und das Verhalten im Feld angeht, nicht speziell angepasst. Das Besondere an den Guerillas ist aber, dass man sie vor der Schlacht auch außerhalb des normalen Bereichs aufstellen kann - sie lauern dann im Rücken oder der Flanke des Gegners und sind so lange unsichtbar für den Feind, bis man sie angreifen lässt. Auf diese Art kann man selbst überlegene französische Armeen in Verlegenheit bringen, indem man plötzlich den General attackiert. Außerdem lassen sie sich auf der Strategiekarte gut in Wäldern verstecken.

Übrigens: Wer als Brite eine Provinz befreit, kann diese an die Spanier zurück geben und erhält dann ebenfalls Unterstützung durch Guerilla-Kämpfer. Neben diesen gibt es noch 28 neue normale Einheiten, darunter britische 95. "Rifles", französische Vistula Uhlans und spanische Coraceros Españoles - das sind schwere Reiter, die im Feld fast veraltet anmuten, aber ungeheuren Schaden anrichten.

Drei neue Agenten

Auch die politische Bekehrung bzw. der Krieg hinter den Kulissen spielt eine Rolle. Als Franzose ist man zwar militärisch überlegen, aber man muss die besetzten Regionen über Propaganda davon abhalten, sich dem Freiheitskampf anzuschließen. Auf Seiten der Spanier kommen drei neue Agenten zum Einsatz: Mit spanischen Priestern und Provokateuren kann man die besetzten Landstriche gezielt auf seine Seite bringen, indem man die nationale Propaganda schürt und Unruhe bis hin zur Rebellion stiftet. Die antifranzösische bzw. antispanische Stimmung in der Bevölkerung wird über eine Prozentzahl angezeigt.

Die Guerillero-Agenten können nicht nur Genräle töten, sondern franzöische Armeen "bedrängen" - das ist eine interessante Neuerung: Wenn sie damit nämlich Erfolg haben, wird die Truppe nicht nur am Marschieren gehindert, sondern erleidet auch Verschleißverluste. Man kann also mit kleinen Truppen irgendwo eine Stadt angreifen und die nahende französische Armee über einen Agenten aufhalten. Innerhalb des Technologiebaumes gibt es ebenfalls Zusätze, die die Propaganda effizienter gestalten oder die Guerilla stärken, wenn man sie denn erforscht.

Gute Spielbalance, wankelmütige KI

Je nachdem, welche Nation man spielt, kommt es zu einem sehr dynamischen Spiel, in dem die Provinzen schnell ihre Herren wechseln, weil auch die KI gesteuerten Briten und Portugiesen fleißig erobern - allerdings nie so stark, dass man als Spanier nicht selbst agieren müsste. Die Franzosen versuchen auch sehr früh, die kleine spanische Flotte zu dezimieren. Hier muss man sehr gut aufpassen und schon mal den Rückzug antreten, wenn man nicht frühzeitig den Zugriff auf die zwei verschiedenen Handelstypen verlieren will: An den lukrativen überseeischen Posten können bis zu vier Schiffe aktiv sein, an den weniger lukrativen dafür bis zu acht. Leider attackiert die KI Letztere nicht aktiv genug, so dass man einige Monate auch ohne Geleitschutz überseeischen profit machen kann; auch auf der Strategiekarte verpassen es die Franzosen zu häufig, die Schwachpunkte der Spanier zu attackieren - man kann im ersten Kriegsjahr recht leicht voran kommen.

Einmal im Jahr bekommt man Geld von Verbündeten oder der Heimat - wie im Falle der Franzosen oder Briten. Das ist ein richtiger Geldsegen, den man gut investieren sollte, denn danach erwacht die KI der Franzosen plötzlich und beginnt etwas aggressiver zu agieren.

Fazit

Lohnt sich der Spanienkrieg für knapp sieben Euro? Ich habe die Kampagne sehr gerne gespielt, weil sie die Spielmechanik um einige interessante Mechanismen ergänzt. Vor allem das Bedrängen der Armeen durch Agenten sowie das hinterhältige Platzieren der Guerilla vor der Schlacht sorgen für frische Akzente. Allerdings wird man dem Guerillaverhalten im Feld oder gerade in der Belagerung nicht wirklich gerecht, denn die Gefechte laufen hier genau so ab wie im Hauptspiel - es gibt weder authentische Häuserkämpfe noch Hit- & Run- oder Sabotage-Taktiken im Feld. Außerdem hinterlässt die KI auf der Strategiekarte einen wankelmütigen Eindruck. Da erhoffe ich mir aber auch erst von Shogun 2 spürbare Fortschritte, was Hinterhalte, Fallen & Kartenstrategie angeht. Bis dahin werde ich mich nach den spanischen Befreiern mal als französischer Unterdrücker versuchen!

Eindruck: gut

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