The Binding of Isaac
30.10.2012 11:20, Julian Dasgupta

"Ich hätte dagegen gewettet."

Er habe gewusst, dass The Binding of Isaac (ab 35,95€ bei kaufen) (TBoI) etwas Besonderes ist. Bestenfalls habe er aber auf einen Nischenhit gehofft. Hätte ihn aber jemand gefragt, ob sich das Spiel innerhalb eines Jahres mehr als eine Mio. Mal verkaufen kann, hätte er definitiv dagegen gewettet. Sagt Edmund McMillen, der im Rahmen eines Post-Mortem-Artikels in der November-Ausgabe des Game Developer Magazine (kurzer Auszug ) zurückblickt auf die Produktion des zusammen mit Florian Himsl entwickelten Spiels: "From any mainstream marketing perspective, I designed to fail - and that was my goal from the start."

The Good,...

Kurz nach dem Stapellauf des Spiels habe man im Schnitt 100 bis 200 Exemplare pro Tag auf Steam verkauft. Damit seien seine moderaten Erwartungen schon übertroffen worden. Fünf Monate nach den Launch sei aber etwas "Merkwürdiges" passiert: Der Schnitt sei erst auf 500, dann auf 1000 angestiegen. Nach sieben Monaten habe man sich dann bei 1500 Verkäufen pro Tag eingependelt. Über 100 Let's-Play-Videos seien täglich zu Youtube hochgeladen worden und hätten reichlich Zuschauer gehabt: TBoI hatte eine Fangemeinde gefunden und wuchs.

In früheren Interviews hatte McMillen noch angemerkt, man solle nicht zu viel in TBoI hineininterpretieren. In seinem Rückblick heißt es aber deutlich, er habe am Anfang des während eines Game Jams entstandenen Konzepts zwei klare Ziele gehabt: Ein Rogue-like mit einer Zelda-artigen Dungeon-Struktur erschaffen, das sein Verhältnis zur Religion schildert. Mit schwarzem Humor und Satire habe er Themen wie Missbrauch, Abtreibung, Kindermord, Zurückweisung und die negativen Auswirkungen von Religion auf Kinder besprechen wollen. 

Natürlich habe es Spieler gegeben, die der Hintergrund von TBoI nicht wirklich interessiert. McMillen ist aber überzeugt davon, dass sein Werk bei vielen anderen auch aufgrund der Thematik herausstach.

Er stamme aus einer Familie mit sehr religiösen Eltern. Als kleines Kind habe er viele er Bräuche als faszinierend und kreativ empfunden. Allerdings sei McMillen auch für seine "Sünden" verdammt worden, habe sich auch anhören müssen, dass er in der Hölle landen wird, weil er Spiele wie Dungeons & Dragons oder Magic: The Gathering gespielt hatte. TBoI sollte jene Zwiespältigkeit mit ihren positiven wie negativen Aspekten verkörpern. Der Selbsthass und die Isolation seien zugleich auch der Quell seiner "düsteren Kreativität" geworden. Die Bibel sei ein sehr gutes, einfallsreich geschriebenes Buch. Eines der Elemente, die McMillen faszinieren: Die Vielzahl der Deutungen, die verschiedene Leute für ein und dieselbe Passage finden können. Jenen Aspekt habe er mit TBoI widerspiegeln wollen, gäbe es doch allerlei Interpretationsmöglichkeiten für die diversen Enden.

McMillen bedankt sich auch bei Valve über die Unterstützung auf Steam: Auf der Download-Plattform gebe es keine inhaltlichen Vorschriften, auch habe er sich nie um eine Alterseinstufung beim in den USA dafür zuständigen ESRB bemühen müssen. Er und Himsl hätten das Spiel jederzeit problemlos und kostenfrei updaten können - neue Versionen seien innerhalb eines Tages auf Steam verfügbar gewesen. Auf den Konsolen wäre das unmöglich gewesen.

...the Bad and the Ugly

Eher unzufrieden ist McMillen mit dem Launch: Isaacs Kellerausflug sei etwas zu sehr vom Bugteufel heimgesucht worden. Die gröbsten Fehler habe man innerhalb der ersten zwei Tage beheben können, insgesamt hätte das Spiel auch aus Balancing-Gründen mehr Testaufwand benötigt.

Der größte Makel - auch von uns im 4P-Test strafend erwähnt - sei die Verwendung von Flash und ActionScript 2 gewesen. Dies sei eben die technische Basis gewesen, mit der sich Himsl auskannte. Flash sei allerdings ziemlich veraltet, sodass TBoI trotz aller Bemühungen des Programmierers heftige Systemanforderungen und Performanceprobleme hatte. Wegen Flash habe es außerdem keine native Controller-Unterstützung oder Funktionen gegeben, die eigentlich bei Steam integriert sind. McMillens Fazit: "If I had known that anyone would have cared about Isaac, I wouldn’t have made it in Flash at all."

Flash sei auch generell ungeeignet gewesen für den Umfang des Spiels. Nachdem die FLA-Datei die Grenze von 300 MB überschritten hatte, habe man es nicht mehr geschafft, zuverlässig eine SWF-Datei zu erzeugen, ohne das der Rechner zwischendurch auch mal abstürzt. Noch komplizierter sei das Ganze dann bei der Erweiterung Wrath of the Lamb geworden: Bei einem Viertel der Speicherversuche sei die FLA-Datei immer zerschossen worden. Himsl habe ständig Verzeichnisse wechseln, den Rechner neustarten und testen müssen, ob alles geklappt hat.

Einen Sturm im Wasserglas hatte es gegeben, als die Retailfassung von TBoI im Winter von der USK eine 16er Einstufung verpasst bekam, die mit "blasphemischen" Inhalten begründet wurde. Ein durchaus fragwürdiges Argument, findet McMillen: Man könne schließlich Blasphemie nicht für alle allgemein definieren. Das, was von einer Religion als blasphemisch empfunden wird, sei in einer anderen völlig bedeutungslos.

Es wäre eine Lüge zu behaupten, dass es sich nicht irgendwie "awesome" angefühlt hat, das erste Spiel zu erschaffen, das eine 16er Einstufung wegen Blasphemie bekommen hat - McMillen geht allerdings davon aus, dass die von der USK-Klassifikation losgetretene Diskussion letztendlich auch darin resultierte, dass sich Nintendo gegen eine 3DS-Version entschied.

Seine Frau habe sich gesorgt, dass TBoI mit seien Inhalten vielleicht die "falschen Leute" verärgert und irgendjemand deswegen zu Schaden kommt. Auch er habe Bedenken gehabt, sich aber letztendlich gedacht: Die meisten dieser Leute spielen bestimmt keine Spiele.

"And after over a year, I really believe that’s true. (Thank God!)"

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