Star Citizen
27.08.2013 08:12, Benjamin Schmädig

"Seit 14 Jahren will ich dieses Spiel machen."

Im Rahmen der gamescom hatten wir Gelegenheit uns mit Chris Roberts (Wing Commander, Freelancer) zu unterhalten. Anlass war natürlich sein Weltraumabenteuer, das ähnlich wie Wing Commander eine packende Geschichte erzählen und gleichzeitig eine Onlinewelt erschaffen soll, in der Spieler Handel treiben, als Piraten auf dunklen Pfaden fliegen oder als Söldner Auftragsarbeit leisten.

Das Geld für die Entwicklung des Spiels soll ausschließlich durch Schwarmfinanzierung zusammenkommen. Ursprünglich hatte Roberts zwar Investoren für das Projekt interessiert, konnte auf deren Gelder aber verzichten, weil Star Citizen schnell großzügige Anhänger fand. Und noch heute findet: Als die Entwickler einen Werbespot für eins ihrer Raumschiffe veröffentlichten, vergrößerte sich ihr Portemonnaie binnen einer Woche um eine Mio. Dollar, weitere Millionen folgten.

Um den Einsatz aller Fans zu würdigen, erhalten sie nacheinander verschiedene Bausteine des Spiels, schon in wenigen Tagen können sie etwa durch Hangars laufen. Dort bestaunen sie ihre mit der Schwarmfinanzierung gekauften Schiffe nicht nur von außen, sondern nehmen auch im Cockpit Platz. Ende des Jahres sollen sie erstmals Raumkämpfe gegeneinander und gegen KI-Piloten austragen, später folgen die Möglichkeiten Mitspieler zu treffen und Schiffe aufzurüsten, andere Schiffe im Raumkampf zu entern, die Alpha-Fassung der Kampagne usw .

Hat Roberts nicht Angst vor negativen Reaktionen, wenn die Teile aus dem großen Ganzen gelöst werden? Die werde es sicher geben, aber der Weltraumveteran vertraut dem Großteil seiner Spieler. Und er kennt sich im Internet aus: "Ich höre nicht auf die Lautesten im Forum", sagt Roberts, denn aus Umfragen weiß er, dass deren Meinung selten dem allgemeinen Konsens entspricht. Ganz allgemein sind ihm die Wünsche der Fans dabei sehr wichtig, denn auch, wenn sich seine Vision dadurch nicht ändert, helfe ihm das Feedback richtige Weichen zu stellen. Ein Beispiel: In Star Citizen sollte es von Beginn an Söldner, Kopfgeldjäger und Händler geben, in einer Umfrage wollten die meisten Spieler aber Entdecker sein. Damit hatte Roberts nicht gerechnet – jetzt stellt er natürlich sicher, dass für Entdecker ausreichend Inhalte enthalten sein werden.

Mit der schrittweisen Veröffentlichung der Module will er außerdem sicherstellen, dass alle Bausteine frühzeitig fertiggestellt werden. Denn für gewöhnlich kreiere ein Studio einzelne Elemente nur so weit, dass sie im Wesentlichen funktionieren. Kurz vor Fertigstellung des Spiels müsste dann an vielen Stellen Feinschliff betrieben werden, was einen gehörigen Aufwand bedeute. Eine solche Crunch Time will Roberts vermeiden.

Star Citizen soll sich im Laufe der Jahre zudem entwickeln: Ähnlich wie Eve Online will er sein Spiel ständig erweitern – er spricht von zehn Jahren und würde in einem erfolgreichen 2024 sicherlich nicht aufhören. "Als ich Freelancer im Jahr 1999, lange vor Eve Online, zum ersten Mal vorstellte, habe ich schon gesagt, dass Onlinespiele die Fortführung des Solospiels sein und eine dynamische Wirtschaft haben würden. […] Star Citizen ist etwas, das ich seit mindestens 14 Jahren machen wollte." In Freelancer konnte er seine Ideen allerdings nicht umsetzen, weil Microsoft das Interesse am PC verlor und sich auf die Xbox konzentrieren wollte.

Will Roberts eine ähnlich offene Wirtschaft schaffen wie sie Eve Online bekannt gemacht hat? Nicht ganz. Die Spieler sollen zwar miteinander handeln, haben aber nur einen kleinen Einfluss auf die Ökonomie. Immerhin übernehmen Millionen KI-Einheiten den Abbau von Rohstoffen sowie Verarbeitung und Verkauf der Erzeugnisse. Wann immer ein Spieler hinzukommt, übernimmt dieser den Platz einer KI und sollte die Zahl der Spieler sehr groß sein, werden zusätzliche KI-Einheiten erstellt. Die KI soll immer 80 bis 90 Prozent der "Bevölkerung" ausmachen. Je nach Bedarf erstellt sie dabei Aufträge, etwa zum Abbau von Rohstoffen oder zur Herstellung von Raketen. Nimmt kein Spieler den Auftrag an, wird eine KI damit beauftragt. Spieler sollen gar nicht merken, ob z.B. ein Frachter einem anderen Spieler oder einer KI gehört.

Nach einer Dreiviertelstunde kommt Roberts schließlich dazu, das in Kürze öffentlich verfügbare Hangar-Modul zu zeigen: In Egosicht oder vom Schulterblick aus steuert er einen Piloten durch verschieden große Hangars. Per Knopfdruck senkt sich der Eingang eines kleinen Schiffs und gibt den Weg ins Cockpit frei. Große Schiffe erreicht er über einen hohen Steg, der nur über eine Leiter zu erreichen ist. Es ist natürlich nur eine Tech-Demo, die einen interessanten kleinen Einblick, aber keinerlei Rückschlüsse auf das Spiel erlaubt. Zumal ich zugeben muss, dass ich nie ein Freund der Raumschiffe war, die in einem Roberts-Spiel abheben. Deren seltsam verspieltes Design erreicht auch hier nicht den glaubwürdigeren, nüchternen Pragmatismus etwa der frühen Star-Wars-Filme. Das wird mich allerdings nicht von dem Spiel fernhalten.

Immerhin ist es Roberts sehr wichtig, dass sich virtuelle Piloten wie in einem echten Cockpit fühlen. Deshalb war der Joystick in Wing Commander so präsent und deshalb sprühten bei Treffern die Funken. Und deshalb wird er auch das Oculus Rift unterstützen.

Abgesehen davon kann jedes Schiff, ähnlich wie in Eve Online, mit Modulen ausgestattet werden, die es entweder schneller oder stärker machen oder in einer anderen Form den spielerischen Vorlieben anpassen. Während die Flieger dabei von physikalischen Gesetzen angetrieben werden, soll ihr Flugverhalten an Wing Commander erinnern – für einen riesigen Independence-War-Fan wie mich nicht die beste Nachricht, aber auch das wird kein Stolperstein sein.

Ich bin jedenfalls gespannt: Noch besteht Star Citizen aus vielen guten Ideen, aber wenigen harten Fakten. Spielerisch wird es auch nach Veröffentlichung des Hangar-Moduls über weite Strecken ein Rätsel bleiben. Frühestens mit den Raumkämpfen Ende des Jahres wird sich zeigen, was der Altmeisters bei seiner Rückkehr in petto hat.

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