von Julian Dasgupta,

Spellbound: Die Desperados-Macher sind insolvent

Schwere Zeiten muss Spellbound Entertainment dieser Tage durchleben. Wie der Hersteller soeben verlauten ließ, hat man jetzt beim Insolvenzgericht Offenburg offiziell Insolvenz angemeldet. Zuvor sei eine Investorenrunde gescheitert.

Über die weiteren Chancen des Unternehmens heißt es:

"Zum vorläufigen Insolvenzverwalter wurde Herr Rechtsanwalt Dr. Ulrich Nehrig bestellt. Nach den Ergebnissen der ersten Prüfungshandlungen ist eine Sanierungschance gegeben, da die Projektentwicklung weit fortgeschritten ist und das Publisher-Feedback sehr positiv ist.

Die Löhne und Gehälter der 65 Mitarbeiter sind im vorläufigen Insolvenzverfahren gesichert und der Geschäftsbetrieb läuft normal weiter. Nach Angaben von Dr. Nehrig wird umgehend ein Investorenprozess eingeleitet. Die Chancen hierfür stehen nach seiner Einschätzung sehr gut."

Weitere Informationen liegen bis dato nicht vor.

Cowboys & Airlines

Spellbound war 1994 von Armin Gessert und Jean-Marc Haessig gegründert worden. Mit Airline Tycoon hatte sich das Studio dann erstmals einen Namen gemacht - noch bekannter und erfolgreicher war aber der Taktik-Titel Desperados, der nicht nur durch sein Western-Szenario zu gefallen wusste. Mit Robin Hood und Chicago 1930 blieb man dem Genre treu.

2006 ließ man die Zusammenarbeit mit Atari wiederaufleben und veröffentlichte Desperados 2: Cooper's Revenge. Allzu lange hielt jener Pakt allerdings nicht: Das, was einst als Erweiterung für Desperados 2 gedacht war, wurde in Eigenregie weiterentwickelt und schließlich über dtp als Helldorado veröffentlicht.

Piranha-Ersatzmänner

Es folgte ein Wechsel zu einem anderen Genre. Nachdem sich JoWooD und Piranha Bytes im Streit getrennt hatten, sucht der Publisher ein neues Studio für die Entwicklung von Gothic 4. Spellbound legte ein internes Projekt namens RavensDale auf Eis und bemühte sich um den Zuschlag - und setzte sich auch durch. Auf der Games Convention 2007 wurde die Kooperation dann offiziell verkündet.

Parallel widmete man sich zusammen mit dem in Berlin ansässigen Studio Bitfield einem Handheld-Titel. Für Gessert hatte Giana Sisters DS eine besondere Bedeutung, hatte der Branchenveteran doch die C64-Vorlage seinerzeit gemeinsam mit Manfred Trenz entwickelt. Das Spiel wurde Anfang 2009 veröffentlicht, im vergangenen Jahr erschien schließlich noch eine iOS-Umsetzung.

Im Herbst musste Spellbound allerdings einen schweren Schlag verkraften: Am 8. November 2009 verstarb Armin Gessert überraschend im Alter von 47 Jahren.

Arcania: Gothic 4 sollte derweil eigentlich Ende 2009 fertiggestellt werden, kam aber nach einer Verschiebung erst ein Jahr später in den Handel. Der Absatz blieb unter den Erwartungen JoWooDs. Spellbound produzierte mit Arcania: Fall of Setarrif noch eine Erweiterung, deren Release aber aufgrund rechtlicher Probleme verschoben werden musste. Nach der Pleite JoWooDs konnte das Add-on dann im Herbst des vergangenen Jahres über Nordic Games veröffentlicht werden.

Zur gleichen Zeit zog Spellbound - bereits wieder an RavensDale arbeitend - weg aus dem heimischen Kehl nach Offenburg. Mit damals 70 Angestellten war die Firma laut eigenen Angaben zu jenem Zeitpunkt das drittgrößte und zugleich auch älteste noch unabhängige Studio in Deutschland. Zur gleichen Zeit hatte man noch ein weiteres Projekt in Angriff genommen: Spellbound wollte ein Studio mit Fokus auf Browser- und Mobile-Spiele in Berlin aufbauen. 
Quelle: Pressemitteilung

Kommentare

master-2006 schrieb am
Das finde ich jetzt echt schade, sowohl Desperados, als auch Robin Hood und Chicago 1930 habe ich hier im Regal stehen und bis zum Erbrechen gezockt, ich hab Spellbound auch eigentlich immer als sehr sympathisches Studio empfunden.
Brakiri schrieb am
Ja, Arcania hat sich wirklich nicht gut verkauft. Die letzten Daten von denen ich weiss, sagten etwas von knapp 130k Einheiten weltweit, bei einem Spiel was über 4Mio? gekostet hat. Da fragt man sich schon, wofür Jowood dieses Geld verbrannt hat. The Witcher 2 hatte kaum ein höheres Budget, und diese 2 Spiele sind kaum zu vergleichen.
Wie Kajetan schon sagte, muss man schauen, dass man nicht nur die laufenden Kosten deckt, sondern sich auch danach ordentlich finanziert(z.B. Beteiligung an Gewinn verkaufter Einheiten). Nach dem Arcania-Desaster standen die Auftraggeber sicher nicht Schlange und Jowood hat ganz sicher auch nicht sonderlich gut bezahlt. Die hatten selber kaum Geld, und mussten sich das meiste von diesem Fonds leihen.
Ich kenne Desperados nicht, aber wenn Sie fähige Leute haben, vielleicht könnten sie auf den Crowdfunding-Zug aufspringen und ein gutes Spiel ihrer Vorstellungen über diesen Weg finanzieren?
Sinnigerweise in einem Bereich, in dem sie gezeigt haben dass sie kompetent sind.
Bei 65 Mitarbeitern kann dieser Weg aber wohl maximal eine Teilfinanzierung bieten.
Nekator schrieb am
Desperados war wirklich ganz nett.. aber JoWood hat auch die mit in den Untergang gerissen. Liest man in letzter Zeit wieder häufiger, die Insolvenzen der kleinen Studios..
Kajetan schrieb am
Nightfire123456 hat geschrieben:Wundert mich jetzt echt. Dachte ihre Titel hätten sich ganz ordentlich verkauft.
War auch so. Meistens. Aber gute Umsätze bedeuten noch lange nicht, dass ein Entwickler wirtschaftlich auf Dauer überleben kann, da der Gewinn aus den Spieleverkäufen mehrheitlich beim Publisher, bei den Investoren landet.
Vor allem Gothic 4 das war doch ne Zeit lang recht weit oben in den verkaufscharts, klar das heisst nicht das auch viel verkauft wurde kommt ja auch darauf an wieviel die konkurrenz in dem gleichen zeitraum verkauft hat.
Arcania hat sich so kümmerlich verkauft, dass es Jowood final und endgültig das Genick gebrochen hat.
Spellbound stolperte über DEN Hauptgrund vieler Studioschliessungen, eine gescheiterte Anschlußfinanzierung. Wie zB. bei Radon Labs, denen es gar nichts geholfen hat, dass sich die beiden Drakensang-Spiele gut verkauft haben, weil ihr Gewinnanteil nicht groß genug war, um aus eigener Kraft ein Drakensang 3 zu produzieren. dtp als Publisher hatte einen Finanzierungsrunde für Drakensang 3 gestartet, es sind einige potentielle Investoren abgesprungen, das Projekt musste abgeblasen werden und Radon Labs die Pforten schliessen.
Nightfire123456 schrieb am
Wundert mich jetzt echt. Dachte ihre Titel hätten sich ganz ordentlich verkauft.
Vor allem Gothic 4 das war doch ne Zeit lang recht weit oben in den verkaufscharts, klar das heisst nicht das auch viel verkauft wurde kommt ja auch darauf an wieviel die konkurrenz in dem gleichen zeitraum verkauft hat. Oder die verkäufe aus den Deutschsprachigen Ländern alleine haben nicht gereicht.
Auf jeden fall sehr Schade, die Desperados Teile waren zwar nicht mein Genre aber sie hatten ja eigentlich immer gute Bewertungen bekommen
schrieb am