Dragon Age: Origins
18.07.2008 03:23, Mathias Oertel

E3-Eindruck: Best of Bioware

Wie um kaum ein anderes Spiel war im Vorfeld der E3 die Geheimniskrämerei so groß wie bei Biowares neuem Rollenspielspektakel. Bereits vor einigen Jahren als spiritueller Nachfolger des Klassikers Baldur's Gate angekündigt, legte sich ein Mantel des Schweigens über das Abenteuer, das von Bioware als "Dark-Fantasy Rollenspiel" deklariert wird. Doch in Los Angeles wurde der Vorhang gelüftet. Und wir waren vor Ort, um uns von Dan Tudge, dem  ausführenden Produzenten der Dragon Age-Franchise, durch eine Demo führen zu lassen - eine Demo, auf die "das Team sehr stolz ist".

Nach dem Trailer, der auf der Pressekonferenz von EA gezeigt wurde, war die Skepsis zunächst groß, wie die First Facts zeigen. Es wirkte alles wie eine Bioware'sche Fassung des Herr der Ringe-Zyklus und schien zudem nicht sehr spektakulär und so episch zu sein, wie man es von den Kanadiern gewohnt ist.  Und ob der folgende Eindruck positiv oder negativ zu werten ist, überlasse ich jedem einzelnen. Aber: Die Anspielungen auf Tolkiens Zyklus haben sich durch die gesamte Demo gezogen - angefangen vom stimmungsvoll erzählten Intro bis hin zum letzten Kampf in dieser Präsentation gegen einen enormen Oger.

Doch Bioware hat auch mit Mass Effect schon bewiesen, dass man sich eines bekannten Themas, in diesem Fall Science-Fiction mit 80er-Jahre-Flair, annehmen und dies zu einem Epos machen kann. Insofern bin ich zuversichtlich, dass das Team um Dan Tudge auch hier wieder alle Tricks ausschöpft, die Bioware auf dem Kasten hat.

Die Kulisse in den ersten Minuten hinterließ einen gespaltenen Eindruck. Während Charakterdesign und Gesichtsanimationen selbst von Mass Effect verwöhnte Rollenspieler vor Freude aufjauchzen lassen dürften, ließen mich die Hintergründe ziemlich kalt. Ja: Es sah gut aus. Aber nicht spektakulär. Und für "Dark Fantasy" war alles irgendwie zu "sauber", beinahe steril. Doch plötzlich kippte dieser Eindruck: Das Design bekam die Kurve und auf einmal war es düster, bedrohlich, schmutzig und erwachsen - und ging damit in eine Richtung, die in Rollenspielen in letzter Zeit nur von Ataris The Witcher beschritten wurde...

Was die Story betrifft, lässt sich noch nicht all zu viel absehen, allerdings sollen die Entscheidungen des Spielers auf dem Weg zum Helden, Märtyrer oder Tyrann die Geschichte stark beeinflussen. In welcher Form, wollte Dan Tudge leider noch nicht preisgeben. Diese Spielmechanik war allerdings auch das Aushängeschild der letzten Bioware-Epen - dennoch kann man gespannt sein, ob sich die Kanadier hier selbst übertreffen. Was die Antwortmöglichkeiten in den Dialogen betrifft, erinnert das System stark an Mass Effect. Soll heißen: Bislang stand die positivste Antwort meist an oberster Stelle und die negativste unten. Das kann natürlich im schlimmsten Fall zum klassischen Wegklicken verführen, da man ja weiß, dass die oberen Antwortmöglichkeiten quasi auf den "guten" Weg führen.

Als spiritueller Nachfolger von Baldur's Gate darf natürlich auch das klassische Kampfsystem nicht fehlen. Oder doch? Ja und Nein! Das von Tudge als "Pause & Play" bezeichnete System scheint einerseits eine konsequente Weiterentwicklung der alten Mechanik zu sein, erinnert in seinen Grundzügen aber auch immer wieder an Mass Effect, wo man ja auch bekanntermaßen unterbrechen konnte, um gezielt Befehle zu geben. Im Gegensatz zu Mass Effect kann man aber die Kamera in Dragon Age auch weiter heraus zoomen und z.B.  in einer isoähnlichen Sicht positionieren, um eine größtmögliche Übersicht zu haben.

Mit 20 Slots in der Taskleiste scheint zudem genug Platz für spezielle Kampfbewegungen, Zauber etc. zu sein. Zu den geplanten Klassen und deren Fähigkeiten gab es leider keine Informationen, doch ausgehend von dem, was man bisher vom männlichen Grey Warden (einer Nahkampfklasse) sowie dem weiblichen Zauberer mit visuell sehr eindrucksvollen Elementarsprüchen sehen konnte, scheint das übliche klassische Spektrum abzudecken.

Doch vielleicht hat Bioware hier auch noch die eine oder andere Überraschung im Ärmel.
Die Kämpfe sind übrigens, ganz dem Motto "Dark Fantasy" entsprechend nicht nur spektakulär und erlauben Umgebungsinteraktion (z.B. erst ein mit Pech gefülltes Fass zerstören, dann die in der zähen Masse stehenden Gegner mit einem Flammenzauber in ein Barbeque verwandeln), sondern sind auch hinsichtlich des Gewaltfaktors auf einer Stufe mit entsprechenden Pulp-Romanen à la Conan oder Filmen aus diesem Genre.
Besonders der knallharte Zeitlupen-Finisher gegen den übermächtig scheinenden Oger hinterließ bei mir einen nachhaltigen Eindruck und die Hoffnung, dass Bioware es schafft, ansprechende Fantasy-Unterhaltung auf die Beine zu stellen.

Insofern konnte die Skepsis im Vorfeld und nach dem ersten Trailer wieder stark relativiert werden. Doch um wirklich zum spirituellen Nachfolger (im übrigen wurde dieser Begriff während der Demonstration ziemlich überstrapaziert) von Baldur's Gate zu werden, müssen noch einige andere Fragen beantwortet werden, um die sich Dan Tudge nach Ende der Präsentation geschickt herum wand.

Dazu gehört z.B. das Thema der Party-Interaktion, die damals eine riesige Rolle hinsichtlich der Atmosphäre spielte und nach KotOR fast völlig aufgegeben wurde. Hierzu sagte Tudge nur, dass dieses Feature definitiv geplant sei, er aber noch nicht preisgeben könne, wie weit die Interaktion reicht. Aber es sei in jedem Falle ein Party-basiertes Spiel mit taktischen Kämpfen. Und man habe bei der Entwicklung vor allem die Core-Fans von Bioware-Rollenspielen im Kopf gehabt. Und mit dem Gedanken an diese werde man auch einen World Builder mitliefern, um ähnlich wie bei Neverwinter Nights die Grundlage für User-generierte Inhalte zu liefern.

E3-Eindruck: Aller anfänglichen Skepsis zum Trotz scheint Bioware auf einem guten Weg zu sein. Die Kanadier haben ihre eigene Rollenspiel-Vergangenheit angefangen von Baldur's Gate über Neverwinter Nights bis hin zu Mass Effect genau analysiert und dann die besten Elemente unter dem Dach "Dark Fantasy" vereint. Doch es bleiben immer noch viele Fragen offen. Diese betreffen zwar nicht die Kulisse, die nach anfänglicher Ernüchterung irgendwann Vollgas gibt und einen stimmigen Hintergrund für die ebenso blutigen wie taktischen Schlachten bietet. Doch was hat es in Dragon Age mit den die Geschichte beeinflussenden Entscheidungen auf sich? Wird die Levelstruktur eine frei erforschbare Welt bieten oder verlässt man sich auf weitestgehend lineare Pfade? Wie verläuft die Charakterentwicklung? Es gibt nicht viele Teams, bei denen ich auf diese Fragen positive Antworten erwarte. CD Project Red gehört in diese Gruppe. Und definitiv Bioware. Das Fundament ist gelegt. Und auf dieser Basis kann ein Rollenspiel-Palast entstehen, den es in dieser Form noch nicht gab. Doch es gibt auch immer noch viele Stolperfallen. Ich hoffe, dass die Kanadier alle Probleme sicher umschiffen...
 

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