von Julian Dasgupta,

GDC Europe 2012: Total War unter die Haube geschaut

Game Developers Conference Europe 2012 (Messen) von
Game Developers Conference Europe 2012 (Messen) von
Vor einigen Wochen hatte Sega endlich das von vielen Fans der Reihe herbeigesehnte Sequel zu Rome: Total War angekündigt. Auf der GDC Europe 2012 hielt James Russell (Lead Designer bei Creative Assembly) einen Vortrag zur grundlegenden Spielmechanik der Reihe, die Sega zu seinen wichtigsten Marken zählt.

Grundsätzlich gebe es vier Pfeiler, auf denen Total War ruhe. Wichtig seien den Entwicklern reichhaltige Szenarien, eine abwechslungsreiche Spielwelt, in der es mehrere Fraktionen gebe, von denen theoretisch jede 'gewinnen' könnte. Der Zeitabschnitt müsse das Potenzial für ein Technologiewettrennen bieten, damit es Dynamik und Fortschritt gebe. Auch müsse es ein Geschehen abseits der Schlachtfelder geben.

Die allen Total War-Spielen innewohnende "Kernschleife" veranschaulichte Russell mit  folgendem Diagramm.



"Gameplay ist eine Serie interessanter Entscheidungsmöglichkeiten", hatte Sid Meier einst gesagt. Russell griff jene Definition auf und merkte an, dass es auch Creative Assembly darum gehe, den Spieler vor Entscheidungen zu stellen, bei denen man stets vor und Nachteile abwägen müsse. Dabei müsse man aber gerade beim Micromanagement hinterfragen, was überhaupt sinnvoll sei - oder ob man vom Spieler letztendlich nur abverlange, eine Reihe "richtiger Antworten" auszuführen. Seien die Auswirkungen zu klein, sei eine Entscheidungsmöglichkeit zu mühselig und werde zur lästigen Pflicht - seien sie zu stark, gebe es Missbrauchspotenzial.

Als Negativbeispiel nannte Russell das Steuersystem in Rome: Total War. Den Steuersatz habe man eigentlich immer so festlegen müssen, dass die Bevölkerung in den einzelnen Provinzen gerade noch zufrieden war. Das sei dann darauf hinausgelaufen, dass die Spieler im Prinzip in jeder Runde jeden einzelnen Bereich abklappern, um die Steuern anzupassen. In Total War: Rome II habe Creative Assembly hingegen zusätzlich langfristige positive und negative Auswirkungen des Steuersatzes eingebaut, um die nervigen Automatismen abzuschalten und das Geschehen fordernder zu machen.

Die Kombination aus rundenbasierter Kampagne und Echtzeitschlachten sei der nächste Grundpfeiler von Total War. Die Kampagne würde den Schlachten einen Kontext verleihen, sodass diese nicht völlig isoliert dastehen. Die Schlachten wiederum würden der Kampagne Dynamik, Adrenalin und -dank einzelner Einheiten- den menschlichen Faktor verpassen.

Die historische Einbettung sei ein weiterer Pfeiler, der die Immersion des Erlebnisses erhöhe. Beim Realismus müsse man natürlich Kompromisse eingehen, sonst würden Schlachten ja vielleicht mehr als 24 Stunden dauern. Die Wirklichkeit sei ein Diener der Spielmechanik, nicht ihr Herr. Das Moralsystem sei nicht implementiert worden, um das Spiel realistischer zu machen, sondern vielfältiger und tiefgründiger. Auch müsse man sich dadurch nach einer gewonnenen Schlacht nicht um jede einzelne verbliebene Gegnereinheit kümmern. Last but not least: Es gehe nicht nur darum, wer die größte Armee in die Schlacht führe.

"emergent gameplay" dank Simulation

Die tiefgründige Simulation aller Kampfelemente sei der vierte Pfeiler von Total War. Jede Einheit, jede Kugel, jeder Pfeil werde individuell berechnet. Das Schlachtgeschehen finde auf Einheiten-, nicht Truppenebene statt. Aus Designersicht klinge das erstmal erschreckend - aber dadurch würden sich während des Spiels dynamisch stets neue Situationen ergeben.

In Seeschlachten würde ein Admiral versuchen, das gegnerische Schiff mit seinen Kanonen von der Rückseite her zu erwischen, um den Schaden zu maximieren. Dank der Simulationssysteme müsse Creative Assembly eine solche Situation nicht erst modellieren - das System gebe sie einfach her. Bei den Schadensmodellen der Schiffen habe man es aber vielleicht in der Vergangenheit übertrieben, sinnierte Russell. Auch den Höhenvorteil von Truppen habe man nicht extra programmieren müssen - dank der ballistischen Flugbahn der Geschosse wären niedriger positionierte Truppen quasi automatisch anfälliger.



Man müss natürlich vorsichtig mit Simulationsaspekten umgehen, sonst sei man irgendwann damit ausgelastet, Sicherheitsmaßnahmen gegen ungeplante Konsequenzen bzw. Nebenwirkungen der Simulation auszutüfteln. Auch sei ein voll simuliertes System schwieriger zu balancieren, und das Spielgeschehen sehr abhängig von der Levelgeometrie.

Als Entwickler müsse man sich immer fragen, wie viele Informationen der Spieler eigentlich über dort werkelnde Mechanismen serviert bekommen muss. Bei Creative Assembly sei man überzeugt, er müsse nur das wissen, was er auch wirklich wissen muss in einer Situation. Dabei gebe es aber natürlich auch Unterschiede zwischen Anfängern und Profis. Es sei durchaus vorteilhaft, wenn nicht alle Systeme komplett offen liegen. Wenn man das Gefühl habe, er könne ein Spiel komplett ausrechnen, dann habe er irgendwann auch das Gefühl, er müsse es. Außerdem raube man seinem Werk damit auch die Magie, wenn Spieler wüssten, wie jedes einzelne Element funktioniere, könnten sie manchmal auch enttäuscht sein. Geheime Elemente würden außerdem den Erkundungs- und Experimentierdrang im Nutzer auslösen.

Während andere Entwickler darauf setzen, Konzepte möglichst früh umzusetzen und dann iterativ zu verbessern, sei man bei Creative Assembly -erwiesenen Brettspielfans- erpicht darauf, Systeme und Spielkonzepte möglichst weit auf dem Papier reifen zu lassen, bevor sie umgesetzt werden.

Wie in vielen anderen Strategiespielen würden in Total War diverse Stock-&-Flow-Systeme zum Einsatz kommen. Es gebe ein Einkommen an Ressourcen, gleichzeitig aber auch Ausgaben. Dabei müsse es positive Verstärkung als auch balancierendes negatives Feedback geben. Wer mehr Regionen beherrsche, habe auch mehr Truppen und kann wiederum noch mehr Gebiete erobern. Mehr Armeen würden höhere Kosten verursachen, und je mehr Grenzfläche man habe, desto mehr brauche man für deren Verteidigung. Als Entwickler müsse man aber darauf achten, dass daraus nicht eine negative Todesspirale entstehe.



Bei derartig komplexen Systemen müsse man generell Vorsicht walten lassen - selbst kleinste Anpassungen könnten wie der berühmte Schmetterlingseffekt allerlei nicht beabsichtigte Auswirkungen haben. Ein Beispiel aus der eigenen Produktion: Creative Assembly habe mal beschlossen, von der KI gesteuerten Truppen einen direkt an den KI-Schwierigkeitsgrad gekoppelten Moralbonus zu verpassen. Das habe aber darin gemündet, dass ausgerechnet bei  höheren Schwierigkeitsgraden die KI plötzlich schlechter spielte, weil die Truppen auch in relativ aussichtslosen Situationen noch verheizt wurden.

"Der Spieler selbst erschafft die Story"

Abschließend kam Russell noch auf einen anderen Aspekt von Spielen zu sprechen, den man aber sicherlich nicht für alle Genres verallgemeinern könne: Story sei keine notwendige Zutat von Immersion, sondern ihr Resultat. Der Spieler erschaffe zusammen mit dem Spiel eigene Geschichten, während er einen Titel konsumiere. Man müsse also keine Story vorgeben. Bei  Rome II wolle man deswegen auch jene Elemente verstärken, die für Emotionalität sorgen und erinnerungswürdige Momente im Spielgeschehen fördern. Russell verweist auch auf politische Intrigen, Familienrivalitäten, menschliche Schicksale, deutlich verbesserte Animationen, Mimik und den höheren Detailgrad der Figuren.




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